Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
„Me Too“feiert Urteil gegen R. Kelly
Der einstige Pop-superstar ist in den USA als Sexualstraftäter verurteilt worden – ein weiterer wichtiger Schritt in der Aufarbeitung von Belästigung und Missbrauch. Das Urteil sei eine Botschaft an alle Männer, sagt die Staatsanwältin.
NEW YORK (dpa) Dieses Urteil ist ein weiterer Meilenstein in der Aufarbeitung der„me Too“-ära, nach den Verfahren gegen den Filmproduzenten Harvey Weinstein und den Komiker Bill Cosby: Der einstmals gefeierte Pop-superstar R. Kelly ist in New York als Sexualstraftäter verurteilt worden. Entsprechend groß war der Jubel der Aktivistinnen von „Me Too“. Die Begründerin der Bewegung gegen Missbrauch und sexuelle Belästigung, Tarana Burke, twitterte gleich nach der Verkündung des Urteils ein kurzes Video von einer tanzenden Frau mit dem Untertitel „Kannst du einen völlig neuen Tag fühlen?“.
Die Frauenrechtsanwältin Gloria Allred, die mehrere Klägerinnen in dem Verfahren vertreten hatte, erklärte, dass die Gerechtigkeit gesiegt habe. Von den vielen Sexualstraftätern, die sie in ihrer Laufbahn verfolgt habe, sei Kelly der schlimmste gewesen. Er habe seine Berühmtheit dazu benutzt, Minderjährige zu missbrauchen, einzuschüchtern und zu demütigen.
Zuvor hatte eine Jury den Musiker in allen neun Anklagepunkten für schuldig befunden. Das verkündeten die sieben Männer und fünf Frauen am Montag an einem Gericht in New York, nachdem sie zuvor nur knapp zwei Tage lang beraten hatten. Der 54-Jährige war unter anderem wegen sexueller Ausbeutung Minderjähriger, Kidnapping und Bestechung angeklagt.
Das Urteil nahm der „I Believe I Can Fly“-sänger, gekleidet in blauem Anzug und weißer Maske, Beobachtern zufolge bewegungslos mit heruntergebeugtem Kopf auf. Dem Sänger, der seit seiner Festnahme im Sommer 2019 im Gefängnis sitzt, droht nun eine jahrzehntelange Haftstrafe. Das Strafmaß soll am 4. Mai 2022 verkündet werden. Wegen der Pandemie war der eigentlich für Mai 2020 geplante Prozess mehrfach verschoben worden.
„Dieses Urteil brandmarkt R. Kelly für immer als Raubtier, das seinen Ruhm und seinen Reichtum genutzt hat, um junge, verletzliche und stimmlose Menschen für seine eigene sexuelle Befriedigung auszubeuten“, sagte die zuständige Staatsanwältin Jacquelyn Kasulis nach der Verkündung. Die Jury habe eine „starke Botschaft“an Männer wie R. Kelly gesendet: „Egal wie lange es dauert, die Justiz wird euch kriegen.“Vor dem Gericht im Stadtteil Brooklyn hatten sich auch einige Unterstützer Kellys versammelt.
Kellys Anwalt Deveraux Cannick sagte, der Sänger sei von dem Urteil überrascht und enttäuscht. Die Zeugenaussagen seien voller Widersprüche gewesen, erklärte Cannick. Sie wollten gegen das Urteil Berufung einlegen, sagt der Anwalt.
Rund sechs Wochen lang hatten Staatsanwaltschaft und Verteidigung an dem Gericht vor Richterin Ann Donnelly die Missbrauchsvorwürfe gegen Kelly aus mehreren Jahrzehnten detailliert ausgebreitet, auseinandergenommen und ihre Argumente dargelegt. Dutzende Zeugen hatten sich zu Wort gemeldet, Hunderte Beweisstücke waren gesichtet worden.
Kelly sei ein Sexualstraftäter, hatte Anwältin Elizabeth Geddes für die Staatsanwaltschaft argumentiert. Der Musiker sei selbst Opfer – von ausgedachten Geschichten und ausgeschmückten Erzählungen über Misshandlungen, hatte Cannick für die Verteidigung erklärt. Kelly hatte nicht selbst ausgesagt, das Verfahren aber im Gerichtssaal verfolgt.
Erste Anschuldigungen gegen den 1967 in Chicago als Robert Sylvester Kelly geborenen Musiker wurden bereits vor rund 25 Jahren bekannt. 2008 stand er wegen des Besitzes von Bildern schweren sexuellen Kindesmissbrauchs vor Gericht – und wurde freigesprochen. Der MusikKoloss schien unangreifbar auf seinem Pop-thron – mit mehr als 50 Millionen verkauften Alben, mehreren Grammys und anderen Auszeichnungen gehörte er zu den erfolgreichsten Musikern des späten 20. Jahrhunderts. Aber spätestens als 2019 die Dokumentation „Surviving R. Kelly“die Anschuldigungen zusammenfasste, wurde es um den Sänger immer einsamer. Stars und Firmen distanzierten sich von ihm.