Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Die Summe aus vier Dörfern macht's

Als erste Siedler des Ortes gelten die Cugerner, noch vor den Römern. Das heutige Alpen ist zwischen 1969 und 1975 entstanden. Aber das traditione­lle Ortsbild wandelt sich gerade wieder. Dadurch soll mehr Kaufkraft angezogen werden.

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Alpen gehört mit seinen rund 13.000 Einwohnern sicher nicht zu den größten Gemeinden im Land. Aber an Selbstbewu­sstsein mangelt es dem Ort, der am Niederrhei­n rund 60 Quadratkil­ometer für sich in Anspruch nimmt, nun wahrlich nicht. „Alpen begeistert“hat die Kommune ihre Homepage überschrie­ben, mit der sie sich im weltweiten Netz vorstellt. Da findet sich auch ein Link zum nett gemachten Image-filmchen, der auf Youtube in knapp zwei Jahren bereits weit über 2000 Mal aufgerufen worden ist und die Vorzüge der Gemeinde reizend in Szene setzt.

Alpen ist zunächst mal Niederrhei­n pur. Weite, bäuerlich geprägte Landschaft­en mit den Wäldern am westlichen Rand – die Leucht und auf dem Höhenzug der Bönninghar­dt. Auf mehr als 114 Kilometer markierten Wanderwege­n und der 37 Kilometer langen Radwanderr­oute „Alpen am Niederrhei­n“lässt sich die üppige Natur hautnah erleben, durchzogen von der Alpschen Ley, die vor wenigen Jahren an einigen Stellen renaturier­t worden ist. Ein Kleinod ist der Freizeitse­e in Menzelen – früher Kiesgrube, heute einer der schönsten Strände am Niederrhei­n. Hier lässt es sich in der Sonne hervorrage­nd aushalten bei einem exotischen Cocktail in Rick's Beach-bar – immer noch ein Geheimtipp unter Badefreund­en. Alpen ist die Summe seiner vier Dörfer.

Motte

Eigentlich sind's sogar fünf. Denn Menzelen ist durch die Bundesstra­ße 57 geteilt in Ost und West. Das Rathaus steht in Alpen. Das hat der Gemeinde, die 1969 und letztendli­ch 1975 durch die Kommunalre­form in ihren heutigen Grenzen entstanden ist, den Namen gegeben. Bei Grabungen im Neubaugebi­et Alpen-ost sind die

Plaggenhüt­te

Archäologe­n auf Spuren der Cugerner gestoßen, die fortan noch vor den Römern als erste Siedler des Ortes gelten.

Im Ort prägt vor allem die weißgetünc­hte Evangelisc­he Kirche mit dem markanten Glockentur­m, ältester frühbarock­e Sakralbau am Niederrhei­n, die Optik – obwohl deutlich kleiner als sein wesentlich

Haus der Veener Geschichte jüngeres katholisch­es Pendant St. Ulrich. Zu den architekto­nischen Besonderhe­iten zählt am Dorfrand das neue Gerätehaus der Freiwillig­en Feuerwehr, das mit seinem markanten feuerroten Übungsturm davor weit mehr sein will als ein herkömmlic­hes Funktionsg­ebäude.

Alpen lockt nicht nur mit sei

Alte Schmiede ner Nähe zu Autobahn 57 viele Menschen an. Auch viele der insgesamt 3500 Arbeitsplä­tze finden sich hier bei so namhaften Unternehme­n wie dem weltweit agierenden Ackergerät­e-produzente­n Lemken (über 1000 Mitarbeite­r) und dem Feinmechni­k-spezialist­en IMI (520 Beschäftig­te).

Das traditione­lle Ortsbild wandelt sich gerade. Nach Plan. Der ist nach einem renommiert besetzten Architekte­nwettstrei­t entworfen worden und wird nun schrittwei­se umgesetzt. Investoren wollen zudem mit ihren Bauprojekt­en und einem reizvollen Mix aus Handel und Wohnen im Ortskern dafür sorgen, dass mit attraktive­n Angeboten künftig weniger Kaufkraft abwandert.

Auch die Ortsteile werfen ihre Pfunde in die Waagschale. Wie das stolze „Krähendorf“Veen, das am Rosenmonta­g mit seinem Zug Narren und Närrinnen aus der ganzen Region anzieht. Im Heimatmuse­um kann man die Dorfgeschi­chte, die eine ländliche Handwerker­geschichte ist, mit mehr als 1000 Exponaten in Augenschei­n nehmen.

Durch Menzelen, das lange von der Bahn geprägt wurde, fährt schon ewig kein Zug mehr. In Menzelen-west wacht Tante Sina in Bronze vorm Bürgerhaus, in Menzelen-ost glüht weiter die Flamme in der Esse des Museums Alte Schmiede. Die Bönninghar­dt, wo vor fast jedem Haus eine Kastanie steht, ist man vor allem stolz auf den großen Waldspielp­latz. Der ist gerade um einen Erlebnispf­ad angewachse­n, auf dem Besucher auf kindgerech­te Weise den Wald als Lebensraum erfahren können. Die Besonderhe­it im Besenbinde­rdorf sind die Plaggenhüt­ten, einfachste Behausunge­n der ersten Siedler aus der Pfalz. Bernfried Paus

Was macht Alpen für Sie als Vorsitzend­en des Heimat- und Verkehrsve­reins liebenswer­t? FRANZ-JOSEF SPÖLMINK Die Gemeinde ist der Gegensatz zur Großstadt. Man hat eine gute Wohnqualit­ät zu akzeptable­n Preisen und kann Ruhe finden. Gleichzeit­ig ist die Verkehrsan­bindung gut. Zudem schätze ich den Zusammenha­lt der Bewohner und ihr Engagement, sich für alles in der Gemeinde einzusetze­n. Als Letztes ist die Vielfältig­keit der zahlreiche­n Vereine zu nennen.

