Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Das Virus im Hörsaal
Der Freedom Day kommt in Deutschland scheibchenweise. Die Unis sollen beginnen.
Das Land NRW hat eine Neufassung der Corona-schutzverordnung veröffentlicht, in der die konkretisierende Allgemeinverfügung für den Hochschulbereich aufgehoben wurde. Während die vierte Welle in Deutschland ihren Peak erreicht, entfallen Maskenpflicht, Mindestabstand und Rückverfolgbarkeit im Lehrbetrieb der Universitäten. Vorlesungen dürfen mit unbegrenzter Teilnehmerzahl abgehalten werden, auch wenn 500 oder mehr Studierende in den Hörsälen zu erwarten sind. Ab dem kommenden Semester gilt die 3G-regel (Geimpft, genesen, getestet) beim Einlass in die Lehrveranstaltungen. Praktisch ist die Kontrolle der 3GRegel bei größeren Veranstaltungen personell kaum möglich, und es muss mit langen Warteschlangen gerechnet werden. Das Outsourcen der Einlasskontrolle an externe Dienstleister dagegen würde die Universitäten geschätzt eine halbe Million Euro kosten. Die 3G-kontrolle soll daher vermutlich nur stichprobenartig erfolgen, was eine schwere Sicherheitslücke im Infektionsschutz darstellen würde.
Die neue Regelung betrifft auch die universitären Praktika. Generell ist dies zu begrüßen, da eine rein digitale Lehre zu mangelnden praktischen Erfahrungen bei den Studierenden geführt hat. Voll besetzte Praktikumsräume gleichen jedoch angesagten Clubs – die Anwesenden teilen sich die verbrauchte Luft, Körperkontakt ist unvermeidbar. Hinzu kommt, dass das Lehrpersonal zur Praktikumsbetreuung verpflichtet ist, während Mitarbeitende der zentralen Hochschuldezernate weiterhin den Personenkontakt verweigern dürfen. Dies führt zu einer Ungleichbehandlung zwischen den Hochschulangestellten im Lehrund Verwaltungsbetrieb. Der Wegfall der Kontaktschutzmaßnahmen an den Universitäten erscheint wie ein letzter Versuch der Nrw-regierung, junge Wähler für ihr Landesoberhaupt bei der Bundestagswahl zu gewinnen. Die Neuregelung führt jedoch zu Chaos in der Umsetzung und zu Unzufriedenheit unter den Betroffenen. Ob die Studierenden ein „Freedom“-semester mit Vollkontakt tatsächlich begrüßen, bleibt abzuwarten.