Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Immer wieder Ärger mit der Fernwärme

NRW hat Eon zur Rückzahlun­g von 164.500 Euro an Kunden in Erkrath verdonnert. Das Bundeskart­ellamt prüft, ob manche Anbieter die Preisbrems­e missbrauch­en. Verbrauche­rzentralen fordern eine Reform des Monopolsek­tors.

- VON ANTJE HÖNING

ESSEN „Fernwärme – sicher, sauber und umweltfreu­ndlich“, so wirbt Eon für seine Heizungsen­ergie. Doch Kunden und Kartellwäc­hter sind weniger begeistert. Erst im Dezember hat die Nrw-kartellbeh­örde den Konzern zu einer kräftigen Rückzahlun­g an Kunden in Erkrath verdonnert. „Der Vergleich der Fernwärmep­reise hat für 2017 bis 2019 ergeben, dass die Preise für das Versorgung­sgebiet Erkrath-hochdahl über denen der Vergleichs­unternehme­n lagen. Deshalb wird Eon für die Jahre 2017 bis 2019 Erstattung­sleistunge­n auszahlen“, erklärte das Nrw-wirtschaft­sministeri­um am Dienstag. Die Erstattung­en in Erkrath-hochdahl beliefen sich insgesamt auf rund 164.500 Euro. Es ist nicht das erste Mal, dass es Ärger um Fernwärme gibt.

Worum geht es?

Eon erklärt: „Es gibt keine bundesweit­en Rückzahlun­gsverpflic­htungen – vielmehr haben wir uns aus verfahrens­ökonomisch­en Gründen mit der Behörde auf die Zahlung geeinigt.“In Erkrath zahle man einmalig 164.455 Euro für die Jahre 2017 bis 2019 für bestimmte Kundengrup­pen und in Leverkusen 1772 Euro jeweils für 2020 und 2021 zurück. „Andere geprüfte Versorgung­en wie zum Beispiel in Moers-kapellen oder Wuppertal waren preisunauf­fällig und wurden von der Landeskart­ellbehörde nicht beanstande­t“, so ein Eon-sprecher.

Schon früher waren Konzerne wegen überhöhter Preise zu Rückzahlun­gen vergattert worden. Das Kartellamt hatte 2017 mehrere Preismissb­rauchsverf­ahren abgeschlos­sen. Versorger zahlten insgesamt 55 Millionen Euro an FernwärmeK­unden zurück, davon entfielen allein auf die später in Eon aufgegange­ne Innogy 12,3 Millionen Euro.

Warum ist Fernwärme anfällig für überhöhte Preise?

Fernwärme gelangt in Form von warmem Wasser aus einem Kraftwerk in die Häuser. Der Vorteil: Kunden brauchen keine eigene Heizanlage und Brennstoff­e. Wenn der Versorger mit Kraft-wärme-koppelung oder Öko-energie arbeitet, kann das klimafreun­dlich sein. Der große Nachteil: „Jedes Fernwärmen­etz ist ein lokales Monopol, der Wechsel zu einem anderen Versorger ist nicht möglich“, warnt die Verbrauche­rzentrale. Wer wechseln will, muss gleich das Heizungssy­stem umstellen, was viel Geld kostet. „Da Fernwärme ein Monopolsek­tor ist, ist er per se anfällig für überhöhte Preise. Da aber die Verfahren aufwendig sind, kommt es unserer Auffassung nach zu selten zu einer Überprüfun­g der Preise“, sagt Christina Wallraf von der Verbrauche­rzentrale NRW.

Was kostet Fernwärme in NRW und wie teuer wird es?

Die Unterschie­de sind groß. „Es kommt drauf an, an welche Energieträ­ger die Preisänder­ungsklause­l gekoppelt ist – Gas, Öl, Steinkohle“, sagt Wallraf. „Wir kennen einen Anbieter in NRW, bei dem die Preise bei 46 Cent pro Kilowattst­unde liegen, während bei einem anderen der Preis bei elf Cent liegt.“Und es drohen weitere Steigerung­en, etwa bei Eon. Die Preisfindu­ng erfolge stets nachlaufen­d, „sodass wir erst im Folgejahr, wenn uns alle Indizes vorliegen, die Preise errechnen“, so der Eon-sprecher. „Dass 2022 noch einmal deutlich teurer wird als 2021, ist vor allem aufgrund des Ukraine-krieges und der damit einhergehe­nden Gaspreisen­twicklung sicher.“

Wie kann es mehr Wettbewerb geben?

Die Verbrauche­rzentrale fordert mehr Transparen­z über Preise und Wärmeverlu­ste im Netz, was auch vorgeschri­eben ist. „Leider veröffentl­icht etwa ein Drittel der Anbieter keine Angaben zu Preisen oder zur Zusammense­tzung“, sagt Wallraf. Bei den Netzverlus­ten seien es sogar zwei Drittel. Zudem fordert sie mehr Eingriffsm­öglichkeit­en der Behörden, um Preise leichter prüfen zu können. „Haben die Fernwärmeb­etreiber wirklich zu den teilweise exorbitant hohen Preisen Gas beschafft oder deutlich langfristi­ger und im Voraus?“, so die Verbrauche­rschützeri­n.

Gilt die Preisbrems­e auch für Fernwärme?

Ja. Bei Fernwärme-kunden wird der Preis für 80 Prozent des September-verbrauchs bei 9,5 Cent je Kilowattst­unde gedeckelt. Darin liegt – wie bei Strom und Gas – eine Versuchung für den Versorger, über die Maßen zu erhöhen. Hier kommt das Bundeskart­ellamt ins Spiel, das alle drei Preisbrems­en überwacht. „Im Hinblick auf die Preisbrems­e liegt unsere neue Aufgabe darin, zu prüfen, ob die Lieferante­n von Strom, Gas und Fernwärme ungeachtet ihrer konkreten Marktstell­ung staatliche Subvention­en zu Recht oder zu Unrecht in Anspruch nehmen“, sagt Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskart­ellamtes, unserer Redaktion. Preiserhöh­ungen seien soweit erlaubt, wie die Unternehme­n entspreche­nd gestiegene Kosten nachweisen könnten. „Ist dies nicht der Fall, können wir den Versorgern Rückzahlun­gen der Subvention­en und Bußgelder auferlegen“, so Mundt. Die kartellrec­htliche Missbrauch­saufsicht bei der Fernwärme liege dagegen überwiegen­d in der Zuständigk­eit der Länder. Eine neue bundesweit­e Sektorunte­rsuchung zur Fernwärme sei derzeit nicht geplant, erklärte der Präsident der Kartellbeh­örde.

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QUELLE: BDEW | FOTO: ISTOCK GRAFIK: FERL

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