Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Channing Tatum tanzt sich frei
Regisseur Steven Soderbergh erzählt im Finale der „Magic Mike“-reihe eine erstaunlich erwachsene Liebesgeschichte.
Nicht nur bei deutschen Schulbehörden, sondern auch in Hollywood haben Quereinsteiger eine Chance. Arnold Schwarzenegger hantelte sich vom Bodybuilder zum „Terminator“(und späteren Us-gouverneur). Dwayne Johnson stand als Wrestler unter dem Kampfnamen „The Rock“im Ring, bevor er mit Filmen wie „Fast and Furious“oder „Jumanji“zum bestbezahlten Hollywoodstar aufstieg. Aber den schillerndsten Karriereweg hat wohl Channing Tatum zurückgelegt: In jungen Jahren verdiente er in Florida als Stripper gutes Geld, bis er zunächst zum Model und schließlich zum Filmschauspieler avancierte.
Die Erfahrungen seiner wilden Jugend konnte Tatum dann 2012 in Steven Soderberghs „Magic Mike“gewinnbringend einarbeiten. Der Film begab tief hinein in die Welt der Männer-stripclubs, ließ in schillernden Showeinlagen männlichen Narzissmus und weiblichen Voyeurismus sinnliche Feste feiern und verwies gleichzeitig mit gutem Milieu-gespür auf die zwischenmenschlichen Probleme in dem Berufsstand. „Magic Mike“brachte es auf ein stattliches Einspielergebnis von 167 Millionen Dollar und einen gewissen Kultstatus – und für Channing Tatum gab es den Titel „Sexiest Man Alive“, der jedes Jahr vom „People“-magazin vergeben wird.
Drei Jahre später holte Regisseur Gregory Jacobs die Gang um Tatum noch einmal zusammen und schickte sie in „Magic Mike XXL“auf einen sexy Roadtrip durch den amerikanischen Süden. Das von Tatum produzierte internationale Bühnen-event „Magic Mike Live“ist seit 2017 in Las Vegas, London, Sydney, Berlin und vielen anderen Städten der Welt zu sehen.
Nun hat Steven Soderbergh mit „Magic Mike’s Last Dance“wieder selbst die Regie für ein letztes Revival des Stripper-films in die Hand genommen. Channing Tatum ist mittlerweile 42. Aber alle Zweifel, ob seine körperliche Verfassung noch jene titelspendende Magie entfaltet, werden gleich zu Beginn des Filmes fachgerecht ausgeräumt. Im sonnigen Miami schlägt sich Mike Lane als Barkeeper durch, seit seine Tischlerei, mit der er sich eine solide Existenz aufbauen wollte, pleite gegangen ist.
Beim Cocktail-schütteln lernt er schließlich eine schwerreiche Society-diva mit dem klangvollen Namen Maxandra Mendoza (Salma Hayek) kennen, die gerade versucht, über eine hässliche Trennung hinwegzukommen. Eigentlich hat Mike geschworen, sich nie wieder als strippender Frauentröster zu verdingen. Aber Maxandra macht ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann.
Und dann ist er wieder da, legt los, lässt die Lenden geschmeidig im Schoß der Klientin kreisen. Er chlängelt seinen muskulösen Oberkörper um sie herum, gräbt den Kopf zwischen ihre Beine, hebt die Frau scheinbar mühelos rittlings in die Luft, um sie sanft auf dem Küchentresen abzusetzen. Gefühlte zehn Filmminuten geht das so sauber choreografiert und flüssig geschnitten kreuz und quer durchs Apartment, bis der Tänzer sich mit einer langsamen Klimmzug-bewegung hautnah an der Kundin nach oben zieht und dabei noch lässig die Hose abstreift.
Vor so viel lasziver Körperbeherrschung muss man einfach kapitulieren. Das fühlt auch Maxandra, für die die Nacht mit dem magischen Mike zum therapeutischen Erweckungserlebnis wird. Mit neu gewonnenem Elan und lukrativem Honorar lädt sie Mike nach London ein, wo sie durch die Scheidung in den Besitz des altehrwürdigen „Rattigan“-theaters gekommen ist.
Das langweilige Kostümdrama, das dort gerade in Vorbereitung ist, wird nun nach ihrem Willen in eine Strip-tanz-show umgewandelt, bei der Mike Regie führen soll. Vom italienischen Balletttänzer bis zum Streetdancer am Piccadilly Circus wird eine bunte, hochbegabte Truppe zusammengestellt, die den Zuschauerinnen im Saal jenes erotische Befreiungsgefühl vermitteln soll, das Maxandra selbst in Miami gespürt hat.
In „Magic Mike’s Last Dance“schraubt Soderbergh den tanzkünstlerischen Anspruch deutlich nach oben. Rekrutiert wurde hier
aus dem internationalen Pool der „Magic Mike Live“-shows, der einige talentierte Tänzer bereit hält. Elemente aus Hip-hop, Salsa, Breakdance, Jazz und zeitgenössischem Tanz fließen in den athletischen Stripshows ineinander.
Zwischen den zahlreichen Tanzeinlagen erzählt Soderbergh die sich anbahnende Liebesgeschichte von Mike und Maxandra, die ganz erwachsen auf Augenhöhe zueinanderfinden, als unterhaltsames Wechselbad der Gefühle. Deutlich konturierter als in den Vorgängerfilmen, die das weibliche Begehren vornehmlich als Massenphänomen im Saal feierten, fällt in „The Last Dance“die Entwicklung der weiblichen Hauptfigur aus.
Mit ihrer brodelnden Energie wirft sich Salma Hayek furchtlos in das Gefühlschaos der Diva, die zwischen Herrschsucht, Egozentrik, Liebesbedürftigkeit, Sehnsucht, Kreativität und Selbstfindungsbedürfnis ihren Weg sucht.