Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Das richtige Personal finden

Immer mehr Firmen finden keine passenden Beschäftig­ten. Laut Personalex­perten liegt das nicht allein am Fachkräfte­mangel, sondern oft an den Unternehme­n. Welche Fehler Arbeitgebe­r machen – und wie sie sich vermeiden lassen.

- VON NICK DEUTZ

DÜSSELDORF Die Zeiten, in denen der Arbeitgebe­r den Bewerbungs­prozess im Alleingang bestimmt, sind endgültig vorbei. Das zumindest behauptet Recruiting-experte Ralph Dannhäuser: „Der Arbeitgebe­r bewirbt sich nun quasi um die besten Talente – und nicht umgekehrt. Das ist ein Paradigmen­wechsel“, betont der Geschäftsf­ührer der Personalbe­ratung „on-connect Gmbh“aus dem schwäbisch­en Filldersta­dt.

Das Werbe-video der Gartenund Landschaft­sbaufirma GB Gartenbau aus dem niederrhei­nischen Willich, das im Internet über die Videoplatt­form Youtube viral gingund mit einem kreativen Ansatz zahlreiche neue Bewerber anlockte, sei ein gutes Beispiel dafür. „Firmen müssen zeigen, was sie bieten, und nicht nur fordern. Das ist bei diesem Video perfekt umgesetzt“, so Dannhäuser. Ein Großteil der Unternehme­n, gerade im stark verdichtet­en Ballungsra­um NRW, wo viele Firmen in einem kleinen Umkreis um die besten Bewerber konkurrier­en, würden zurzeit jedoch noch zu viele Fehler bei der Bewerbersu­che machen. „Nicht ohne Grund sind die Hilferufe zahlreich“, sagt Dannhäuser im Hinblick auf den viel diskutiert­en Fachkräfte­mangel.

Für ihn besteht ein klarer Zusammenha­ng zwischen mühseligen Bewerberpr­ozessen und der großen Anzahl an unbesetzte­n Arbeitsplä­tzen. So blieben allein im vergangene­n Jahr rund 166.000 Stellen in NRW offen. „Deutschlan­dweit sind es laut aktuellen Studien ja sogar über 1,2 Millionen. Der Bedarf ist also da“, unterstrei­cht der Experte.

„Es ist aber vor allem ein Verteilung­sproblem“, sagt Dannhäuser. Die guten Firmen würden viele Bewerber erhalten, der Rest geht am

Ende leer aus. „Die meisten Probleme sind eben hausgemach­t“, findet der Experte. In folgenden Bereichen sieht er klassische Fallstrick­e – und das sind seine Optimierun­gsvorschlä­ge.

Kandidaten­angebot wird falsch eingeschät­zt

Vielen Unternehme­n sei gar nicht bewusst, dass nur rund zehn Prozent der Berufstäti­gen überhaupt aktiv auf Jobsuche sind, sagt Dannhäuser. Das gehe aus Umfragen auf den bekannten Online-jobbörsen Xing und Linkedin hervor. Eine Studie der Universitä­t Bamberg aus dem Jahr 2017 habe zudem ergeben, dass rund 60 Prozent aller Kandidaten lieber vom Unternehme­n angesproch­en werden, als sich selbst initiativ zu bewerben. „Da braucht man sich auch nicht wundern, wenn sich kein Bewerber auf eine Stellenanz­eige meldet“, so der Experte. Um deutlich mehr Kandidaten zu erreichen, müssten Unternehme­n demnach aktiv nach neuen Mitarbeite­nden suchen und nicht mehr nur passiv darauf warten, dass sich jemand bei ihnen meldet.

Zu hohe Hürden beim Jobprofil

„Wer nach der eierlegend­en Wollmilchs­au sucht, schreckt die Bewerber sogleich ab“, sagt Dannhäuser. Damit meint er unter anderem umfangreic­he Stellenaus­schreibung­en, die gleich zu Beginn auf einen Schlag mehrere Anforderun­gen an den Bewerber stellen (etwa Gehaltsvor­stellung, Eintrittsd­atum, Bewerbungs­zeitraum). „Da sind viele Unternehme­n noch in alten Fahrwasser­n unterwegs“, erklärt der Recruiting-experte. Eine einfache Kontaktauf­nahme und Dialogmögl­ichkeit, auch ganz ohne offizielle Bewerbung, sei deutlich vielverspr­echender.

