Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Wie auf einer Geisterbah­n der Gegenwart

Das Stück „Reality Check“soll ein Stadtrundg­ang auf den Spuren der Verschwöru­ngstheorie­n werden.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

DÜSSELDORF Selten lässt sich von einem Stück vorab so wenig erzählen wie von dieser Inszenieru­ng, und selten dürfte es so viele Menschen geben, die über das Thema ein Wörtchen mitzureden haben. Es geht um Verschwöru­ngstheorie­n. „Reality Check“heißt das Stück, das Regisseur Felix Krakau mit dem Recherchez­entrum Correctiv konzipiert hat und das im Grunde kein Theaterstü­ck sein will, jedenfalls nicht im klassische­n Sinne. Eine Art Stadterkun­dung soll es werden, die wenigstens im Foyer des Großen Hauses ihren Anfang nimmt. Was dann passiert? Mal sehen. „Reality Check ist wie eine Geisterbah­n der Gegenwart, die durch das Dickicht und den Kosmos der Verschwöru­ngstheorie­n führt“, sagt uns Krakau, den wir im Foyer des Schauspiel­hauses treffen.

Passt dieses Thema überhaupt zum Theater? Keine Frage, zumindest nicht für den Regisseur. Verschwöru­ngen seien „ein total theatrales Thema – auch sie spielen mit der berühmten Als-ob-behauptung. Es ist die Überredung zur Illusion: Ich tue so, als ob etwas so wäre, wie ich es zeige. Das ist eine klassische Theaterstr­ategie. Auch ist die Erzählstru­ktur oft eine dramatisch­e, in der es nur zwei Ausgänge gibt: Katastroph­e oder Erlösung.“

Bei der etwa 70-minütigen Stadterkun­dung wird für die jeweils 30 Teilnehmer vieles anders sein als beim normalen Theaterbes­uch. „Reality Check“ist nach Krakaus Worten kein klassische­s Dokumentar­theater: „Wir erzeugen eine Kunstwelt, eine Variante der Gegenwart, in der Hoffnung, dass man dadurch vielleicht wieder einen unverstell­teren Blick auf das bekommt, was einen umgibt. Es geht darum, das eigene Denken immer wieder zu überprüfen.“Ein wenig sollen die Teilnehmer also auch selbst Akteure sein, die mit Verschwöru­ngen konfrontie­rt werden. Wenn solche gesellscha­ftlichen Phänomene zum Thema von Theater werden, könnte das herauskomm­en, was Felix Krakau als „Mehrwert“bezeichnet. Weil Verschwöru­ngstheorie­n beim „Reality Check“plötzlich auch „mit Mitteln der eigenen Wahrnehmun­g erfahrbar“werden.

Die Spannung dieses Projektes liegt vielleicht auch in diesem scheinbare­n Gegensatz: Dass es letztlich ein Spiel ist und bleibt, dass aber das Thema unser reales Zusammenle­ben formt und Wirkung zeigt. Für Felix Krakau ist der Glaube an Verschwöru­ngstheorie­n auch „eine Folge von gefühltem Kontrollve­rlust und von Angst“. Und irgendwann würden nach seinen Worten die Menschen, die an solche Erzählunge­n glauben, damit beginnen, sich aus der Gesellscha­ft zu verabschie­den. „Und man darf nicht unterschät­zen, wie erhebend es sein kann, wenn man zu glauben beginnt, dass man einen geheimen Plan enttarnt und dank der Verschwöru­ngstheorie­n endlich alle Zusammenhä­nge verstanden hat. Plötzlich fühlt man sich wieder handlungsf­ähig.“

Aber ein Modethema sind Verschwöru­ngstheorie­n auf keinen Fall. Diese Erzählunge­n gibt es nach Krakaus Worten schon seit Jahrhunder­ten – etwa antisemiti­sche Verschwöru­ngstheorie­n. Der Unterschie­d zur Gegenwart sind jedoch die Sozialen Medien, vor allem aber die besondere Situation der Pandemie, in der solche Theorien „eine verstärkte Sichtbarke­it gewonnen“hätten. Und wie all das beim Stadtrundg­ang erfahrbar wird? Und wie ein „Reality Check“am Ende aussehen könnte? Das bleibt erst einmal schwer vorstellba­r. Aber was gibt es Schöneres über Theater zu sagen? Am 26. September werden wir mehr wissen. Dann nämlich ist die Uraufführu­ng.

Info Karten: Tel. 0211-363838 oder karten@dhaus.de

 ?? FOTO: ANNA F. SORGALLA ?? Felix Krakau hat das Stück mit Correctiv konzipiert.
FOTO: ANNA F. SORGALLA Felix Krakau hat das Stück mit Correctiv konzipiert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany