Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Neu ist nicht immer besser
ANALYSE Bei der Entwicklung der Stadt müssen Investoren behutsam umgehen mit dem architektonischen Erbe. Zu viel ist schon zerstört worden und zu wenige Projektentwickler haben Lust, Altes zu erhalten. Abreißen ist leider immer noch viel zu oft einfacher,
DÜSSELDORF Das Boui Boui ist abgerissen, die Brause liegt in Schutt und Asche und der Tausendfüßler ist längst Geschichte. Markante Bauwerke, die Düsseldorf ein Gesicht gaben, die architektonisch sicher nicht immer in die moderne Stadtplanung passten, die aber durchaus ihren Charme hatten. Charakter, wie man auch sagen könnte, viele alte Bauwerke, die manchmal auch ein bisschen heruntergekommen waren, sind zu Orten geworden, die von Menschen erobert wurden und an denen das Leben pulsierte. Das Boui Boui war bekannt für seine Events, 100 Nacht-flohmärkte fanden statt, 50 Food-märkte, 30 Messen – mehr als eine Million Besucher zählte die besondere Location. Ende September 2019 war Schluss an der Suitbertusstraße. Heute ist eine Brache geblieben, auf der irgendwann Wohnungen gebaut werden sollen.
Traurig war der Abschied vom Boui Boui, die eine oder andere Träne floss auch beim Tausendfüßler, dessen Tage im Februar 2013 gezählt waren. Fünf Jahrzehnte verband die Hochstraße den Norden mit dem Zentrum. Als die Abrisspläne bekannt wurden, gab es heftige Proteste. 35.000 Düsseldorfer nahmen damals Abschied, heute denken vermutlich nur noch die Wenigsten an den Tausendfüßler, der die Innenstadt irgendwie zerschnitt und der so wuchtig war, dass drumherum kaum ein Sonnenstrahl bis auf den Boden kam. Und trotzdem gehörte er zu Düsseldorf, irgendwie hätte das Objekt – oder Teile davon – erhalten werden können. Eine Gastromeile auf dem höchsten Punkt oder gläserne Kuben für Kunst und Kultur, die zwischen den Pfeilern Platz gehabt hätten – ach, Ideen hätte es genug gegeben.
Nicht nur emotional, sondern auch mächtig ärgerlich war der Abriss der alten Tankstelle an der Bilker Allee. Als die ersten Mauern eingerissen wurden, war noch nicht klar, ob das Objekt unter Denkmalschutz gestellt werden kann. Doch die Bagger waren schneller. Der Verein Metzgerei Schnitzel verlor sein
Zuhause, Düsseldorf ist seitdem um eine Kulturstätte ärmer. Dabei gibt es – zum Glück – inzwischen auch Beispiele, wie moderne Stadtplanung funktionieren kann, ohne die alte Substanz völlig zu zerstören. Das mag zum einen an denkmalrechtlichen Vorgaben liegen, es gibt aber auch Investoren, die ganz offenkundig Freude daran haben, Altes zu erhalten.
Der Bunker an der Aachener Straße ist so ein Ort, der eigentlich längst nicht mehr stehen dürfte, für dessen Erhalt sich die Bilker aber so sehr eingesetzt hatten, dass der Klotz blieb. Die sündhaft teuren Wohnungen, die auf das Dach des Bunkers gesetzt wurden, finanzieren das, was im Bunker passieren soll. Musik, Ausstellungen, Urban Gardening – der Projektentwickler Küssdenfrosch ist für das Konzept vor Kurzem mit dem Preis „Bauwerk des Jahres“vom Architekten- und Ingenieurverein ausgezeichnet worden. Das nachhaltige Denken des Investors gepaart mit dem Angebot für die Öffentlichkeit hat schließlich die Jury überzeugt.
Neu ist also nicht immer besser, das zeigt sich zumindest in Teilen auch beim Fürst und Friedrich. Die Fassade ist das einzige, was geblieben ist von jenem Haus, das früher einmal an Düsseldorfs Zugehörigkeit zur preußischen Rheinprovinz erinnerte. Zu sehen sind die Stadtwappen von Köln, Koblenz, Düsseldorf, Aachen und Trier. Ende des 19. Jahrhunderts zog die Landesbank an die Ecke Fürstenwall/friedrichstra
ße. Weil Geschosshöhen, Barrierefreiheit und Grundrisse nicht mehr heutige Anforderungen erfüllten, wurde das Haus abgerissen. Bis auf die alte Fassade, die jetzt von einer Glasfront eingerahmt ist.
Ein Musterbeispiel für die Verbindung von Alt und Neu ist die Wilde 13 an der Siegburger Straße. Aus dem historischen Straßenbahndepot sind Eigentumswohnungen unter dem alten Stahlgerippe entstanden. Etliche Zeugen der Vergangenheit sind noch da: die Dachkonstruktion, die spannende Schatten auf das Areal wirft, die riesigen alten Tore, durch die die Bahnen in die Halle gerollt sind und hinter denen jetzt Fahrräder parken. Und die Schienen, die zur Erinnerung liegengeblieben sind und nun vor der Rasenkante enden.
Nicht nur große Zeugen der Zeit verschwinden zunehmend aus dem Stadtbild. Auch einzelne, kleine Objekte, die ortsprägend sind für so manchen Straßenzug, werden weniger. An der Columbusstraße etwa wird bald das weiße Haus mit den grauen Fensterläden abgerissen, weil es nach Ansicht der Verwaltung keine historischen Ansichten und keine prägende Wirkung aufgrund der architektonischen Ausgestaltung hat. Das Haus nebenan zeigt deutlich, dass Neubauten den Charakter einer Siedlung allenfalls imitieren, ihn aber niemals erhalten können.