Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Inflation am Scheitelpunkt
Im Januar hat die Teuerungsrate gegenüber Dezember noch einmal leicht angezogen. Laut Experten dürfte nun ein gegenläufiger Trend einsetzen. Dafür sorgen die Entspannung bei den Energiepreisen und statistische Effekte.
FRANKFURT Aktuell müssen die Statistiker in Wiesbaden gewiss keine Vergnügungssteuer bezahlen. Weil sie daran arbeiten, die Berechnung der Inflation turnusgemäß auf eine neue Basis zu stellen, hat sich die Veröffentlichung der Januar-daten um eine Woche verzögert. Erste Schätzungen sind im derzeitigen Umfeld mit allerlei Unsicherheiten verbunden. Als Ergebnis stehen 8,7 Prozent. Damit ist die Inflation auch im Januar stark gestiegen. Gegenüber ihrem Dezember-wert liegt sie rund ein Prozent höher.
Vor allem für Energie müssen die Deutschen deutlich tiefer in die Tasche greifen als noch vor einem Jahr. Doch auch der Einkauf im Supermarkt ist kostspielig. Immerhin: Nun könnte der Gipfel der Inflation erreicht sein. „Die positive Botschaft lautet: Die Inflation steigt nicht viel weiter – und sie wird in den kommenden Monaten auch deutlich fallen“, sagte Ökonom Friedrich Heinemann vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung unserer Redaktion.
Der Anstieg im Januar dürfte auch damit zusammenhängen, dass im Dezember die einmalige Übernahme der Abschlagszahlung für Gasund Fernwärmekunden durch den Staat den Inflationsanstieg gebremst hatte. Das war im Januar nicht mehr der Fall. Allerdings sind die Zahlen und deren Interpretation noch mit Unsicherheit verbunden, weil die Details noch nicht bekannt sind. Zudem haben die Statistiker zu Beginn des Jahres die Grundlage der Berechnung der Inflation modifiziert – ein Prozess, der alle paar Jahre stattfindet, um mögliche Veränderungen abbilden zu können.
Von diesen Unschärfen abgesehen dürfte die Inflation nun wieder sinken. Und auch das hat statistische Gründe. Denn die Teuerung ergibt sich im Vergleich mit dem Vorjahresmonat. Und da waren ab Februar
INFO die Preise in Folge der Spannungen mit Russland – und dann natürlich nach Kriegsausbruch – stark in die Höhe geschnellt. Demgegenüber fällt dann die Steigerung in diesem Jahr nicht mehr so extrem aus. Hinzu kommt die Energiepreisbremse, die ab März gilt, dann aber rückwirkend ab Januar. Sie dürfte die Inflation ebenso dämpfen wie das kommende 49-Euro-ticket.
Allerdings bleiben die Preise allgemein hoch, und die Inflation wird mit diesen Effekten und Maßnahmen nicht verschwinden. Auch angesichts vermutlich sinkender Inflationsraten gibt es daher nach Ansicht der meisten Fachleute keine Entwarnung. Friedrich Heinemann: „Es gibt immer noch viel Unternehmen, die ihre Kostensteigerung noch nicht komplett weitergegeben haben. Zudem ist die große Frage, was die Tarifparteien jetzt machen.“Um den inflationären Kaufkraftverlust auszugleichen, fordern Arbeitnehmer und Gewerkschaften relativ kräftige Lohnerhöhungen. Diese könnten wiederum zu höheren Preisen führen.
In diesem Zusammenhang hat der Vize-chef der Europäischen Zentralbank, Luisd e Guindos, in einem Interview vor einer Lohn-preis-spirale gewarnt. Dabei schrauben sich steigende Löhne und steigende Preise gegenseitig in die Höhe – mit negativen Folgen für die Wirtschaft. Sebastian Dullien, Chef des Düsseldorfer Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-böcklerStiftung, sieht derzeit kein Risiko einer Lohn-preis-spirale: „Es kommt nicht auf die Forderungen an, sondern auf das Endergebnis. Und dann darf man nicht nur auf einzelne Branchen schauen, sondern muss sich das gesamtwirtschaftliche Bild anschauen. Und da ist in Deutschland nicht zu erkennen, dass die Löhne so beschleunigen, dass das stabilitätsgefährdend wäre“, sagte Dullien unserer Redaktion.