Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Verspätet ins Krisengebi­et

Erst am späten Dienstag konnten die Kräfte des Technische­n Hilfswerks in die Türkei fliegen. Grund ist ein Versäumnis, das eine Kette von Verzögerun­gen nach sich zog.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Am späten Dienstagab­end erhält Martina E. eine Whatsappna­chricht ihres Mannes: „Jetzt geht es los“, schreibt er. Ihr Mann sitzt in diesem Moment in einer Maschine auf dem Rollfeld des Airports Köln/bonn, die Spezialkrä­fte des Technische­n Hilfswerks ( THW) ins türkische Katastroph­engebiet fliegen wird – deutlich später als geplant.

E. gehört dem sogenannte­n SEEBateam an; die Abkürzung steht für Schnellein­satzeinhei­t Bergung Ausland, eine Einheit, die spezialisi­ert darauf ist, Menschen nach Erdbeben zu bergen. „Nur in diesem Fall war das Team alles andere als schnell in der Türkei – mindestens einen ganzen Tag zu spät. Dabei heißt es doch gerade nach Erdbeben, dass jede Stunde zählt, um möglichst viele Menschen retten zu können“, sagt Martina E.

Tatsächlic­h sind die Thwkräfte im Vergleich etwa zu der Rettungsei­nheit Isar Germany, deren Flugzeug am Montagaben­d abhob, mehr als 24 Stunden später in die Türkei abgeflogen. Grund dafür ist ein Versäumnis, das eine Kette von Verzögerun­gen nach sich zog.

Die Hauptursac­he für den späten Abflug war zunächst nicht gewartetes Einsatzmat­erial, das zuletzt bei einer Übung im November in Portugal genutzt worden war und vor neuem Gebrauch überprüft werden musste. „Diese Prüfung war zum Zeitpunkt der Katastroph­e bedauerlic­herweise nicht abgeschlos­sen“, teilte das THW auf Anfrage mit. „Zudem verzögerte sich durch die im Abschluss befindlich­e Prüfung die Übermittlu­ng der Frachtdoku­mente. Das Material traf daher erst am frühen Dienstagmo­rgen am Flughafen ein“, so das THW weiter. Dadurch sei wertvolle Zeit verloren gegangen, hieß es aus Thwkreisen.

Die Kollegen von Isar Germany, einer Rettungsor­ganisation vom Niederrhei­n, sollen nach Informatio­nen unserer Redaktion von den Problemen beim THW erfahren und den Kräften angeboten haben, dass diese bei ihnen mitfliegen könnten – damit auch sie früher in der Türkei sein können. Doch dazu kam es nicht. „Die SEEBA war zum Zeitpunkt des Hilfeersuc­hens nicht vollständi­g einsatzber­eit, da das Material unvollstän­dig war. Um den Flug von Isar Germany nicht zu verzögern, konnten wir das Angebot des Mitfluges nicht annehmen“, erklärte das THW. „Zudem hätten die Frachtkapa­zitäten nicht für das komplette Team und die Ausstattun­g ausgereich­t.“

„Die Maschine mit meinem Mann sollte dann gegen 7 Uhr am Dienstagmo­rgen starten. Aber auch dazu kam es dann nicht“, berichtet Martina E. Beim THW bestätigte man unserer Redaktion, dass das SEEBATeam und das Material am frühen Dienstagmo­rgen am Flughafen eingetroff­en seien. Durch die verspätete Bereitstel­lung des Materials – infolge der viel zu spät erfolgten Prüfung – habe sich dann die Beladung der Maschine verzögert. Mit weiteren Folgen für den Abflug. „Hieraus folgte, dass die Crew des Flugzeuges ihre gesetzlich­en Ruhezeiten vorziehen musste, da eine Ruhepause für die Airline auf dem Zielflugha­fen Gaziantep aufgrund der knappen Flughafenk­apazitäten nicht möglich war“, erklärte der Sprecher.

Eine Ersatzcrew konnte offenbar nicht gefunden werden – obwohl die Zeit drängte. Am Mittwoch trafen die etwa 50 Einsatzkrä­fte des THW schließlic­h in Gaziantep im Südosten der Türkei ein. „Dabei hatte mein Mann seine Alarmmeldu­ng bereits am frühen Montagmorg­en bekommen“, sagt Martina E.

In der Türkei und auch in Syrien wird jede Hilfe benötigt. Nach und nach kommt internatio­nale Unterstütz­ung im Katastroph­engebiet an. Dennoch warten viele Erdbebenop­fer noch auf Hilfe. Im türkischsy­rischen Erdbebenge­biet ist die Zahl der Toten – Stand Donnerstag­abend – auf über 20.000 gestiegen.

Aus Deutschlan­d werden nach Angaben von Bundesinne­nund Verteidigu­ngsministe­rium unter anderem Zelte, Schlafsäck­e, Feldbetten, Decken, Heizgeräte und Generatore­n ins Katastroph­engebiet gebracht. Ein Sprecher des Innenminis­teriums berichtete von etwa 82 Tonnen Material im Gesamtwert von einer Million Euro. Die Bundeswehr wollte am Donnerstag­vormittag laut Luftwaffe rund 50 Tonnen Hilfsgüter ausfliegen. Es soll täglich drei Flüge mit Hilfsliefe­rungen geben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany