Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Spiele für alle
Japans Kaiser hat die Paralympics eröffnet, die Sommerspiele der Menschen mit Behinderung. Zuschauer waren wegen der Pandemie nicht zugelassen. Deutschland nimmt mit 133 Starterinnen und Startern teil.
TOKIO (dpa) Mit einer farbenfrohen, einfühlsamen und künstlerisch-verspielten Eröffnungsfeier haben die wohl außergewöhnlichsten Paralympischen Spiele begonnen. Unter dem ermutigenden Titel „We have wings“(„Wir haben Flügel“) boten die japanischen Darstellerinnen und Darsteller, darunter Behinderte, am Dienstag eine bunte Show, die etwas von einem fröhlichen Zirkus hatte. Die Zeremonie vor coronabedingt leeren Zuschauerrängen, aber in Anwesenheit von Kaiser Naruhito und Ehrengästen wie Ioc-präsident Thomas Bach, strahlte Wärme aus und sollte nicht nur Behinderte, sondern der ganzen pandemiegeplagten Welt Hoffnung und zugleich Mut zum Wandel machen.
Andrew Parsons, Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC), bedankte sich vor den rund 3400 Athletinnen und Athleten, Offiziellen und Ehrengästen sowie rund 2400 anwesenden Journalisten bei den Gastgebern auf Japanisch mit den Worten „Arigatou Japan, arigatou Tokio“– danke Japan, danke Tokio. Um 22.08 Uhr Ortszeit erklärte Kaiser Naruhito die XVI. Sommerspiele für eröffnet.
Das Olympiastadion verwandelte sich in einen quirligen „Para-flughafen“. Über der Arena stieg ein Feuerwerk auf, bevor die Para-athletinnen und Para-athleten aus 159 Nationen zu einheizender Musik „landeten“. Als erstes zog das Flüchtlingsteam unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln in das fast leere Olympiastadion ein. Als „Zeichen der Solidarität“mit den afghanischen Para-athleten, die wegen der Machtübernahme der Taliban nicht nach Tokio kommen können, wurde als fünfte die Flagge Afghanistans von einem Freiwilligen ins Stadion getragen.
Die deutsche Mannschaft, die wegen der phonetischen Reihenfolge im japanischen Alphabet an 92. Stelle an der Reihe war, wurde angeführt vom fünfmaligen Rad-paralympics-sieger Michael Teuber und der Rollstuhlbasketballerin Mareike Miller. Sie trugen die deutsche Fahne gemeinsam haltend ins Stadion. Prothesensprinter Johannes Floors aus Leverkusen war einer der sechs internationalen Athleten, die die paralympische Flagge tragen durften.
Dass Menschen auch mit Behinderungen über sich hinauswachsen können, erzählte die Eröffnungsfeier wie in einem Märchen. Protagonistin war ein Mädchen im Rollstuhl in Gestalt eines kleinen Flugzeugs, das nur einen Flügel hat. Es hatte den Traum vom Fliegen aufgegeben. Doch dann sieht sie seltsame Gestalten wie aus einem japanischen Manga-comic um sich, die trotz mancher körperlicher Behinderungen vor Leben nur so strotzen und zu fetziger Rockmusik tanzen und herumwirbeln. Von ihnen inspiriert und angefeuert, beginnt das kleine Flugzeug zu spüren, dass es auch fliegen kann. Dies ist die Botschaft der Paralympics.
Nicht nur bei den 133 deutschen Teilnehmern ist die Erleichterung darüber, dass die Spiele mit einem
Jahr Verspätung nun stattfinden können, riesig. „Die Athleten bersten förmlich vor Spannung“, sagte Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes. „Das ist wie im Frühjahr, wenn die Jungtiere auf die Weide gelassen werden“, beschrieb Beucher die Vorfreude in der Mannschaft.
Ipc-präsident Parsons hatte die Paralympics in Tokio im Vorfeld als „die wichtigsten“in der Geschichte bezeichnet. „Menschen mit Behinderungen sind weltweit überproportional von der Pandemie betroffen“. Die Spiele würden ihnen eine Stimme geben.