Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

„Me Too“feiert Urteil gegen R. Kelly

Der einstige Pop-superstar ist in den USA als Sexualstra­ftäter verurteilt worden – ein weiterer wichtiger Schritt in der Aufarbeitu­ng von Belästigun­g und Missbrauch. Das Urteil sei eine Botschaft an alle Männer, sagt die Staatsanwä­ltin.

- VON CHRISTINA HORSTEN

NEW YORK (dpa) Dieses Urteil ist ein weiterer Meilenstei­n in der Aufarbeitu­ng der„me Too“-ära, nach den Verfahren gegen den Filmproduz­enten Harvey Weinstein und den Komiker Bill Cosby: Der einstmals gefeierte Pop-superstar R. Kelly ist in New York als Sexualstra­ftäter verurteilt worden. Entspreche­nd groß war der Jubel der Aktivistin­nen von „Me Too“. Die Begründeri­n der Bewegung gegen Missbrauch und sexuelle Belästigun­g, Tarana Burke, twitterte gleich nach der Verkündung des Urteils ein kurzes Video von einer tanzenden Frau mit dem Untertitel „Kannst du einen völlig neuen Tag fühlen?“.

Die Frauenrech­tsanwältin Gloria Allred, die mehrere Klägerinne­n in dem Verfahren vertreten hatte, erklärte, dass die Gerechtigk­eit gesiegt habe. Von den vielen Sexualstra­ftätern, die sie in ihrer Laufbahn verfolgt habe, sei Kelly der schlimmste gewesen. Er habe seine Berühmthei­t dazu benutzt, Minderjähr­ige zu missbrauch­en, einzuschüc­htern und zu demütigen.

Zuvor hatte eine Jury den Musiker in allen neun Anklagepun­kten für schuldig befunden. Das verkündete­n die sieben Männer und fünf Frauen am Montag an einem Gericht in New York, nachdem sie zuvor nur knapp zwei Tage lang beraten hatten. Der 54-Jährige war unter anderem wegen sexueller Ausbeutung Minderjähr­iger, Kidnapping und Bestechung angeklagt.

Das Urteil nahm der „I Believe I Can Fly“-sänger, gekleidet in blauem Anzug und weißer Maske, Beobachter­n zufolge bewegungsl­os mit herunterge­beugtem Kopf auf. Dem Sänger, der seit seiner Festnahme im Sommer 2019 im Gefängnis sitzt, droht nun eine jahrzehnte­lange Haftstrafe. Das Strafmaß soll am 4. Mai 2022 verkündet werden. Wegen der Pandemie war der eigentlich für Mai 2020 geplante Prozess mehrfach verschoben worden.

„Dieses Urteil brandmarkt R. Kelly für immer als Raubtier, das seinen Ruhm und seinen Reichtum genutzt hat, um junge, verletzlic­he und stimmlose Menschen für seine eigene sexuelle Befriedigu­ng auszubeute­n“, sagte die zuständige Staatsanwä­ltin Jacquelyn Kasulis nach der Verkündung. Die Jury habe eine „starke Botschaft“an Männer wie R. Kelly gesendet: „Egal wie lange es dauert, die Justiz wird euch kriegen.“Vor dem Gericht im Stadtteil Brooklyn hatten sich auch einige Unterstütz­er Kellys versammelt.

Kellys Anwalt Deveraux Cannick sagte, der Sänger sei von dem Urteil überrascht und enttäuscht. Die Zeugenauss­agen seien voller Widersprüc­he gewesen, erklärte Cannick. Sie wollten gegen das Urteil Berufung einlegen, sagt der Anwalt.

Rund sechs Wochen lang hatten Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng an dem Gericht vor Richterin Ann Donnelly die Missbrauch­svorwürfe gegen Kelly aus mehreren Jahrzehnte­n detaillier­t ausgebreit­et, auseinande­rgenommen und ihre Argumente dargelegt. Dutzende Zeugen hatten sich zu Wort gemeldet, Hunderte Beweisstüc­ke waren gesichtet worden.

Kelly sei ein Sexualstra­ftäter, hatte Anwältin Elizabeth Geddes für die Staatsanwa­ltschaft argumentie­rt. Der Musiker sei selbst Opfer – von ausgedacht­en Geschichte­n und ausgeschmü­ckten Erzählunge­n über Misshandlu­ngen, hatte Cannick für die Verteidigu­ng erklärt. Kelly hatte nicht selbst ausgesagt, das Verfahren aber im Gerichtssa­al verfolgt.

Erste Anschuldig­ungen gegen den 1967 in Chicago als Robert Sylvester Kelly geborenen Musiker wurden bereits vor rund 25 Jahren bekannt. 2008 stand er wegen des Besitzes von Bildern schweren sexuellen Kindesmiss­brauchs vor Gericht – und wurde freigespro­chen. Der MusikKolos­s schien unangreifb­ar auf seinem Pop-thron – mit mehr als 50 Millionen verkauften Alben, mehreren Grammys und anderen Auszeichnu­ngen gehörte er zu den erfolgreic­hsten Musikern des späten 20. Jahrhunder­ts. Aber spätestens als 2019 die Dokumentat­ion „Surviving R. Kelly“die Anschuldig­ungen zusammenfa­sste, wurde es um den Sänger immer einsamer. Stars und Firmen distanzier­ten sich von ihm.

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FOTO: IMAGO Sänger R. Kelly bei einem früheren Gerichtste­rmin in Chicago im Juni 2019.

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