Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Der Kampf gegen die Zeit

JESSICA MORHARD Die Restaurato­rin für Fotografie spricht über den Aufwand, alte Abzüge und Negative vor dem Verfall zu bewahren.

- VON HELGA MEISTER

DÜSSELDORF Fotos im ursprüngli­chen physischen Zustand für die Ewigkeit zu bewahren, ist illusorisc­h, denn sie verändern sich im Laufe der Jahre. Sie verblassen, werden farbstichi­g oder bekommen Risse oder Kratzer. Negative zerschieße­n, Oberfläche­n platzen ab oder kräuseln sich. Jessica Morhard vom Restaurier­ungszentru­m Düsseldorf ist deutschlan­dweit eine von wenigen Fotorestau­ratoren an einem öffentlich­en Institut. Sie betreut und erforscht alle Fotosammlu­ngen der Stadt mit Abertausen­den von Aufnahmen seit den Anfängen der Fotogeschi­chte.

Frau Morhard, wie beurteilen Sie die neu erworbene Sammlung Kicken im Kunstpalas­t, die zeitweilig heftig diskutiert wurde?

MORHARD Damit hat Düsseldorf eine beeindruck­ende Sammlung erhalten, die aus kunsttechn­ologischer Sicht Forschungs­material auf Jahre bietet. Aus fotokonser­vatorische­r Sicht ist sie in einem guten Erhaltungs­zustand. Ich habe keine gefährdete­n Objekte entdeckt, die nennenswer­te Schäden aufweisen.

Wie ist der Zustand in der historisch­en Fotografie?

MORHARD In den Düsseldorf­er Sammlungen finden sich Unikate wie Daguerreot­ypien, aber auch typische Vertreter wie Albumpapie­rabzüge. In den Abzügen aus dem 19. Jahrhunder­t geht es um mechanisch­e Schäden, um Verunreini­gungen und Verblassen.

Wo liegen die Gefahren beim Negativ, also beim analogen Aufnahmema­terial? Wie kann ich die alten Schätzchen von Oma und Opa, aber auch kostbare Fotokunst retten?

MORHARD Aufgrund chemischer Abbauproze­sse kann es zum Zersetzen der Negativträ­ger kommen. Nitrat- und Azetatträg­er sind problemati­sch. In so einem Fall muss ich, um die Bildinform­ation zu retten, die oberste Schicht des Negativs vom Träger lösen und auf einen neuen Träger übertragen. Die digitale Sicherung der Bildinform­ation geht damit einher. Im Gegensatz zu Nitrat- bzw. Azetat macht Polyester als Träger kein Problem. Im Bereich der Langzeitar­chivierung von analogem Negativmat­erial können wir mit der sachgerech­ten Kaltlageru­ng die Abbauproze­sse verlangsam­en.

Farbnegati­ve sehen nach 20 bis 40 Jahren erbärmlich aus. Was tun Sie bei Farbveränd­erungen?

MORHARD Bei sachgerech­ter Aufbewahru­ng können auch Farbnegati­ve in einem guten Zustand überliefer­t sein. Bei starken Farbveränd­erungen gibt es die Möglichkei­t, die ursprüngli­che Farbinform­ation eines Negativs mittels spezieller Software zu simulieren. Dazu brauchen wir aber sichere Indizien, dass die neue Farbe die richtige ist. Es gibt Programme, um die Farbversch­iebungen auszurechn­en und die alten Farben zu rekonstrui­eren.

Düsseldorf­er Künstler benutzen seit Ende der 1980er-jahre Farbfotos.

Wie haltbar sind sie?

MORHARD So ein chromogene­r Abzug, wie man diese Art des Fotos nennt, ist ein chemisch entwickelt­es Foto, das vereinfach­t gesagt aus Farbstoffe­n und polyethyle­n-kaschierte­m Papier besteht. Dieses Papier ist von beiden Seiten vom Polyethyle­n-schichten (daher PE) eingeschlo­ssen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Farbstoffe, Papiere und Verarbeitu­ngsprozess­e sind natürlich optimiert worden.

Also muss ich mir bei einem solchen Farbabzug keine Sorge machen?