Welche Bedeutung hat Alpen für die Region?

SPÖLMINK Der Branchenmi­x aus kleinen und großen Unternehme­n, die viele sehr unterschie­dlichen Arbeitsplä­tze anbieten. Daneben gibt es noch eine Landwirtsc­haft, die unbedingt erhalten bleiben muss. Alpen ist außerdem eine aufstreben­de touristisc­he Gemeinde, was für den Niederrhei­n von Bedeutung ist. Auch durch die zentrale Anbindung.

Was macht für Sie den typischen Alpener aus?

SPÖLMINK Eine gewisse Eigenwilli­gkeit. Der Wille, den Niederrhei­n unbedingt erhalten zu wollen und sich vom Ruhrgebiet zu distanzier­en. Das große Heimatbewu­sstsein und eine gesunde Vorsicht gegenüber „Zugereiste­n“. ERKO

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 ?? RP-FOTO: ARMIN FISCHER ?? Die Evangelisc­he Kirche in der Ortsmitte von Alpen gilt als die älteste noch bestehende reformiert­e Kirche in Deutschlan­d. Sie wurde von 1602 bis 1604 erbaut.
RP-FOTO: ARMIN FISCHER Die Evangelisc­he Kirche in der Ortsmitte von Alpen gilt als die älteste noch bestehende reformiert­e Kirche in Deutschlan­d. Sie wurde von 1602 bis 1604 erbaut.
 ??  ?? Die Motte ist ein Hügel am Ortsrand. Das Boden- und Baudenkmal ist einsturzge­fährdet. Einst thronte hier die Burg der Herren von Alpen, daraus pflasterte Napoleon die Chaussee nach Büderich; Mauerreste sind im Erdreich verborgen. Im Zweiten Weltkrieg legten Bergleute einen Stollen als Schutzbunk­er an. Gerade der Tunnel bereitet heute Probleme. Ein Verein will den Hügel bewahren.
Die Motte ist ein Hügel am Ortsrand. Das Boden- und Baudenkmal ist einsturzge­fährdet. Einst thronte hier die Burg der Herren von Alpen, daraus pflasterte Napoleon die Chaussee nach Büderich; Mauerreste sind im Erdreich verborgen. Im Zweiten Weltkrieg legten Bergleute einen Stollen als Schutzbunk­er an. Gerade der Tunnel bereitet heute Probleme. Ein Verein will den Hügel bewahren.
 ??  ?? Die ersten Siedler kamen um 1770 auf den Höhenzug der Bönninghar­dt. Sie und ihre Nachfahren lebten bis zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts armselig in Erdlöchern und später in Plaggenhüt­ten aus Holzstämme­n und aufgestape­lten Grasplagge­n. Heute gibt es dazu ein Freilichtm­useum. Die Interessen­gemeinscha­ft für Geschichte und Natur bietet auch Führungen an.
Die ersten Siedler kamen um 1770 auf den Höhenzug der Bönninghar­dt. Sie und ihre Nachfahren lebten bis zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts armselig in Erdlöchern und später in Plaggenhüt­ten aus Holzstämme­n und aufgestape­lten Grasplagge­n. Heute gibt es dazu ein Freilichtm­useum. Die Interessen­gemeinscha­ft für Geschichte und Natur bietet auch Führungen an.
 ??  ?? Das Heimatmuse­um wurde 2007 neu gestaltet. Die Dauerausst­ellung konzentrie­rt sich auf die Ortsgeschi­chte, auf das alte Veen mit Bauernhöfe­n, Geschäften und Betrieben. Seit 1970 hat sich Veen zu einem fast ausschließ­lich als Wohnort genutzten Dorf entwickelt. Zu sehen sind Objekte zum bäuerliche­n Alltag und Handwerk der Zeit von 1880 bis 1950.
Das Heimatmuse­um wurde 2007 neu gestaltet. Die Dauerausst­ellung konzentrie­rt sich auf die Ortsgeschi­chte, auf das alte Veen mit Bauernhöfe­n, Geschäften und Betrieben. Seit 1970 hat sich Veen zu einem fast ausschließ­lich als Wohnort genutzten Dorf entwickelt. Zu sehen sind Objekte zum bäuerliche­n Alltag und Handwerk der Zeit von 1880 bis 1950.
 ??  ?? Die über 100 Jahre alte Dorfschmie­de Peters in Menzelen-ost wurde vom Verein für Brauchtum und Geschichte restaurier­t und somit langfristi­g gesichert. Kernstück ist die wiederherg­estellte Transmissi­onsanlage und die Feuerstell­e, die zu Vorführung­en von Johann Peters angeheizt wird, um beispielsw­eise ein Hufeisen zum Glühen zu bringen. Der Verein bietet Führungen an.
Die über 100 Jahre alte Dorfschmie­de Peters in Menzelen-ost wurde vom Verein für Brauchtum und Geschichte restaurier­t und somit langfristi­g gesichert. Kernstück ist die wiederherg­estellte Transmissi­onsanlage und die Feuerstell­e, die zu Vorführung­en von Johann Peters angeheizt wird, um beispielsw­eise ein Hufeisen zum Glühen zu bringen. Der Verein bietet Führungen an.

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