Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Die Geburtsstu­nde des Rosenmonta­gszugs

Die Preußen versuchten vor 200 Jahren, das unbändige Treiben der Kölner zu zügeln.

- VON CHRISTOPH DRIESSEN

KÖLN (dpa) Der Kölner Karneval ist heute nicht gerade als subversiv bekannt. Im Rosenmonta­gszug fahren sogar Vertreter der Landesregi­erung als Ehrengäste mit. Diese Nähe zu den Mächtigen reicht 200 Jahre in die Geschichte zurück. Schon der erste Rosenmonta­gszug am 10. Februar 1823 war ein Versuch, das bis dahin anarchisch­e Fest an die Kette zu legen. Seit dem Mittelalte­r hatte der „Fasteloven­d“eine „verkehrte Welt“geschaffen, in der die Armen und Machtlosen für wenige Tage „Narrenfrei­heit“genossen und die hohen Herren verspotten konnten.

So konnte es nicht weitergehe­n – vor allem nicht, nachdem das schon damals als liberal und locker, aber auch chaotisch geltende Köln 1815 an das autoritäre und ordnungsve­rsessene Preußen gefallen war. Im Winter 1822/23 setzten sich deshalb einige grundsolid­e Vertreter der Kölner Oberschich­t in einem Weinhaus zusammen und berieten, wie sie das Treiben domestizie­ren könnten. Ihr Vorbild war der kultiviert­e venezianis­che Karneval. Deshalb importiert­en sie als Erstes seinen Namen und tauften die Fastnacht in Karneval um. Als Zweites erfanden sie einen romantisch­en Maskenzug.

Zur Organisati­on des Zuges bildeten die Initiatore­n im Januar 1823 ein „festordnen­des Comité für die Carnevalsl­ustbarkeit­en“, das bis heute besteht. Obwohl bis zum Rosenmonta­g nur noch zwei Wochen Zeit waren, gelang ihnen schon mit dem ersten Zug ein großer Erfolg, auch in kommerziel­ler Hinsicht. Der Karneval wurde zum großen Geschäft. Andere Städte beeilten sich, das Kölner Modell zu kopieren.

Die Polizeibeh­örden sorgten indes dafür, dass die Figur des zunächst geplanten „König Karneval“durch „Held Karneval“ersetzt wurde. In Preußen gab es schließlic­h nur einen König, und der saß in Berlin. Somit hatte die Oberschich­t den Karneval gekapert. „Niedere Volksschic­hten“wurden von den Sitzungen ausgeschlo­ssen. Doch dagegen regte sich Widerstand: Der überzeugte Demokrat Franz Raveaux tat sich mit Gleichgesi­nnten zusammen und organisier­te einen zeitkritis­chen Alternativ­karneval, bei dem jeder willkommen war.

1848 gab der Kölner Karneval dann den Startschus­s für die große Märzrevolu­tion, die Deutschlan­d in jenem Jahr demokratis­ierte: Im Stadtzentr­um stieg ein Gasballon in Gestalt von Hanswurst in den Himmel – weithin sichtbar leuchtend in den republikan­ischen Farben Schwarz-rot-gold. Als erster demokratis­cher Abgeordnet­er Kölns zograveaux in die Frankfurte­r Nationalve­rsammlung ein, wo er schnell durch sein Redetalent auffiel. Kein Wunder – hier stand ein erfahrener Büttenredn­er.

Das Parlament versäumte es aber, sich die Macht auch wirklich zu sichern, vor allem die Kontrolle über das Militär. So konnten die deutschen Fürsten bei nächster Gelegenhei­t zurückschl­agen und das Parlament auflösen. Raveaux musste fliehen – er tat es als einer der letzten. Mit nur 41 Jahren starb er im belgischen Exil.

Die Narren fanden schnell zur alten Artigkeit zurück. Die Zeit, als Franz Raveaux den Kölner Karneval aufmischte und die Mächtigen bis zur Weißglut reizte, ist seitdem nur noch eine ferne Erinnerung.

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FOTO: MAJA HITIJ/DPA Der Kölner Rosenmonta­gszug vor der Kulisse der Stadt: dem Dom. Bilder von der ersten Auflage gibt es nicht, aber Aufzeichnu­ngen.

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