Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Die Angst vor der Fallhöhe
ANALYSE Am Donnerstag findet die Champions-league-auslosung statt. Wie gewohnt sind vier Bundesligisten dabei. Doch mit München, Dortmund und Leipzig geben nur drei Klubs die Königsklasse als Ziel aus. Die Vereine dahinter scheuen sich – auch aus Kalkül.
DÜSSELDORF Am Donnerstagabend blickt die Fußball-öffentlichkeit mal wieder ins schweizerische Nyon. Um 18 Uhr lost die Uefa dort die Champions-league-gruppen aus. 32 Teams werden sich dann qualifiziert haben, darunter im FC Bayern, Borussia Dortmund, RB Leipzig und dem VFL Wolfsburg wieder vier Teams aus der Bundesliga. Doch nur bei dreien (München, BVB, Leipzig) ist die Teilnahme an der Königsklasse auch vor jeder Saison erklärtes Ziel. Der vierte im Bunde – diesmal Wolfsburg, sonst auch schon mal Leverkusen, Mönchengladbach oder Hoffenheim – stammt regelmäßig aus einer Gruppe von Vereinen, die sich scheuen, die Champions League als DAS Ziel auszugeben. Doch warum eigentlich?
Fangen wir mit den unstrittigen drei an. Für den FC Bayern kann die Champions-league-teilnahme sogar eine Enttäuschung darstellen, wenn sie nicht über den Gewinn der Meisterschaft erfolgt ist. Leipzig mit seinen Brause-millionen im Rücken ist längst zum selbstverständlichen Starter avanciert. Und BVB-GEschäftsführer Hans-joachim Watzke sagte erst neulich: „Der dritte Platz aus der letzten Saison ist nicht der Anspruch.“
Doch dahinter ist es vorbei mit der Selbstverständlichkeit Königsklasse. Nehmen wir Leverkusen. Dort hält sich mal mehr, mal weniger deutlich das Credo: Europa League ist das Mindestziel, Champions League das Wunschziel. Sport-geschäftsführer Rudi Völler wurde über die Jahre nie müde zu betonen, dass für den Werksklub die Qualifikation für die Königsklasse vergleichbar mit einem Titelgewinn sei – nur eben ohne Trophäe. Leverkusen dient als gutes Beispiel dafür, dass Understatement als cleverste Antwort gilt, wenn die Öffentlichkeit mal wieder Saisonziele hören will. Lieber ließ man sich ein Leben in der Komfortzone vorwerfen, als ohne Wenn und Aber eine Top-vier-platzierung zu propagieren und beim Scheitern die Fallhöhe der eigenen Worte spüren zu müssen. Immerhin: Aktuell sind vor allem von Bayer-spielern offensivere Töne zu hören.
In Mönchengladbach ist es ähnlich. Der Verein, der laut Anspruch der handelnden Personen „nie vergessen darf, wo er herkommt“(nämlich aus langen Jahren des mal erfolgreichen, mal erfolglosen Abstiegskampfes), weiß natürlich wie alle anderen auch, dass nur die Champions-league-millionen die Tür zur Upper Class öffnen. Und schon die Europa League ein Rückschritt sein kann – gegenüber dem nationalen Kontrahenten, der parallel Königsklasse spielen darf. Aber Borussia kann es sich eben (noch) leisten, stolz auf konstante Jahre der Einstelligkeit zu verweisen, die Europa League als Erfolg und die Champions League als Sensation zu verkaufen. Dabei hilft das Underdog-image, das den Fohlen seit Jahr und Tag anhaftet.
Demut bleibt vielerorts Programm. Auch am Vw-standort Wolfburg wird die Königsklasse nicht als selbstverständlich angesetzt. Der Anspruch sei es, so ist zu lesen, mindestens Dritter in der Gruppe zu werden, um international zu überwintern – in der Europa League. Tatendrang hört sich anders an. Der wird auch kaum aus Frankfurt zu vernehmen sein, das die Qualifikation zur Champions League im Saisonfinale verspielte. Vom erneuten Angriff ist keine Rede, eher von der Doppelbelasung Europa League und Bundesliga (im Dfb-pokal ist man schon draußen). Und auch in Hoffenheim ist es still geworden um große Ziele, SAP und Dietmar Hopp im Rücken oder nicht. Selbst Mäzenatentum schützt vor Zurückhaltung nicht.
Viel mehr Teams als die genannten sind nicht übrig, denen man zutraut, regelmäßig für die Königsklasse infrage zu kommen. Frühere Kandidaten wie Schalke, Bremen und der HSV spielen in Liga zwei. Der Rest von Liga eins guckt eher nach unten als nach oben.
Die neu geschaffene Conference League wird es künftig noch einfacher machen, die Königklasse als Sensation zu verkaufen, schließlich gibt es ja noch zwei Uefa-wettbewerbe unterhalb davon. Doch auch die finanziellen Belastungen der Corona-pandemie sowie das Versagen des Uefa-regulierungs-werkszeugs Financial Fairplay lassen die Klubs natürlich kleinere Brötchen backen. Brötchen, zu denen keine Marktschreier-ziele passen würden.
Und so wird wohl weiter von vier deutschen Klubs bei der Auslosung einer sein, der nicht damit gerechnet hätte, dabei zu sein.