Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Die Angst vor der Fallhöhe

ANALYSE Am Donnerstag findet die Champions-league-auslosung statt. Wie gewohnt sind vier Bundesligi­sten dabei. Doch mit München, Dortmund und Leipzig geben nur drei Klubs die Königsklas­se als Ziel aus. Die Vereine dahinter scheuen sich – auch aus Kalkül.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Am Donnerstag­abend blickt die Fußball-öffentlich­keit mal wieder ins schweizeri­sche Nyon. Um 18 Uhr lost die Uefa dort die Champions-league-gruppen aus. 32 Teams werden sich dann qualifizie­rt haben, darunter im FC Bayern, Borussia Dortmund, RB Leipzig und dem VFL Wolfsburg wieder vier Teams aus der Bundesliga. Doch nur bei dreien (München, BVB, Leipzig) ist die Teilnahme an der Königsklas­se auch vor jeder Saison erklärtes Ziel. Der vierte im Bunde – diesmal Wolfsburg, sonst auch schon mal Leverkusen, Mönchengla­dbach oder Hoffenheim – stammt regelmäßig aus einer Gruppe von Vereinen, die sich scheuen, die Champions League als DAS Ziel auszugeben. Doch warum eigentlich?

Fangen wir mit den unstrittig­en drei an. Für den FC Bayern kann die Champions-league-teilnahme sogar eine Enttäuschu­ng darstellen, wenn sie nicht über den Gewinn der Meistersch­aft erfolgt ist. Leipzig mit seinen Brause-millionen im Rücken ist längst zum selbstvers­tändlichen Starter avanciert. Und BVB-GEschäftsf­ührer Hans-joachim Watzke sagte erst neulich: „Der dritte Platz aus der letzten Saison ist nicht der Anspruch.“

Doch dahinter ist es vorbei mit der Selbstvers­tändlichke­it Königsklas­se. Nehmen wir Leverkusen. Dort hält sich mal mehr, mal weniger deutlich das Credo: Europa League ist das Mindestzie­l, Champions League das Wunschziel. Sport-geschäftsf­ührer Rudi Völler wurde über die Jahre nie müde zu betonen, dass für den Werksklub die Qualifikat­ion für die Königsklas­se vergleichb­ar mit einem Titelgewin­n sei – nur eben ohne Trophäe. Leverkusen dient als gutes Beispiel dafür, dass Understate­ment als cleverste Antwort gilt, wenn die Öffentlich­keit mal wieder Saisonziel­e hören will. Lieber ließ man sich ein Leben in der Komfortzon­e vorwerfen, als ohne Wenn und Aber eine Top-vier-platzierun­g zu propagiere­n und beim Scheitern die Fallhöhe der eigenen Worte spüren zu müssen. Immerhin: Aktuell sind vor allem von Bayer-spielern offensiver­e Töne zu hören.

In Mönchengla­dbach ist es ähnlich. Der Verein, der laut Anspruch der handelnden Personen „nie vergessen darf, wo er herkommt“(nämlich aus langen Jahren des mal erfolgreic­hen, mal erfolglose­n Abstiegska­mpfes), weiß natürlich wie alle anderen auch, dass nur die Champions-league-millionen die Tür zur Upper Class öffnen. Und schon die Europa League ein Rückschrit­t sein kann – gegenüber dem nationalen Kontrahent­en, der parallel Königsklas­se spielen darf. Aber Borussia kann es sich eben (noch) leisten, stolz auf konstante Jahre der Einstellig­keit zu verweisen, die Europa League als Erfolg und die Champions League als Sensation zu verkaufen. Dabei hilft das Underdog-image, das den Fohlen seit Jahr und Tag anhaftet.

Demut bleibt vielerorts Programm. Auch am Vw-standort Wolfburg wird die Königsklas­se nicht als selbstvers­tändlich angesetzt. Der Anspruch sei es, so ist zu lesen, mindestens Dritter in der Gruppe zu werden, um internatio­nal zu überwinter­n – in der Europa League. Tatendrang hört sich anders an. Der wird auch kaum aus Frankfurt zu vernehmen sein, das die Qualifikat­ion zur Champions League im Saisonfina­le verspielte. Vom erneuten Angriff ist keine Rede, eher von der Doppelbela­sung Europa League und Bundesliga (im Dfb-pokal ist man schon draußen). Und auch in Hoffenheim ist es still geworden um große Ziele, SAP und Dietmar Hopp im Rücken oder nicht. Selbst Mäzenatent­um schützt vor Zurückhalt­ung nicht.

Viel mehr Teams als die genannten sind nicht übrig, denen man zutraut, regelmäßig für die Königsklas­se infrage zu kommen. Frühere Kandidaten wie Schalke, Bremen und der HSV spielen in Liga zwei. Der Rest von Liga eins guckt eher nach unten als nach oben.

Die neu geschaffen­e Conference League wird es künftig noch einfacher machen, die Königklass­e als Sensation zu verkaufen, schließlic­h gibt es ja noch zwei Uefa-wettbewerb­e unterhalb davon. Doch auch die finanziell­en Belastunge­n der Corona-pandemie sowie das Versagen des Uefa-regulierun­gs-werkszeugs Financial Fairplay lassen die Klubs natürlich kleinere Brötchen backen. Brötchen, zu denen keine Marktschre­ier-ziele passen würden.

Und so wird wohl weiter von vier deutschen Klubs bei der Auslosung einer sein, der nicht damit gerechnet hätte, dabei zu sein.

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FOTO: VALENTIN FLAURAUD/AP Vorbereitu­ng auf den großen Moment: Ein Uefa-mitarbeite­r mit der Champions-league-trophäe im Rahmen einer Auslosung.

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