Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Wie am ersten Schultag
Die Grünen-fraktion könnte zur Machtbasis ihrer Minister im Falle einer Regierungsbeteiligung werden.
BERLIN Claudia Roth kommt es am Dienstag vor „wie der erste Schultag“, als die neue Grünen-bundestagsfraktion mit künftig 118 Abgeordneten, davon 16 direkt gewählt, noch einmal mit den alten Abgeordneten zusammenkommt. Alles „sehr, sehr aufregend“, sagt Roth, die selbst schon sechs Legislaturperioden im Bundestag hinter sich hat.
Sie freut sich auf die vielen neuen Mitstreiter in der Fraktion. Was haben beispielsweise die Abgeordnete Katrin Uhlig aus Bonn und der Volksvertreter Robert Habeck aus Flensburg gemeinsam? Beide haben ihr Direktmandat für die Grünen gewonnen und betreten erstmals als Mandatsträger den Plenarsaal des Bundestages. Doch Habeck, der neben Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock Spitzenkandidat der Grünen bei der Bundestagswahl war, muss noch etwas klarstellen: Seit dem Vorabend kursieren Meldungen, wonach schon abgesprochen sei, dass der Grünen-chef im Falle erfolgreicher Koalitionsverhandlungen Vizekanzler werde. Habeck selbst hatte am Vortag bei einem gemeinsamen Auftritt mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock in der Bundespressekonferenz dazu noch gesagt: „Gehen Sie davon aus, dass wir komplett sortiert sind.“Man wolle das jetzt aber „nicht zu Markte tragen“. Habeck hat damit nicht dementiert.
Hinter den Kulissen muss es dann doch ordentlich gerumst haben: Baerbock wehrt sich gegen den Eindruck, dass Habeck ihr das Heft des Handelns aus der Hand genommen hat. Und so stellt sich am Dienstag – überraschend – Habeck an das Mikrofon, das normalerweise für die Fraktionschefs aufgebaut ist. Er wolle „etwas klarstellen“: Baerbock und er würden „in großer Gemeinsamkeit, in großer Geschlossenheit und in großer Stärke die Koalitionsgespräche gemeinsam führen und gemeinsam vorbereiten“. Vor allem: „Die Frage, wer Vizekanzler wird, ist völlig irrelevant. Wir haben ja noch nicht einmal einen Kanzler.“Am Ende werde über Inhalte eines Koalitionsvertrages wie auch über Personen die Partei bei einem Parteitag oder einer Mitgliederbefragung entscheiden.
Sollten die Grünen tatsächlich in eine nächste Bundesregierung eintreten, bekommt die Bundestagsfraktion ein größeres Gewicht. Sie muss Gesetzesvorhaben der Regierung im Plenum mit absichern. Wenn etwa Habeck, würde er Bundesminister, seine Politik in ein Gesetzesvorhaben gießen will, muss es dann die Fraktion mittragen. Anton Hofreiter sagt denn auch dazu: „Die Bundestagsfraktion ist dann zentral.“Und wenn es so komme, „wie wir es vorhaben, wird es eine Regierungsfraktion. Und die Regierungsfraktion muss die Regierung tragen.“