Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
„Einreise nur bei positivem Asylbescheid“
Der neue Bundesvorsitzende der Jungen Union fordert ein radikales Umdenken in der Migrationspolitik.
Herr Winkel, die Bundesinnenministerin plant einen Flüchtlingsgipfel. Überfälliger Schritt?
WINKEL Die Ampel hat zu lange den Kopf in den Sand gesteckt. Fairerweise muss man aber sagen, dass die Politik insgesamt seit der Flüchtlingskrise von 2015 in siebeneinhalb Jahren viel diskutiert, noch mehr moralisiert, aber leider keine wirklichen Fortschritte in der Sache gemacht hat.
Tatsächlich liegen die Zahlen schon jetzt über denen von 2015/16. Was muss kurzfristig passieren?
WINKEL Es ist traurig, dass Ministerin Faeser erst hessische SPD-BÜRgermeister aufs Dach steigen müssen, damit sie den Ernst der Lage erkennt. Natürlich müssen wir den Menschen helfen, die jetzt bereits hier sind. Mich stört aber, dass die Politik nur an Symptomen herumdoktert, statt die Ursachen anzugehen. Wir brauchen ein langfristig tragfähiges, realistisches und damit ehrliches Konzept.
Was schwebt Ihnen vor?
WINKEL Unsere momentane Einwanderungspolitik ist schizophren: Einerseits sind wir restriktiv und bürokratisch, wenn qualifizierte Menschen in unseren Arbeitsmarkt wollen. Da fordern wir Sprachzertifikate,
Arbeitsnachweise, lassen motivierte Menschen lange warten. Andererseits ist der schlichte Antrag auf Asyl de facto eine Eintrittskarte, die an überhaupt keine Voraussetzungen geknüpft ist, nicht einmal an die eines Herkunftsnachweises. Daran schließt sich ein langes Verfahren für Behörden und Justiz an, an dessen Ende oft festgestellt wird, dass kein Bleiberecht besteht. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt aber, dass man nicht Hunderttausende Menschen zurückführen kann. Das bedeutet momentan: Wer einmal hier ist, kann oft bleiben, völlig unabhängig von einem Bleiberecht. Die Bundesregierung muss diese Realitäten anerkennen und handeln. Insbesondere der Bundeskanzler muss sich zu diesem Thema überhaupt erst einmal positionieren. Es ist schlicht unverantwortlich, das gesamte Konzept auf der Hoffnung aufzubauen, dass irgendwann die Flüchtlingszahlen wieder sinken.
Aber was soll sich Ihrer Meinung nach denn ändern?
WINKEL Wir werden das Asylrecht nur dann dauerhaft aufrechterhalten können, wenn Voraussetzung für die Einreise in die Europäische Union ein bereits positiv beschiedener Asylantrag ist. Das ist vielleicht ein harter, aber ehrlicher Schritt. Denn dann senden wir das klare Signal: Wir helfen denjenigen, die unseren Schutz wirklich brauchen. Gleichzeitig gibt es keine Anreize mehr, sich bei nicht vorhandenen Erfolgsaussichten überhaupt auf den Weg nach Europa zu machen, da das Prüfungsverfahren nicht innerhalb der EU stattfindet.
Aber wie soll das praktisch vonstattengehen? Das hieße doch einerseits, die europäische Außengrenzen noch massiver abzuschotten, und andererseits in den Herkunftsländern oder in den Nachbarländern Infrastruktur für die Asylverfahren aufzubauen.
WINKEL Wenn man die europäischen Grenzen nach innen geöffnet lassen möchte, muss man sie nach außen konsequent schützen. Und natürlich dürfen die EULänder mit Außengrenze mit der Kontrolle nicht allein gelassen werden. Für Asylverfahren müssen Vereinbarungen mit Nachbarstaaten geschlossen werden.
Und welche Vorstellungen haben Sie zur Verteilung?
WINKEL Eine europäische Verteilung ist illusorisch, wenn die Menschen erst einmal ihr gewünschtes Zielland – also oftmals Deutschland – erreicht haben. Man muss die Verteilung also am Anfang vornehmen. Mein Vorschlag: Wer einen positiven Bescheid bekommt, wird nach einem Schlüssel einem der Mitgliedsländer als Zielland zugeteilt. Wichtig ist: Nur in diesem Land hat man einen Anspruch auf entsprechende Leistungen. Das kann Deutschland, aber auch Rumänien sein. Das würde das System für diejenigen, die aus wirtschaftlichen Gründen ihr Heimatland verlassen, unattraktiver machen. Denn im Augenblick setzt die Politik massive Anreize für Migration. Und die Ampel schafft mit den geplanten Regeln zum Familiennachzug sogar noch weitere Anreize. Wir müssen wieder stärker den Fokus auf diejenigen lenken, die wirklich unserer Hilfe bedürfen, statt Versprechen abzugeben, die wir nicht halten können.
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