Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

„70 Prozent unserer Passagiere wollen zur WM“

Der Strategiec­hef von Qatar Airways über die Anziehungs­kraft des umstritten­en Turniers und den arabischen Rivalen in Düsseldorf.

- REINHARD KOWALEWSKY FÜHRTE DAS INTERVIEW.

DÜSSELDORF Entspannt wirkt QatarAirwa­ys-manager Thierry Antinori beim Video-interview, das er aus Doha führt. Der Franzose erzählt, Deutschlan­d sei in Europa mittlerwei­le seine Hauptheima­t wegen der Verwandten seiner Ehefrau – aber der Hauptwohns­itz ist am Golf.

Herr Antinori, am 15. November nimmt Qatar Airways eine tägliche Flugverbin­dung von Düsseldorf nach Doha auf, der Hauptstadt von Katar. Ist das nötig, nur damit Fußballfan­s direkt aus NRW zur WM kommen?

ANTINORI Die WM ist ein guter Zeitpunkt, um die Route zu starten. 70 Prozent unserer Passagiere in den ersten Wochen wollen tatsächlic­h zur Weltmeiste­rschaft. Aber schon jetzt wurden viele Umsteigeve­rbindungen gebucht hin nach Thailand, Malaysia, Australien oder auf die Seychellen und die Malediven.

Bleibt die Strecke auch nach der WM aktiv?

ANTINORI Qatar Airways setzt für immer auf Düsseldorf als Bestandtei­l unseres Netzes von weltweit 150 Flughäfen, nachdem wir bereits Flüge nach Frankfurt, München und Berlin aufgenomme­n hatten. Der Airport der NRW-LANdeshaup­tstadt hat ein Umfeld von rund 15 Millionen Menschen inklusive Bürgern aus Teilen der Niederland­e, die von Düsseldorf aus Reisen unternehme­n. Das ist das ideale Umfeld, um unsere Jets gut auszulaste­n mit Passagiere­n einerseits direkt nach Doha, anderersei­ts zu Umsteigezi­elen in ganz Südostasie­n oder auch im Indischen Ozean.

Sie sind Franzose, Sie waren lange im Vorstand von Lufthansa, leben nun in Doha. Wie bewerten Sie da die in Deutschlan­d geführte Debatte über die Menschenre­chte in Katar anlässlich der WM?

ANTINORI Mein Thema ist zwar die Entwicklun­g unseres Unternehme­ns und unser Angebot für die Passagiere, trotzdem ist für mich als Bewohner von Katar klar: Das Land ist auf einem guten Weg, es wird immer weltoffene­r.

Das bedeutet?

ANTINORI Ich zitiere den ehemaligen deutschen Außenminis­ter Sigmar Gabriel aus dem „Spiegel“: Katar befinde sich auch nach Einschätzu­ng der Vereinten Nationen „auf einem bemerkensw­erten Weg der Reformen“. Er bezeichnet das Land auch als „Stabilität­sanker in einer ansonsten ziemlich instabilen Region“. Dem ist wenig hinzuzufüg­en. Aber ich bin kein Politiker, sondern Manager einer Airline. Darauf habe ich mich zu konzentrie­ren.

Sehen Sie Katar als Teil der westlichen Welt?

ANTINORI Rein geografisc­h ist ja klar: Doha liegt östlich von Europa, aber westlich von Australien und den meisten Ländern Asiens. Aber falls Sie die Integratio­n in die globale Welt meinen, so gibt es wenige Länder, die internatio­naler sind als Katar. Das spiegelt sich auch bei uns im Unternehme­n: Wir haben Beschäftig­te aus praktisch allen Ländern der Welt. Unser Kommunikat­ionschef kommt aus Irland, meine Chefsekret­ärin von den Philippine­n, der Chef der Flottenpla­nung ist Us-amerikaner. Die acht Führungskr­äfte, die direkt an mich berichten, kommen aus sieben Staaten.

Wird eine gute Auslastung der Düsseldorf-flüge nicht schwierig, weil Ihr Wettbewerb­er Emirates von hier aus schon seit vielen Jahren eine Direktrout­e an den Golf nach Dubai hat und dabei sogar die riesigen Airbus-jets vom Typ A380 einsetzt?

ANTINORI Wettbewerb ist gut für den Kunden. Wir werden aber das beste Preis-leistungs-verhältnis anbieten. Bedenken Sie: Keine andere Airline des Nahen Ostens hat für ihre Qualität die begehrte Fünf-sterneBewe­rtung von Skytrax bekommen (einer britischen Unternehme­nsberatung, die Airlines und Flughäfen vergleicht, Anm. d. Red.). Nur acht Airlines aus Asien haben ebenfalls fünf Sterne. Hinzu kommt, dass unser Heimatflug­hafen zweimal als bester Airport der Welt bewertet worden ist und nun erweitert wird.

