Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Liefern oder nicht liefern
Während die Briten vorangehen beim Thema Kampfjets, geben sich andere Verbündete zurückhaltend.
BERLIN/DÜSSELDORF Mehr Symbolik geht kaum: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bei seinem Besuch in London am Mittwoch den Helm eines Kampfpiloten als Wunschzettel mitgebracht. Er trug die Aufschrift: „Wir haben die Freiheit. Gebt uns Flügel, um sie zu verteidigen.“Seine Reise nach Großbritannien, Paris und Brüssel diente auch maßgeblich dem Ziel, die Verbündeten von der Lieferung von Kampfjets zu überzeugen. Die Debatte im Überblick.
Wie will die Ukraine den Westen von Kampfjet-lieferungen überzeugen?
Selenskyj und seine Vertrauten begründen den Wunsch nach modernen westlichen Kampfjets damit, dass die Ukraine nicht nur auf dem Boden, sondern auch in der Luft gegen die Angreifer wirksam kämpfen können muss, um Russlands Vormarsch zu stoppen oder zurückzudrängen.
Welche taktischen Überlegungen könnten dahinter stecken?
Die Debatte über weitere Waffenlieferungen und speziell über Kampfjets und Raketen mit mehr Reichweite hat sich verschärft, seit Putins Truppen in der Ostukraine-angriffe auf ukrainische Stellungen verstärkten und Geländegewinne erzielen konnten. Für das Frühjahr wird eine neue russische Offensive erwartet. Die Ukraine plant ebenfalls eine Offensive, um die russischen Truppen aus den besetzten Gebieten zurückzudrängen.
Welche Kampfjets fordert die Ukraine?
Bislang fliegt die ukrainische Luftwaffe russische Mig- und SuchoiKampfjets. Sie sollen durch modernere, westliche Jets ersetzt werden. Kiew gibt sich dabei nicht wählerisch. Als direkte Reaktion auf die Lieferung von Leopard-kampfpanzern hatte der stellvertretende Außenminister Andrij Melnyk – vormals Botschafter in Deutschland – eine ganze Reihe an westlichen Jets gefordert und auch von Deutschland genutzte Eurofighter und Tornados genannt. Tatsächlich dürfte die Ukraine aber nach Ansicht von Experten die F-16 präferieren, die nicht nur in der Nato weit verbreitet sind.
Welche anderen Vorteile hätten die F-16-jets?
Laut Statistik sollen bislang mehr als 4500 F-16 hergestellt und an mehr als 20 Länder verkauft worden sein. Entsprechend sind viele Ersatzteile verfügbar. Zudem rüsten mehrere Staaten ihre Streitkräfte sukzessive mit neueren Modellen aus, weswegen F-16-bestände zu haben sein könnten. Daneben gilt die F-16 als verhältnismäßig einfach zu fliegen, das dürfte das Training beschleunigen.
Wie viele Flugzeuge wünscht sich die Ukraine vom Westen?
Ende Januar hatte der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Jurij Ihnat, in einem Interview gesagt, dass man bis zu fünf taktische Flugzeugbrigaden mit einem einzigen westlichen Mehrzweckflugzeugtyp aufstellen wolle. Nach Angaben von Militärexperten entspricht das rund 150 Kampfjets.
Wie ist die offizielle Haltung der westlichen Verbündeten dazu?
Bisher stehen Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius (beide SPD) der Lieferung von Kampfjets an die Ukraine skeptisch bis ablehnend gegenüber. Die Niederlande und Frankreich erklärten hingegen, bei der Verstärkung der ukrainischen Luftwaffe gebe es „keine Tabus“. Und Großbritannien prüft bereits die Abgabe von Jets.
Auf wen kommt es nun an?
Anders als bei der Panzerdebatte, bei der speziell die deutschen Leopard-2-panzer gefragt waren, steht Deutschland bei der Kampfjet-frage nicht im Fokus. Da sind die USA viel entscheidender. Bislang erteilt Us-präsident Joe Biden der Lieferung von amerikanischen F-16 eine Absage. Es ist jedoch denkbar, dass die Gespräche weiter fortgeschritten sind und man dem Kreml keine Einblicke gewähren will.
Wie reagiert Russland?
Als Reaktion auf die westlichen Militärhilfen hat Ex-kremlchef Dmitri Medwedew „den Bau und die Modernisierung Tausender Panzer“in Aussicht gestellt. „Wie Sie wissen, hat unser Gegner gestern im Ausland um Flugzeuge, Raketen und Panzer gebettelt“, sagte Medwedew am Donnerstag beim Besuch einer Rüstungsfirma in der sibirischen Stadt Omsk zur Begründung.