Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
NRW schränkt Teilzeit für Lehrkräfte ein
Wer keine familiären Gründe nennen kann, muss in Vollzeit lehren. Außerdem soll es mehr Abordnungen an Schulen mit Personalnot geben. Die SPD will eine Enquete-kommission zum Schulsystem in Nordrhein-westfalen.
DÜSSELDORF Das Land macht Ernst: Bezirksregierungen in NRW sind jetzt gehalten, weniger Teilzeit für Lehrkräfte zuzulassen und mehr Lehrer an schlecht besetzte Schulen abzuordnen, zur Not auch gegen ihren Willen. Verfrühte Ruhestände sollen zumindest hinausgezögert werden. Das Bildungsministerium von Dorothee Feller (CDU) hat diese Maßnahmen gegen den Lehrermangel, die die Ministerin im Dezember angekündigt hat, in eine Handlungsanweisung gefasst, nach der sich die Bezirksregierungen nun richten sollen.
Die „Sicherstellung der Unterrichtsversorgung“sei von „zentraler Bedeutung“, heißt es in dem Papier, das unserer Redaktion vorliegt. Jeder Antrag auf Teilzeitbeschäftigung, sofern nicht familiär begründet, soll abgelehnt werden, wenn die Versorgung sonst gefährdet wäre. Rückwirkend gilt das aber nicht: „Bisher bewilligte Teilzeitbeschäftigungen bleiben hiervon unberührt.“Wenn Beamte mit 63 Jahren vorzeitig in den Ruhestand gehen wollen, sollen sie zumindest immer bis zum Schuljahresende bleiben. „Abordnungen sind unter Ausschöpfung der entsprechenden rechtlichen Möglichkeiten umzusetzen“, stellt die Anweisung weiter klar; „stärker und flächendeckender als bisher“, schulform-, schulamtsund bezirksübergreifend. Vorzugsweise läuft das mit dem Einverständnis der Betroffenen – notfalls aber auch ohne. Weil dies in jedem Einzelfall begründet sein muss, gibt es klare Kriterien, die gegeneinander abzuwägen sind: „Sie sollen eine landeseinheitliche Praxis sichern.“
Bei den Schulen soll die tatsächliche Personalsituation betrachtet werden. Es geht also nicht nur um die Größe eines Kollegiums auf dem Papier: Faktoren wie Krankenstände, Überstunden, erfolglose Ausschreibungen, die Altersstruktur oder besondere Situationen werden gewichtet. Lehrkräfte, die sich gegen eine Abordnung wehren wollen, können geltend machen, wenn sie beispielsweise kleine Kinder haben, Angehörige pflegen oder der Fahrtweg zur anderen Schule deutlich weiter wäre. Ausschlusskriterien sind das allerdings nicht – eine Abordnung kommt trotzdem infrage.
Dorothee Feller dürfte bei den Anweisungen die Arbeitspraxis in den Behörden vor Augen gehabt haben. Vor ihrer Zeit als Ministerin war sie Regierungspräsidentin in Münster.
Die Regeln könnten sich als
„Bumerang“erweisen, fürchtet die Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Ayla Çelik. „Gerade solche Maßnahmen machen den Lehrberuf nicht attraktiver für junge Menschen, die wir doch gewinnen wollen. Es gibt junge Leute, die wegen ihres Lebenskonzeptes in Teilzeit arbeiten wollen. Wir laufen Gefahr, sie zu verlieren“, sagte sie unserer Redaktion. Andere gingen nicht aus Lust und Laune in die Teilzeit: „Die Arbeitsbelastung ist so immens, dass sie sich nicht anders zu helfen wissen.“Der Präsident des Lehrerverbandes NRW, Andreas Bartsch, betonte: „Entscheidend sind jetzt die Mitbestimmungsgremien. Jede Abordnung, die über ein Jahr hinausgeht, muss über die Personalvertretung laufen. Belastungen und besondere Gründe werden sehr genau geprüft werden, bevor ein Personalrat gegen den Willen einer Lehrkraft zustimmt.“
Unterdessen will die SPD-FRAKtion im Düsseldorfer Landtag jetzt eine Enquete-kommission unter dem Titel „Chancengleichheit“ins
Leben rufen, um die Probleme der Schullandschaft umfassend zu beleuchten. „Es muss sich etwas ändern in unserem Bildungssystem“, sagte Fraktionschef Thomas Kutschaty. 10.000 unbesetzte Lehrerstellen sprächen Bände: „So darf das nicht weitergehen.“
Die Kommission soll sich zunächst mit Chancen und Schwierigkeiten der Grundschulen befassen und, davon ausgehend, den Blick auf die Schulstruktur, also das ganze nordrhein-westfälische Schulsystem richten. Dabei sollen die verschiedenen weiterführenden Schulmodelle betrachtet werden: „Ist die Situation so, wie sie ist, effizient? Kommen wir zu guten Ergebnissen, und erreichen wir möglichst viele gute Schulabschlüsse?“, fragte der Bildungsexperte der SPDFraktion, Jochen Ott. Man wolle das „ohne ideologische Scheuklappen“diskutieren, in der Hoffnung auf eine parteiübergreifende Lösung. „Ein Schulsystem lebt auch vom gesellschaftlichen Konsens.“Die Kommission könnte im Sommer starten.