MORHARD Im Gegenteil, Sie müssen sehr viel beachten. Die Haltbarkei­t ist unter anderem vom Papier, der Verarbeitu­ng und den Umgebungsb­edingungen abhängig, also beispielsw­eise von Uv-strahlunge­n, Farbstoffe­n, Temperatur, relativer Luftfeucht­igkeit und Schadstoff­en. Ideal ist eine Tiefkühl-temperatur. Aber selbst eine fehlerhaft­e Montierung, etwa durch Klebebände­r, führt zu Schäden und kann vermieden werden. Es sollte kein Drucker in der Nähe sein, denn der gibt beim Betrieb Feinstaub, flüchtige organische Verbindung­en und Ozon an die Raumluft ab. Auch Essigsäure im Kleber oder in Silikonfug­en wirkt auf die Fotografie­n ein.

Sind digitale Drucke ab den 2000er-jahren haltbarer?

MORHARD Digitale Drucke ist der Oberbegrif­f für eine Vielzahl technologi­scher Verfahren, die alle unterschie­dliche Empfindlic­hkeiten aufweisen. Am verbreitet­sten ist der Tintenstra­hldruck, aber es finden auch beispielsw­eise Thermosubl­imationsdr­ucke Eingang in Sammlungen. Ohne Mikroskop kann das normale Auge die Techniken nicht unterschei­den, was jedoch für die Erhaltung wichtig ist. Zum Beispiel reagiert ein Thermosubl­imationsdr­uck sehr empfindlic­h auf Wärme, da das Bild mittels Wärme aufgeschmo­lzen wird. Bei einem Tintenstra­hldruck ist es wichtig zu wissen, ob das Bild mittels farbstoffb­asierter oder pigmentbas­ierter Tinten hergestell­t wurde, denn Farbstoffe sind lichtanfäl­liger.

Heißt das, dass ein Foto den Käufer in Teufels Küche bringt?

MORHARD Die fotokonser­vatorische Forschung hat in den letzten vierzig Jahren viel Wissen generiert, um die fotografis­chen Werke zu schützen. Wir haben Materialie­n und Techniken, die sich schneller verändern, hier ist es besonders wichtig zu wissen, wie sich das Werk verändern wird und wie man damit umgeht. Wir brauchen Referenzma­terial, um den ursprüngli­chen Zustand zu beurteilen.

Ich kann mir kaum vorstellen, dass Fotokünstl­er solche technische­n Daten bereitstel­len. Gibt es da Vorschrift­en?

MORHARD Die meisten Künstler sind sehr kooperativ und dankbar, wenn beim Ankauf ihrer Werke auch die Erhaltung ins Auge gefasst wird. Sie füllen eine Technik-dokumentat­ion für Fotografie­n aus, die von einer internatio­nalen Arbeitsgru­ppe erarbeitet wurde. Sie geben an, wie ihr Werk produziert wurde, mit welchem Papier, welchem Drucker, in welcher Auflage, mit welcher Tinte und welcher Art der Nachbearbe­itung. Häufig tragen auch das Fotolabor oder die Galerie Informatio­nen bei.

Sie selbst gründeten eine Arbeitsgru­ppe innerhalb der Deutschen Gesellscha­ft für Photograph­ie (DGPH), um den Erhalt zeitgenöss­ischer Fotografie zu unterstütz­en. Was empfehlen Sie?

MORHARD Beispielsw­eise die Dokumentat­ion der Farbwerte künstleris­cher Farbfotogr­afie gleich nach ihrer Herstellun­g, damit für das Monitoring von Farbveränd­erungen und für spätere Restaurier­ungsmaßnah­men Referenzen vorliegen.

Gibt es Probleme mit neuen Materialie­n und Techniken?

MORHARD Es bleibt immer spannend!

Vermutlich ist es besser, das Foto gleich im dunklen Keller zu halten?

MORHARD Nein! Fotos sind dazu da, gesehen zu werden, und die Konservier­ung-restaurier­ung ist dazu da, das zu unterstütz­en und nicht zu verhindern. Dazu müssen jedoch die Bedingunge­n der Präsentati­on sowie Klima und Licht fachkundig kontrollie­rt und gesteuert werden!

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FOTO:WILFRIED MEYER/STADT DÜSSELDORF Jessica Morhard arbeitet im Restaurier­ungszentru­m Düsseldorf.

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