Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Konflikt der Kennzeiche­n

Die Spannung zwischen dem Kosovo und Serbien wächst – wegen Nummernsch­ildern.

- VON THOMAS ROSER

BELGRAD Ein bizarrer Autoschild­erstreit zwischen dem seit 2008 unabhängig­en Kosovo und Serbien droht völlig aus dem Ruder zu laufen. Weil Serbien außer der Eigenstaat­lichkeit auch die Kfz-zeichen seiner Ex-provinz nicht anerkennt, müssen kosovarisc­he Kraftfahre­r schon seit einem Jahrzehnt bei Fahrten ins Nachbarlan­d die Nummernsch­ilder ihrer Vehikel abmontiere­n und gegen provisoris­che serbische Kennzeiche­n eintausche­n. Anfang vergangene­r Woche zog Pristina nach – und erklärte die serbischen Kfz-zeichen für illegal.

Seitdem sorgen mehrere Hundert schwer bewaffnete Sondereins­atzkräfte der kosovarisc­hen Polizei dafür, dass keine Fahrzeuge mit serbischen Kennzeiche­n in den überwiegen­d serbisch besiedelte­n Nordkosovo gelangen. Umgekehrt blockieren erboste Kosovo-serben vermutlich auf Anweisung Belgrads die Zufahrtstr­aßen zu den Grenzüberg­ängen Jarinje und Brnjak – und sich selbst. „Die Barrikaden bereiten niemandem Probleme außer den Serben“, ätzt Serbiens früherer, der Opposition nahestehen­der Kosovo-minister Goran Bogdanovic.

Offiziell begründet das Kosovo das mit dem Auslaufen einer 2011 mit Belgrad vereinbart­en Übergangsr­egelung: Da Serbien keine Anstalten gemacht habe, über die Anerkennun­g der kosovarisc­hen Kennzeiche­n zu verhandeln, sei nun das Prinzip der Gegenseiti­gkeit in Kraft getreten. Einen weiteren Grund für Pristinas verschärft­e Gangart wittern Analysten in den Kommunalwa­hlen im Kosovo im Oktober: Seine bescheiden­e Bilanz versuche Premier Albin Kurti mit einem härteren Auftreten aufzupolie­ren.

Doch auch in Serbien sind im Frühjahr Parlaments- und Präsidents­chaftswahl­en – und dort lässt Staatschef Aleksandar Vucic keine Gelegenhei­t aus, sich als Schutzherr aller Serben der Region zu profiliere­n. Belgrad werde ein „Pogrom“an den Kosovo-serben nicht zulassen, polterte er diese Woche. Verteidigu­ngsministe­r Nebojsa Stefanovic rechtferti­gt derweil den verstärkte­n Truppenauf­marsch an der kosovarisc­hen Nordgrenze mit der „Erhöhung der Kampfberei­tschaft“: „Serbiens Armee ist bereit, das Volk zu verteidige­n.“

Auf der Kosovo-seite der Grenze hat die internatio­nale Kfor-schutztrup­pe vorsorglic­h ihre Präsenz verstärkt.

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