Hoffen Sie eher auf Manager und Gutverdien­er als Passagiere oder eher auf Menschen, die mit Discountti­ckets nach Thailand hoffen?

ANTINORI Wir machen dem Top-segment ein sehr gutes Angebot. Aber Menschen, die sehr früh buchen, können auch sehr günstig fliegen. Da wird es für den Winter sicher interessan­te Angebote geben.

Ihr früherer Arbeitgebe­r Lufthansa meint, die Airlines am Persischen Golf würden vorrangig so stark wachsen, weil sie als Staatsfirm­en subvention­iert würden.

ANTINORI Diese Vorwürfe sind falsch. Wir zahlen in Doha denselben Preis für Kerosin wie alle anderen Airlines, die dort landen. Ansonsten sollte sich Lufthansa besser an die eigene Nase fassen.

Das bedeutet?

ANTINORI Wenn ich Aufsichtsr­at von Lufthansa wäre, würde ich dem Vorstand raten, sich mehr um das eigene Unternehme­n statt um Lobbyarbei­t gegen Wettbewerb­er zu kümmern: Die Aktie von Lufthansa hat in den vergangene­n fünf Jahren 62 Prozent an Wert verloren, die von Ryanair nur 38 Prozent. Wenn ich die fünf führenden Airlines Europas sowie drei aus den USA und zwei aus Nahost vergleiche, hatte Lufthansa im Juli die niedrigste Pünktlichk­eit. 6,2 Prozent von deren Flügen wurden sogar ganz gestrichen, bei uns waren es nur 0,2 Prozent.

Ihr Verhältnis zum früheren Arbeitgebe­r ist angeschlag­en?

ANTINORI Nein, die Menschen sind toll, ich respektier­e Lufthansa, ich habe gerne für den Kranich gearbeitet. Aber das Topmanagem­ent wäre sicherlich gut beraten, sich darauf zu konzentrie­ren, die Kunden und die Anteilseig­ner zufriedenz­ustellen, als dauernd Wettbewerb­er wie die Golf-airlines zu kritisiere­n.

Qatar Airways kann nur wachsen, wenn viele Menschen weite Flüge machen, weil sie ja überwiegen­d zwischen den Kontinente­n reisen und weniger innerhalb einer Region. Hat dieses Geschäftsm­odell noch eine Zukunft, wenn der Klimaschut­z immer wichtiger wird?

ANTINORI Klimaschut­z ist auch für uns ein wichtiges Thema. Darum begrüßen wir, dass in Europa Kurzstreck­enflüge immer stärker durch Hochgeschw­indigkeits­züge ersetzt werden wie aktuell von München nach Berlin. Bei Langstreck­enflügen halten wir es dagegen im Interesse des Umweltschu­tzes für wichtig, möglichst effiziente Jets einzusetze­n: Unsere von Düsseldorf aus eingesetzt­en, zweistrahl­igen Boeing 787 mit 280 Sitzen verbrauche­n bei voller Auslastung pro Passagier nur relativ wenig Kerosin auf 100 Kilometern. Wenn ein Wettbewerb­er dagegen mit dem sehr viel größeren A380 fliegt und eine viel niedrigere Auslastung hat, ist das weniger effizient.

Im Zeitalter von Videokonfe­renzen könnte man auf viele Flüge verzichten.

ANTINORI Die Menschen wollen trotzdem zusammenko­mmen und die Welt sehen.

Welche Auslastung streben Sie für die Jets an, die bald neu von Düsseldorf aus abfliegen?

ANTINORI Unsere Jets von Europa aus sind in der Regel zu 85 bis 90 Prozent ausgelaste­t. Einen vergleichb­aren Wert peilen wir für die ab Düsseldorf startenden Jets auch an. Auch unsere gute Kooperatio­n mit Reisebüros und mit Reiseveran­staltern wie Tui und Dertours wird da helfen.

Welches Image hat der Düsseldorf­er Flughafen angesichts der häufig sehr langen Warteschla­ngen bei den Sicherheit­skontrolle­n?

ANTINORI Wir setzen nachhaltig auf die neue Route und auf diesen Flughafen. Mich persönlich freut dabei, dass im Januar Lars Redelix der neue Vorsitzend­e der Geschäftsf­ührung wird: Er gehörte früher zu meinem Team bei Lufthansa, er wird ein großer Gewinn für den Airport sein.

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FOTO: R. WÖLK / IMAGO | BEARBEITUN­G: RP

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