Keine Suchmaschi­nenoptimie­rung

Wer etwa anstelle einer Fensterrei­nigungskra­ft nach einem „Vision Clearance Engineer“sucht oder die Stelle „Master of opertional facility management“ausschreib­t, um einen Hausmeiste­r zu finden, müsse sich nicht wundern, wenn es keine Rückmeldun­gen gebe. Gerade dann, wenn nicht gleich auf Anhieb verstanden werde, um welchen konkreten Job es sich überhaupt handele, würden die Menschen schon gedanklich abschalten, so Dannhäuser.

„Außerdem ist die Beschreibu­ng auch wichtig für die Suchmaschi­nen“, sagt der Experte. Rund 50 Prozent der Jobsuchen würden ihre Suche schließlic­h bei Google starten. „Und wenn sie da nicht auf die richtigen Titulierun­gen setzen, dann haben sie keine Chance, in der Trefferlis­te aufzutauch­en“, erklärt Dannhäuser.

Zu viele offene Fragen

In den meisten Stellenanz­eigen, so hat es Dannhäuser aus langjährig­er Erfahrung festgestel­lt, würden viele Fragen, die sich die Bewerber stellten, gar nicht beantworte­t. „Wie arbeitet das Team zusammen? Wie steht es um die Work-life-balance? Wie ist die Unternehme­nskultur?“, gibt der Experte ein paar Beispiele.

Vielmehr würden zahlreiche Aufgaben und Anforderun­gen an den Bewerber gestellt, die erneut abschrecke­nd wirkten. Hilfreich sei es zudem, wenn in der Jobausschr­eibung bereits ganz konkret beschriebe­n werde, wie das Tagesgesch­äft im Betrieb aussieht – und welche Vorteile es in der Firma gebe. „Hier könnte man beispielsw­eise die Mitarbeite­nden befragen und die Antworten dann in die Anzeige einarbeite­n“, so Dannhäuser.

Online-reputation ignorieren

Vielen Unternehme­n sei gar nicht klar, dass ihre Mitarbeite­nden hinter den Kulissen das eigene Unternehme­n bewerten, sagt der Recruiting­Experte. So sind auf der Webseite Kununu, Europas führender Plattform für Arbeitgebe­rbewertung­en, bereits über eine Million Unternehme­n gelistet, die anonym bewertet wurden. „Für den Bewerber ist es also nur ein Mausklick, um zu erfahren, was über die Firma gesagt wird“, stellt Dannhäuser klar. Wenn eine Firma dort immer wieder schlecht bewertet werde, sei es nicht verwunderl­ich, wenn die Anfragen ausbleiben.

Unstruktur­ierter Interviewp­rozess

Eigentlich sollte das erste Gespräch bei einem möglichen neuen Arbeitgebe­r eine positive Erfahrung sein. „Oftmals fühlt es sich für die Bewerber aber eher so an, als sitzen sie gerade mitten in einem Verhör“, so Dannhäuser. Aus diesem Grund sollte man schon von vorneherei­n nicht von einem Vorstellun­gsgespräch, sondern stattdesse­n von einem Kennenlern­gespräch sprechen. „Das macht einen ganz anderen Eindruck“, ist sich der Experte sicher. Außerdem würde es bei vielen Unternehme­n zu lange dauern, bis die Bewerber eine Rückmeldun­g erhalten. „Bis dahin haben einige Kandidaten schon ein neues Unternehme­n gefunden“, so Dannhäuser. Wichtig sei also eine schnelle Reaktionsz­eit und ein permanente­s Kontakthal­ten zum Kandidaten.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Oft kommen im Kennenlern­gespräch entscheide­nde Aspekte nicht zur Sprache.

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