Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Verspätet ins Krisengebiet
Erst am späten Dienstag konnten die Kräfte des Technischen Hilfswerks in die Türkei fliegen. Grund ist ein Versäumnis, das eine Kette von Verzögerungen nach sich zog.
DÜSSELDORF Am späten Dienstagabend erhält Martina E. eine Whatsappnachricht ihres Mannes: „Jetzt geht es los“, schreibt er. Ihr Mann sitzt in diesem Moment in einer Maschine auf dem Rollfeld des Airports Köln/bonn, die Spezialkräfte des Technischen Hilfswerks ( THW) ins türkische Katastrophengebiet fliegen wird – deutlich später als geplant.
E. gehört dem sogenannten SEEBateam an; die Abkürzung steht für Schnelleinsatzeinheit Bergung Ausland, eine Einheit, die spezialisiert darauf ist, Menschen nach Erdbeben zu bergen. „Nur in diesem Fall war das Team alles andere als schnell in der Türkei – mindestens einen ganzen Tag zu spät. Dabei heißt es doch gerade nach Erdbeben, dass jede Stunde zählt, um möglichst viele Menschen retten zu können“, sagt Martina E.
Tatsächlich sind die Thwkräfte im Vergleich etwa zu der Rettungseinheit Isar Germany, deren Flugzeug am Montagabend abhob, mehr als 24 Stunden später in die Türkei abgeflogen. Grund dafür ist ein Versäumnis, das eine Kette von Verzögerungen nach sich zog.
Die Hauptursache für den späten Abflug war zunächst nicht gewartetes Einsatzmaterial, das zuletzt bei einer Übung im November in Portugal genutzt worden war und vor neuem Gebrauch überprüft werden musste. „Diese Prüfung war zum Zeitpunkt der Katastrophe bedauerlicherweise nicht abgeschlossen“, teilte das THW auf Anfrage mit. „Zudem verzögerte sich durch die im Abschluss befindliche Prüfung die Übermittlung der Frachtdokumente. Das Material traf daher erst am frühen Dienstagmorgen am Flughafen ein“, so das THW weiter. Dadurch sei wertvolle Zeit verloren gegangen, hieß es aus Thwkreisen.
Die Kollegen von Isar Germany, einer Rettungsorganisation vom Niederrhein, sollen nach Informationen unserer Redaktion von den Problemen beim THW erfahren und den Kräften angeboten haben, dass diese bei ihnen mitfliegen könnten – damit auch sie früher in der Türkei sein können. Doch dazu kam es nicht. „Die SEEBA war zum Zeitpunkt des Hilfeersuchens nicht vollständig einsatzbereit, da das Material unvollständig war. Um den Flug von Isar Germany nicht zu verzögern, konnten wir das Angebot des Mitfluges nicht annehmen“, erklärte das THW. „Zudem hätten die Frachtkapazitäten nicht für das komplette Team und die Ausstattung ausgereicht.“
„Die Maschine mit meinem Mann sollte dann gegen 7 Uhr am Dienstagmorgen starten. Aber auch dazu kam es dann nicht“, berichtet Martina E. Beim THW bestätigte man unserer Redaktion, dass das SEEBATeam und das Material am frühen Dienstagmorgen am Flughafen eingetroffen seien. Durch die verspätete Bereitstellung des Materials – infolge der viel zu spät erfolgten Prüfung – habe sich dann die Beladung der Maschine verzögert. Mit weiteren Folgen für den Abflug. „Hieraus folgte, dass die Crew des Flugzeuges ihre gesetzlichen Ruhezeiten vorziehen musste, da eine Ruhepause für die Airline auf dem Zielflughafen Gaziantep aufgrund der knappen Flughafenkapazitäten nicht möglich war“, erklärte der Sprecher.
Eine Ersatzcrew konnte offenbar nicht gefunden werden – obwohl die Zeit drängte. Am Mittwoch trafen die etwa 50 Einsatzkräfte des THW schließlich in Gaziantep im Südosten der Türkei ein. „Dabei hatte mein Mann seine Alarmmeldung bereits am frühen Montagmorgen bekommen“, sagt Martina E.
In der Türkei und auch in Syrien wird jede Hilfe benötigt. Nach und nach kommt internationale Unterstützung im Katastrophengebiet an. Dennoch warten viele Erdbebenopfer noch auf Hilfe. Im türkischsyrischen Erdbebengebiet ist die Zahl der Toten – Stand Donnerstagabend – auf über 20.000 gestiegen.
Aus Deutschland werden nach Angaben von Bundesinnenund Verteidigungsministerium unter anderem Zelte, Schlafsäcke, Feldbetten, Decken, Heizgeräte und Generatoren ins Katastrophengebiet gebracht. Ein Sprecher des Innenministeriums berichtete von etwa 82 Tonnen Material im Gesamtwert von einer Million Euro. Die Bundeswehr wollte am Donnerstagvormittag laut Luftwaffe rund 50 Tonnen Hilfsgüter ausfliegen. Es soll täglich drei Flüge mit Hilfslieferungen geben.