Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Großbaustelle vor dem Fenster
An der Jakob-kneip-straße verzögert der Starkregen die Aufstockung der Mehrfamilienhäuser der Rheinwohnungsbau.
An der Jakob-kneip-straße verzögerte der Starkregen im Juli die Aufstockung der Mehrfamilienhäuser der Rheinwohnungsbau.
GARATH Für das ungeübte Auge erscheinen die beiden Gebäuderiegel an der Jakob-kneip-straße im Garather Burgviertel, direkt an der Grenze zur Urdenbacher Kämpe, wie Rohbauten. Lediglich eine schmale Baustraße erschließt die Gebäude, Materialien und Werkzeug stehen und liegen herum. Doch in diesen Häusern wohnen Menschen – Menschen, die seit Monaten mit Schutt, Betrieb und vor allem Lärm in ihrer Nachbarschaft leben.
Der Eigentümer des Quartiers, die Rheinwohnungsbau, führt eine umfassende energetische Sanierung der Fassaden durch, außerdem entstehen neue Balkone, die bisher vorhandenen Loggien werden in Wohnraum umgewandelt. In weiteren Bauabschnitten sollen andere Gebäude der Nachbarschaft um eine Etage aufgestockt und mit einem Aufzug ausgestattet werden. „Wir arbeiten systematisch, in den Wohnblöcken von hinten nach vorn und in den Gebäuden von oben nach unten, um dieses Großprojekt so schnell und flüssig wie möglich über die Bühne zu bringen“, erklärt Bau- und Projektleiter Benjamin Gaidel.
Beim Gang über die Baustelle erklärt er das Verfahren: Die Fenster sind in die Fassadenverkleidung eingelassen, die noch aus dem Jahr 1966, dem Baujahr der Siedlung, stammt. Diese müssen zuerst ausgetauscht werden. Die neuen Fenster werden dann zum Schutz mit Brettern vernagelt, bevor der Klinker rundherum abgeschlagen wird. Danach wird die Wand verputzt, eine moderne Lüftungsanlage eingebaut und schließlich der Dämmstoff aufgetragen. „So erreichen wir eine Energieeffizienz, die fast an die eines Neubaus heranreicht“, sagt Gaidel zufrieden.
In einigen Wochen können die ersten Gerüste abgebaut werden, in den ersten Wohnungen haben die Maler bereits die Arbeit aufgenommen. „Wir haben den Bewohnern so viel Mühe wie möglich abgenommen, inklusive eines Schreiners, der Schränke abgebaut und versetzt hat.“Dennoch hat Gaidel Verständnis für alle Menschen in den Häusern, die unter der Baustelle leiden. „Die meisten sind aber kooperativ, obwohl sie sichtlich die Zähne zusammenbeißen“, sagt der Bauleiter, der selbst täglich vor Ort arbeitet. Im kommenden Jahr sollen die nächsten Gebäude in Angriff genommen werden, der dritte Abschnitt beginnt voraussichtlich 2023.
Im Zeitplan merklich zurückgeworfen wurde das Großprojekt durch den Starkregen, der im Juli auch hier für Überflutung in den frisch sanierten Häusern gesorgt hat. „Wir hatten Baugruben ausgehoben, und weil der Boden hier sehr undurchlässig ist, sind die voll gelaufen. Der Boden war so nass, dass wir die Baustraßen zwei Wochen lang mit den Fahrzeugen nicht befahren konnten. Wir mussten die Keller absaugen, die eigentlichen Arbeiten standen quasi still“, sagt Gaidel. Damit künftige Unwetter weniger verheerend sind, werden drei Meter tiefe Absickerschächte mit Kiesverfüllung ins Erdreich gebohrt, durch die Regenwasser besser abfließen kann.
Die Erneuerung der Wohnanlage kostet die Rheinwohnungsbau 6,5 Millionen Euro; Kosten, die nicht eins zu eins an die Bewohner weitergegeben werden sollen. „Die Mieter werden später maximal 1,25 Euro mehr pro Quadratmeter zahlen müssen“, kündigt der Projektleiter an. Für die Umstände soll es außerdem Mietminderungen geben, eine Monatsmiete wurde den Bewohnern bereits zur Hälfte erlassen, mehr soll folgen. Das Bauunternehmen hatte den Menschen vorher angeboten, umzuziehen, dennoch sind von den 48 aktuell betroffenen Wohnungen nur zehn leer.
In einer der anderen wohnt ein älteres Ehepaar, das sich inzwischen wünscht, ausgezogen zu sein. „Wir wussten, dass es schlimm wird, aber so hätten wir es uns nicht vorgestellt“, sagt der Senior. Seine gewaschenen Hemden hängen zum Trocknen im Wohnzimmer, weil die Terrassentür zugemauert und der ehemalige Garten ein Teil der Baustelle ist. Auf dem Fliesentisch liegen dicke Kopfhörer, die die Tochter mitgebracht hat. Eigentlich sollte ihr Bauabschnitt im Herbst fertig sein, doch damit ist im Moment nicht zu rechnen. Die bisher einmalige Mietminderung erscheint dem Paar zu wenig, und mit dem zusätzlichen Wohnraum wissen sie nichts anzufangen. „Es ist kaum noch zu ertragen“, klagt die Frau. Sie gehörten zu den Bewohnern, die schon beim Bau Ende der 60er-jahre eingezogen sind. „Jetzt nochmal umzuziehen war für uns keine Option – im Nachhinein wäre es wohl besser gewesen“, sagen beide.
Die Rentner stehen mit der Baustellenleitung in Kontakt. „Wir wissen, wie groß die Belastung ist, und versuchen, so schnell zu arbeiten, wie es geht und möglichst viel Unterstützung zu leisten“, verspricht Benjamin Gaidel. Die Wohnung des Paares liege ungünstig innerhalb der Baustelle: direkt an der Zufahrt, aber weit hinten in der Reihenfolge der Arbeiten. In anderen Wohnungen, wo der Durchbruch der Loggia inzwischen erfolgt ist und Maler und Bodenleger ihre Arbeit begonnen haben, haben die Anwohner des Gröbste bereits hinter sich. „Ich habe Verständnis für jeden, der über die Belastungen klagt. Aber erfahrungsgemäß sind die Bewohner hinterher froh über das Ergebnis“, sagt Gaidel.