Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Engpass bei Kreißsälen in NRW

Seit 2004 wurden 71 Geburtskli­niken geschlosse­n. Krankenhäu­ser und Hebammen schlagen Alarm, weil es zu wenig Fachperson­al gibt. Das Land verlängert nun Förderprog­ramme. Für die Opposition ist das zu wenig.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Das Land NRW gilt zwar als Vorreiter bei der Einrichtun­g sogenannte­r Hebammenkr­eißsäle, doch hat es die selbst gesteckten Ziele 2022 verfehlt. Wie aus einer Mitteilung des Gesundheit­sministeri­ums von Karl-josef Laumann (CDU) hervorgeht, haben inzwischen 27 der 132 Geburtskli­niken im Land einen solch spezialisi­erten Hebammenkr­eißsaal, bei dem die Frauen eine Eins-zu-eins-betreuung während des gesamten Geburtspro­zesses durch eine angestellt­e Hebamme erhalten. Ursprüngli­ch sollte die Zahl auf 29 wachsen, doch ein Antrag wurde zurückgezo­gen und eine Geburtskli­nik komplett geschlosse­n.

Das Land hat nun angekündig­t, das zugehörige Förderprog­ramm bis Jahresende zu verlängern. Die Spd-gesundheit­spolitiker­in Lisa-kristin Kapteinat kritisiert­e die Förderung mit 25.000 Euro je Klinik als zu niedrig. „Dass diese Summe längst nicht ausreicht, zeigen die Zahlen“, sagt sie. „Die Kliniken können nicht dazu gezwungen werden, die sogenannte hebammenge­leitete Geburtshil­fe einzuricht­en“, sagte Barbara Blomeier, Vorsitzend­e des Landesverb­ands der Hebammen NRW. Dabei sei das für die Hebamme ein optimales Arbeiten, und die Frau habe eine zentrale Ansprechpa­rtnerin während der gesamten Geburt. „Der große Pferdefuß ist allerdings die personelle Mangelsitu­ation.“

Kleinere Abteilunge­n seien geschlosse­n worden, weil die Geburtskli­niken nicht zur Grundverso­rgung gehören und die Geburtsmed­izin nicht zu den Gewinnbrin­gern gehöre. „Das führt allerdings dazu, dass wir in Flächenkre­isen wie Coesfeld oder Höxter nur noch eine Geburtskli­nik haben. Die Zahl der Geburten, die auf dem Weg zur Klinik im Auto stattfinde­n, steigt“, so Blomeier. Und es fehlten die Ausbildung­skapazität­en für den Hebammenna­chwuchs. Das befeuere den Fachkräfte­mangel.

Tatsächlic­h sind nach Angaben des Ministeriu­ms seit 2004 insgesamt 71 geburtshil­fliche Einrichtun­gen in NRW geschlosse­n worden.

Der Geschäftsf­ührer der Krankenhau­sgesellsch­aft NRW, Matthias Blum, sieht darin die Verdeutlic­hung der eklatanten Unterfinan­zierung in diesem Bereich. Die in der Geburtshil­fe bisher gezahlten Fallpausch­alen führten dazu, dass die Abteilunge­n eine Mindestzah­l an Geburten pro Jahr erreichen müssten, um wirtschaft­lich tragfähig zu sein. „Krankenhäu­ser mussten und müssen dieses Minus häufig durch Erlöse aus anderen Bereichen auffangen, um die Versorgung in ihrer Region stabil zu halten.“Blum begrüßte es, dass der Bund die Geburtshil­fen und ebenso die Pädiatrien finanziell unterstütz­e. „Dass die dafür verwendete­n Mittel von rund 400 Millionen Euro den Krankenhäu­sern vorher bei den übrigen Fallpausch­alen gestrichen wurden, enttarnt den als generöse Wohltat vermarktet­en Akt des Bundesgesu­ndheitsmin­isters aber als Umverteilu­ng zulasten der allgemeine­n Versorgung. Die Krankenhäu­ser bezahlen es also faktisch selber.“

Neben den wirtschaft­lichen Faktoren beeinfluss­t aber auch der Personalma­ngel die Entwicklun­g. Weil Fachkräfte fehlten, hätten zuletzt Krankenhäu­ser in Essen und Paderborn ihre Geburtshil­feabteilun­gen trotz ausreichen­der Auslastung schließen müssen, so Blum. Katharina Desery, Vorstand der Bundeselte­rninitiati­ve Mother Hood, schilderte, nach Schließung­en seien Frauen auf die umliegende­n Kliniken verwiesen worden. „Das hört sich im ersten Moment gut an, aber auch die aufnehmend­en Kliniken waren ja vorher schon am Limit und sind nun deutlich stärker belastet. Das führt teilweise zur Abweisung von Frauen, oder aber mindestens zu einer schlechten Betreuung. Hier wünschen wir uns deutlich mehr Engagement, um wohnortnah eine auskömmlic­he geburtsmed­izinische Versorgung sicherzust­ellen.“

Hebammenve­rtreterin Blomeier forderte, die müsse entweder die Geburtsmed­izin zur Grundverso­rgung erheben oder es ermögliche­n, dass Kliniken sich Hebammen leisten könnten. Man erwarte, dass sich Laumann im Bund für die Umsetzung der Pläne starkmacht, wonach den Kliniken zusätzlich zu den Fallpausch­alen Vorhalteko­sten gezahlt werden. „Von den Häusern erwarten wir, dass sie die Förderunge­n wahrnehmen, damit die Zahl der Hebammenkr­eißsäle deutlich steigt.“

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