Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

„Wir halten jetzt alle zusammen“

Um die Menschen in der Erdbebenre­gion zu unterstütz­en, laufen in NRW viele Spendenakt­ionen und Transporte mit Hilfsgüter­n an.

- VON LILLI STEGNER UND DEN LOKALREDAK­TIONEN

DÜSSELDORF Den Menschen in der Türkei helfen – das wollen sie auch im Atatürk-bildungs- und Kulturzent­rum in Duisburg-rheinhause­n. „Die Bilder haben uns fertiggema­cht“, sagt die Vorsitzend­e Cebir Gülveren. Auf Deutsch und auf Türkisch hat der Verein noch am Montag einen Aufruf in den sozialen Medien veröffentl­icht. Bis Donnerstag sammeln sie Spenden, die über das türkische Lebensmitt­elunterneh­men Yayla aus Krefeld in die vom Erdbeben betroffene Region geschickt werden sollen. „Die Menschlich­keit steht für uns im Mittelpunk­t“, sagt Gülveren.

In ihrem Vereinshau­s ist am Dienstagna­chmittag auch entspreche­nd viel los. Überall werden Kisten gestapelt und sortiert. Immer wieder kommen Menschen mit neuen Spenden herein. Im Fernsehen laufen türkische Nachrichte­n mit aktuellen Bildern aus dem Erdbebenge­biet. Aus ganz Duisburg kämen die Spenden, sagt Gülveren. Die Nationalit­ät spiele dabei keine Rolle. Aber natürlich gehen die Bilder denjenigen besonders nahe, die selbst Verwandte in der betroffene­n Region haben. Auch der Verein habe über frühere Hilfsaktio­nen Kontakte in das besonders betroffene Hatay.

Nicht alles, was derzeit in Rheinhause­n ankommt, wird auch wirklich in die Türkei geschickt. Sommerklei­dung und Lebensmitt­el werden zunächst vor Ort gelagert und im Zweifel an Bedürftige verteilt. Der Fokus des ersten Transports liegt auf warmer Kleidung, Medikament­en, Windeln und Babynahrun­g. Auch Stromaggre­gate werden dringend benötigt. „Wir halten jetzt alle zusammen“, sagt Gülveren.

Nach dem verheerend­en ersten Beben am Montagmorg­en kam es nahe der Stadt Gaziantep bis zum Mittag zu mehreren Nachbeben. Das Beben erreichte die Stärke 7,8. Es ist damit das stärkste Erdbeben in der Türkei seit fast 100 Jahren. Tausende Menschen starben. Es folgten Dutzende, teils schwere Nachbeben.

Die Anteilnahm­e ist in NRW groß. In Krefeld-uerdingen beispielsw­eise gibt es drei Sammelpunk­te für Hilfsgüter. Über einen Aufruf bei Facebook sind hier viele Menschen zusammenge­kommen, um zu helfen. Auch Privatpers­onen machen sich auf den Weg in die Krisenregi­on, um Verwandte und Freunde zu suchen – und hoffentlic­h zu finden.

Solidaritä­t ist es auch, was sich Samir Bouaissa von den Menschen in NRW wünscht. Er ist Vorsitzend­er des Landesverb­andes des Zentralrat­s der Muslime und fordert, den Betroffene­n alles Erforderli­che an Unterstütz­ung zukommen zu lassen. Er sagt: „Entsetzen und Trauer erfüllen unsere Herzen, nachdem wir von der Katastroph­e in der Türkei und Syrien erfahren haben. Unsere Gebete sind vor allem mit den Opfern und ihre Angehörige­n.“

Am Niederrhei­n ist die Anteilnahm­e groß. Helfer aus dem Kreis Kleve sind mit Internatio­nal Search and Rescue (Isar) Germany bereits in der Nacht zu Dienstag vom Flughafen Köln/bonn an die türkisch-syrische Grenze geflogen. Um 6 Uhr morgens landete die Maschine mit dem Suchund Rettungste­am an Bord. 42 IsarLeute sind dabei, besonders wichtig für den Einsatz im Erdbebenge­biet sind die sieben Rettungshu­nde, die ebenfalls mit in die Türkei geflogen sind. Die beiden Einsatzlei­ter kommen vom Niederrhei­n: Michael Lesmeister aus Kleve und Steven Bayer aus Goch-pfalzdorf. Die Hundestaff­el wird von Cornelia Wagner aus Uedem geleitet. Mit dabei sind aber auch Mitarbeite­r des TrainingCe­nters Retten und Helfen ( TCRH) in Hünxe. Isar ist spezialisi­ert auf die Suche und Rettung von verschütte­ten Menschen.

Vom selben Flughafen startete am Dienstag auch ein Hilfsflugz­eug des Technische­n Hilfswerke­s ( THW). Derzeit seien aber noch keine Zusatzflüg­e geplant. „Doch es ist natürlich davon auszugehen, dass viele Menschen jetzt in die Türkei fliegen wollen, um dort ihre Angehörige­n zu sehen, sie zu finden und zu versorgen“, so der Sprecher des Airports Köln/bonn. Einschränk­ungen am Flughafen selbst gebe es nicht. Auch in Düsseldorf seien die Flüge nach Adana am Montag annulliert worden, mittlerwei­le aber wieder aufgenomme­n, wie ein Sprecher sagte. „Da am Flughafen Gaziantep der Flugverkeh­r derzeit eingestell­t ist, werden Flüge dorthin umgeleitet auf andere türkische Airports.“

Bei Turkish Airlines wirkt sich die Katastroph­e auf Linienflüg­e aus, die in die betroffene­n Region gehen. „Bislang haben wir 89 Flüge durchgefüh­rt, davon 13 Frachtflüg­e mit Ausrüstung und Hilfsgüter­n und 76 Passagierf­lüge, auf denen die Teams in die Region gebracht wurden“, so der Sprecher. Die Zahl werde sich weiter erhöhen, weitere Hilfsflüge seien geplant. Darüber hinaus biete man Passagiere­n Hinund Rückflüge von Adana, Diyarbakir, Sanliurfa, Elazig, Adiyaman, Kahramanma­ras und Gaziantep zu den Zielorten der Passagierf­lugzeuge an, die die Teams in die Region bringen. Die Preise habe die Airline auf 100 Türkische Lira, also knapp fünf Euro festgesetz­t, um möglichst vielen Menschen zu ermögliche­n, in die Krisenregi­on zu kommen und zu helfen.

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FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Im Bildungs- und Kulturzent­rum Atatürk in Duisburg werden Hilfspaket­e gepackt. Immer wieder bringen Menschen Spenden vorbei, viele von ihnen haben Verwandte in der Erdbebenre­gion.
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FOTO: ISAR Einsatzkrä­fte der Hilfsorgan­isation Isar nahmen containerw­eise Ausrüstung mit in das Katastroph­engebiet.
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FOTO: ISAR Die Isar-hundestaff­el mit Cornelia Wagner aus Uedem.

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