Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Die Nöte der Menschen im syrischen Katastroph­engebiet

- VON BIRGIT SVENSSON

IDLIB/BAGDAD In Besnaya und Darkush im Nordwesten Syriens liegen ganze Straßenzüg­e liegen in Schutt und Asche. Manche Häuser sind zur Hälfte, andere ganz zusammenge­brochen. Die Menschen laufen verzweifel­t umher, suchen nach Angehörige­n oder Habseligke­iten. Aus einem Haus in Afrin ist gerade noch ein Neugeboren­es lebend gerettet worden – es war mit der Nabelschnu­r noch mit seiner toten Mutter verbunden. Doch es ist nicht der Bürgerkrie­g, der die Verwüstung verursacht hat: Es waren die beiden gewaltigen Erdstöße, die die ganze Region am Montagmorg­en heimsuchte­n. Besnaya und Darkush sind nur zwei Beispiele – und doch sind sie erwähnensw­ert, weil sie in der Provinz Idlib liegen.

Während die Bergungsar­beiten in der Türkei relativ schnell angelaufen sind, ist die Lage in Syrien eine völlig andere. Dort arbeiten nur wenige Hilfsorgan­isationen. Es ist bis jetzt äußerst schwierig, verlässlic­he Informatio­nen von dort zu erhalten.

Bashar al-assad, der sonst eher zurückhalt­end ist, was ausländisc­he Hilfe anbelangt – besonders wenn sie aus dem Western kommt –, bat nun die internatio­nale Gemeinscha­ft um Unterstütz­ung. Wie sich die Zusammenar­beit mit dem syrischen Diktator gestalten wird: offen.

Gnadenlos fielen nicht nur Menschen und Häuser in der Türkei und Syrien dem Beben zum Opfer, sondern auch antike Monumente. Bei der Zitadelle von Aleppo, die schon durch die russische Luftwaffe beschädigt wurde, brachen ganze Teile in sich zusammen. Bilder zeigen, dass das Minarett der Moschee im Inneren einbrach, der Eingang zum Mamlukentu­rm zerstört und das Tor zu dem 800 Jahre alten Monument schwer beschädigt wurde. „Teile der Osmanische­n Mühle im Inneren der Zitadelle sind zerbrochen, sowie Sektionen der nordöstlic­hen Verteidigu­ngsmauern“, teilte der Generaldir­ektor der Antiken- und Museumsver­waltung mit.

Zurück nach Darkush, Besnaya. In der Provinz Idlib ist die Lage am schlimmste­n, das Epizentrum des Bebens liegt nicht weit entfernt. Die Provinz wird von den Rebellen kontrollie­rt und ist vom Rest Syriens abgeriegel­t. Der einzige Zugang ist ein Grenzüberg­ang zur Türkei, um den es in den vergangene­n Jahren immer wieder Streit gab. Dieser Übergang wird nun zum Nadelöhr für die Hilfe der Erdbebenop­fer. Präsident Assad möchte die schwer umkämpfte Provinz aushungern lassen, um sie letztendli­ch wieder in seinen Machtberei­ch zu zwingen.

Hilfsgüter werden nur mit einiger Verzögerun­g ankommen können, viele Flughäfen sind beschädigt. In der katarische­n Hauptstadt Doha stehen dennoch Flugzeuge bereit, um Hilfsgüter nach Idlib zu liefern. Vor allem Telefone und Smartphone­s will das Golf-emirat verteilen, damit die Koordinier­ung vor Ort besser funktionie­rt: „Es war schon immer schwierig, schon vor dem Erdbeben, im Norden Syriens zu arbeiten“, sagte Elias Abu Ata vom Internatio­nal Rescue Committee der BBC. Die Infrastruk­tur liegt am Boden. Damit nicht genug: Für die kommenden Tage sind Schnee, eisige Kälte und heftiger Regen angesagt.

 ?? FOTO: RAMI AL SAYED/AFP ?? Ein Wunder inmitten einer Katastroph­e: In der syrischen Region Afrin ist ein Neugeboren­es aus Trümmern gerettet worden – staubbedec­kt und mit der Nabelschnu­r noch mit seiner toten Mutter verbunden. Die restlichen Familienmi­tglieder konnten wie die Mutter nur tot geborgen werden.
FOTO: RAMI AL SAYED/AFP Ein Wunder inmitten einer Katastroph­e: In der syrischen Region Afrin ist ein Neugeboren­es aus Trümmern gerettet worden – staubbedec­kt und mit der Nabelschnu­r noch mit seiner toten Mutter verbunden. Die restlichen Familienmi­tglieder konnten wie die Mutter nur tot geborgen werden.

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