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Innere Werte

An diesem Freitag beginnt in New York die Fashion Week. Dort zeigen Modestars ihre Entwürfe. Vielen Designern ist inzwischen aber Nachhaltig­keit wichtiger als die große Show – wie der Deutschen Janina Klahold, die im Big Apple lebt.

- VON CHRISTINA HORSTEN

NEW YORK (dpa) Noch nicht einmal 1000 Einwohner hat das Heimatdorf von Janina Klahold, aber ein Theater – die Freilichtb­ühne Bökendorf. „Bei der Freilichtb­ühne habe ich angefangen, Kostüme zu machen. Ich habe mir das alles erstmal selbst beigebrach­t“, sagt die inzwischen 30-Jährige aus Bökendorf, das zu Brakel in Nordrhein-westfalen gehört. Damals war sie noch in der Schule, aber interessie­rte sich schon sehr für Stoffe, Nähen und Design – und weil sie sehr groß ist, habe sie sich auch damals schon gerne selbst passende Kleidungss­tücke genäht, sagt Klahold.

Heute lebt sie in New York, einer Metropole mit mehr als acht Millionen Menschen, und näht immer noch für sich selbst – aber vor allem für die Kunden ihres im Jahr 2018 gegründete­n Modelabels „blk top kope“. Der Name steht für „blacktop“, die urbane Asphaltobe­rfläche, auf der Leben und Sport der Stadt stattfinde­n. Und für „Kaleidosko­p“– weil ihre Kleidung bunt sei und die Menschen, für die sie sie mache, divers, sagt Klahold: „Weil wir alle so unterschie­dlich sind und verschiede­ne Leben führen und trotzdem zusammenfi­nden wie ein Kaleidosko­p.“

New York gehört zu den Hauptstädt­en der Modewelt. Zweimal im Jahr findet die Fashion Week statt, an der auch Klahold mit ihren Entwürfen schon einmal teilgenomm­en hat. Dabei ist ihr aber auch klar geworden: Wichtiger als die große Bühne sind ihr für ihr Business eigentlich die eigenen Werte: Sie macht „Athleisure“, inspiriert von Sportkleid­ung, aber für den alltäglich­en Gebrauch, hohe Qualität, aber gemütlich. T-shirts, Kapuzenpul­lover, Hosen, die Teile kosten umgerechne­t zwischen 40 und 150 Euro. Alle ihre Stücke sind geschlecht­sneutral – und vor allem nachhaltig hergestell­t.

Die Designerin bestellt ihre Stoffe in Kanada, wo sie auf ressourcen­schonende Weise hergestell­t würden, und schneidert dann jedes Stück nach Bestellung per Hand. Stoffreste spendet sie an Fabscrab, ein Unternehme­n, das gegen Mode-müll kämpft. Denn allein in New York werden den Behörden zufolge jedes Jahr rund 180.000 Tonnen Kleidungss­tücke und Stoffreste weggeschmi­ssen – und auch wenn sich viele Modemarken offiziell umweltscho­nenden Zielen verschrieb­en haben, ist es Experten zufolge bis zu deren weltweiter Umsetzung noch ein weiter Weg.

Das Schneider-handwerk hat Klahold noch in Deutschlan­d beim Modeuntern­ehmen Gerry Weber gelernt. Den Abschluss ihrer Ausbildung machte sie 2015 als Landesbest­e und wurde dafür vom Deutschen Industrie- und Handelskam­mertag ausgezeich­net. Das damit verbundene Stipendium ermöglicht­e ihr 2016 den Start in New York, wo sie seit einem Au-pair-jahr in der Nähe unbedingt hinwollte und wo sie erstmal noch ein Modemanage­ment- und Merchandis­ing-studium draufsetzt­e.

New York beeinfluss­e ihre Mode– und sie, sagt Klahold. „Ich merke, dass ich mich hier mehr entfalten kann.“Aus Deutschlan­d und auch von ihrer Familie, in der niemand in der Modebranch­e tätig sei, sei immer viel Kritik und auch Unverständ­nis gekommen, und das habe sie sich immer sehr zu Herzen genommen. „Und hier ist das so, dass ich diese Kritik halt nicht immer ständig höre, und dadurch vielleicht so ein bisschen in eine Richtung gegangen bin, in die ich in Deutschlan­d nicht gegangen wäre. Das hilft mir mehr, ich selber zu sein.“

Nach dem Studium arbeitete sie erstmal frei, bevor sie sich 2018 mit ihrem Label selbststän­dig machte. Noch verkauft Klahold alles online, für die Zukunft könnte sie sich aber auch einen Laden vorstellen. Ihren Traum unterstütz­t sie derzeit noch mit einem für New York sehr typischen Nebenjob: Dogwalkeri­n, also mit den Hunden anderer Menschen spazieren gehen.

Noch schneidert Klahold alles selbst in ihrer Wohnung im Stadtteil Brooklyn, die sie sich mit ihrem Mann, mehreren Nähmaschin­en und Dutzenden Stoffrolle­n teilt. Auch einen Teil des Kleidersch­ranks teilt sie sich mit ihrem Mann – denn die beiden sind in etwa gleich groß, und die von ihr genähten Stücke schließlic­h geschlecht­sneutral.

Etwa eineinhalb Stunden brauche sie, um ein T-shirt zu schneidern, sagt Klahold. Andere Stücke dauern etwas länger. „Trends interessie­ren mich persönlich nicht. Als Marke muss ich natürlich schon drauf achten, aber ich würde jetzt nichts nur machen, weil es ein Trend ist.“Ein paar Sachen über die Wünsche ihrer Kunden habe sie in den ersten Jahren ihres Labels nun aber schon gelernt, sagt Klahold: „Ich kaufe mehr Schwarz und Weiß bei den Stoffen als bunte Farben, weil ich habe gelernt, Farben ziehen Leute an – und dann kaufen sie am Ende doch Schwarz.“

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FOTO: PRIVAT/JANINA KLAHOLD/DPA Die deutsche Mode-schneideri­n Janina Klahold arbeitet an einer Kreation in ihrem Atelier in New York.

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