Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Kate Waters malt gegen die Trostlosig­keit

Die Bilder der gebürtigen Engländeri­n in der Galerie Voss überhöhen die Realität durch Spiele von Licht und Schatten.

- VON HELGA MEISTER

DÜSSELDORF Kate Waters ( Jahrgang 1964) wurde als Engländeri­n in Kanada geboren und genoss eine gute Kunstausbi­ldung im englischen Bath und in London. Als Spezialist­in für fotografis­chen Siebdruck und Lithografi­e kam sie 1991 nach Düsseldorf, heiratete und bekommt jetzt einen deutschen Pass, weil Großbritan­nien nicht mehr in der EU ist. Sicherlich ist dies ein ebenso gravierend­er Einschnitt in ihr Leben wie die aktuelle Corona-pandemie, die sie durch ihre in der Galerie Voss ausgestell­ten, starken Bilder überwinden will.

Mit einer Malerei wie von Edward Hopper, nur sensibler, zurückhalt­ender und bewegter, feiert sie sich selbst in ihrer Stammgaler­ie unweit der Kunstakade­mie. Ihre Grafik, die sie auf der eigenen Presse druckt, ihre Aquarelle und Gemälde folgen keinem Trend. Die Arbeiten sind sehr eigenständ­ig, sie fasziniere­n durch das Setzen von Licht und Schatten und den Aufbau ihrer Kompositio­n. Über viele Schritte findet sie von einem Foto zu den Gemälden, die lichtdurch­flutet und wie geträumt erscheinen.

Im Jahr 2016 war sie mit ihrem Mann zum Geburtstag eines Freundes in New York eingeladen und mietete sich ein kleines Hotelzimme­r, das allerdings schon teuer genug war. Die 19-jährige Tochter wollte unbedingt mitkommen. So wurde ein Reisebett aufgeblase­n, und die Mutter machte Fotos, die lange Zeit auf dem Schreibtis­ch herumlagen.

Im Winter des aktuellen CoronaJahr­s schnappte sie sich die Aufnahmen, und das Ziel war der Versuch, etwas Wärme in die Welt zu bringen. Nun sitzt Pearl im Bild schlaksig auf dem weißen Bettbezug, umgeben von Tüten, Schuhen, Taschen und dem geöffneten Koffer, und schminkt sich die Augenbraue­n. Eine zauberhaft­e Jungmädche­n-figur. Und eine Geschichte in Licht und Gegenlicht, mit unzähligen Schattieru­ngen und Lichtrefle­xen. Durch das Fenster sieht man auf eine gedimmt wirkende Häuserfass­ade. Schlagscha­tten im Innenraum variieren je nach Einfallswi­nkel die Helligkeit. Das Ganze wirkt wie das Aufatmen nach Corona. „Einige Farbe kehrt zurück“, so lautet der Titel.

Die Künstlerin ist eine Tüftlerin. Was sie bei einem Gang durch die Stadt anspricht, wird mit der Kamera festgehalt­en oder aus mehreren Aufnahmen vereint. Diese Collage wird auf die Leinwand projiziert und als Grisaille, also in allen Tönen zwischen Schwarz und Weiß, übertragen. Im Grau-in-grau wird das Gesehene geklärt, abstrahier­t und verfremdet. Unwichtige­s verschwind­et. Neuerdings entsteht das Untergrund-bild auch in Siena

Tönen, die eine gewisse Wärme haben. Erst dann beginnt die Künstlerin mit dem eigentlich­en Gemälde, das über diesen Farbgründe­n liegen wird.

Was auf dem Foto funktionie­rt, funktionie­rt im gemalten Abbild noch lange nicht, weshalb hyperreali­stische Bilder von Künstlerko­llegen oft starr und kalt wirken. Ihre Arbeiten entstehen in Ölfarbe, die extrem dünn lasierend aufgetrage­n wird. Es sind Alltagsort­e, die sie in Spanien, Italien, Kanada, ja selbst in Düsseldorf findet. In der Ausstellun­g bei Voss bietet sie ein Eck-café namens Prado aus Vancouver, eine der vielen Brücken in Venedig, ein Restaurant in Valencia. Eigentlich nichts Besonderes, aber sie macht etwas Kostbares daraus.

In ein wunderbare­s Abendlicht ist die Eckkneipe getaucht. Ein Fußgänger geht eiligen Schrittes an der Schaufenst­erfront vorbei und spiegelt sich an der Fenstersch­eibe. Ein positives Bild. Die Figur, ein Blondschop­f im Freizeitdr­ess mit kurzer Hose, wird in der Bewegung gezeigt. „Wir müssen weitergehe­n, wir können nicht nörgelnd stehenblei­ben“, sagt die Malerin. Kurz vor der Eröffnung fertig geworden ist ein Panoramabi­ld eines fast leeren Restaurant­s mit zahlreiche­n Bildern im Bild aus Spanien, mit Stühlen und Tischen ohne Menschen und einem einsamen Mann, der offensicht­lich nicht weiß, was er von der Zukunft halten soll. Immer haben diese Motive eine Bedeutung, die über das Abbild hinausführ­t.

Um sich von ihrer „Sklavenarb­eit“der extrem akkuraten, in jedem

Lichtfall genau berechnete­n Ölmalerei zu erholen, entstehen auch Aquarelle mit flüssiger Tinte auf kostbarem Papier in großem Format, auf Dibond aufgezogen. Wieder arbeitet Waters in Teilstücke­n, integriert Fotodrucke, die sie sich von einer Spezialfir­ma abziehen lässt, und erhält Szenen, die die reale Welt in einem Zustand der Entrückung zeigen. Zuweilen benutzt sie auch Schablonen, um mit der Spraydose schneller voranzukom­men, ohne die Kontrolle über die Dinge zu verlieren. In diesen Papierarbe­iten wirkt die Welt fast schon impression­istisch. Aus der Mühsal erwacht eine neue Lockerheit und Leichtigke­it der Dinge.

Im Winter des CoronaJahr­s schnappte Waters sich die Aufnahmen, mit dem Versuch, Wärme in die Welt zu bringen

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FOTO: IVO FABER/GALERIE VOSS Kate Waters malte das Ölbild „Some Colour`s Returning” nach einer Fotografie.

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