Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Der Mann mit den Panzern
Verteidigungsminister Boris Pistorius ist überraschend zu einem Besuch in Kiew eingetroffen. Im Gepäck hat er gute Nachrichten für den ukrainischen Präsidenten.
KIEW (dpa) In der ukrainischen Hauptstadt kommt Boris Pistorius der Waffenhilfe für die Ukraine plötzlich ganz nah: Bei einem Heizkraftwerk steht – sorgsam getarnt und gefechtsbereit – einer der Flugabwehrkanonenpanzer Gepard aus Deutschland. Die Besatzung verhindert, dass zivile Infrastruktur von Russland aus zerschossen wird. Mehrere Raketen und Drohnen wurden hier abgefangen. Am Dienstag bedeckt Schnee das Land und die alten Industrieanlagen. Ein improvisierter Ofen der Soldaten verqualmt die Luft. Der Panzer wird gerade nicht gebraucht. Bei Alarm jedoch kann er ganz schnell wieder in Position fahren und die Zwillingskanone gen Himmel richten.
Es sei großartig, wie die ukrainischen Soldaten das Gerät in so kurzer Zeit erfolgreich bedienten und was die Militärhilfe bewirke, sagt Pistorius. Und auch dies geht dem Spd-politiker neben dem Panzer durch den Kopf: „Mir wird vor allem klar, wie stolz wir sein können – auch als Deutschland. Was wir hier leisten. Deutschland ist nach den USA zusammen mit Großbritannien der größte Unterstützer der Ukraine.“Dass immer wieder der Eindruck erweckt wird, Deutschland mache weniger als andere oder jedenfalls nicht genug, nervt ihn.
In Kiew trifft Pistorius Präsident Wolodymyr Selenskyj und Verteidigungsminister Olexij Resnikow. Pistorius hatte eine Ankündigung im Gepäck: Bis zum Sommer sollten bis zu 25 Leopard-1-panzer geliefert werden, bis Jahresende bis zu 80. Ziel sei, im Laufe des ersten oder zweiten Quartals 2024 auf mehr als 100 zu kommen. Rheinmetall hatte am selben Tag angekündigt, noch dieses Jahr die ersten 20 bis 25 Leopard 1 in die Ukraine zu schicken. Bis Ende 2024 könnten die restlichen 88 geliefert werden. Das Bundeswirtschaftsministerium genehmigte unterdessen die Ausfuhr von bis zu 178 Leopard 1A5.
Politisch ist die Reise eine Art Feuertaufe, bei der sich der neue Minister dem Hauptthema seiner Amtszeit und den zentralen Akteuren in Kiew so weit wie möglich nähert. Er nimmt dabei die ganze Lieferkette für die westlichen Waffensysteme in Augenschein. Er reist übers polnische Rzeszow an und besucht dort am Montag den zentralen Umschlagplatz für die Rüstungslieferungen. Das „Camp Nachtigall“am Rande des zivilen Flughafens ist schwer geschützt und von PatriotStellungen umgeben. Die Flugabwehrraketen sind gegen mögliche Angriffe in Position. Auch deutsche Soldaten nutzen das Camp. Sie halten über einen verschlüsselten Messengerdienst Kontakt zu Ukrainern an der Front, um Ferndiagnosen und Reparaturhilfe zu ermöglichen. Gibt es Technikprobleme, wird aus Deutschland ein Fachmann dazugeschaltet. Inzwischen gibt es Gruppen für alle großen deutschen Waffensysteme. Mit dem Leopard 2, dem Schützenpanzer Marder und dem Flugabwehrsystem Patriot sind die nächsten Waffen schon in der Lieferkette.