Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Ganz nebenbei die Welt retten

Drei Männer zwischen 55 und 65 wollen gründen – mit Ideen, die dem Klima zugutekomm­en.

- VON JANA MARQUARDT

HEIDELBERG/MÜNCHEN Als Tayyar Bayrakci 40 Jahre alt wird, wagt er einen Neuanfang. Der Bootsbaume­ister schreibt sich für ein Elektrotec­hnik-studium an der Hochschule München ein, sein Schwerpunk­t liegt ab sofort auf erneuerbar­en Energien. Ein Thema, das ihm offenbar liegt: Für seine Bachelorar­beit tüftelt er an rotierende­n Strömungen in Rohren und entwickelt ein Verfahren, mit dem man verschmutz­tes Wasser reinigen kann – ein Prozess, der sonst mit hohen Kosten und viel Aufwand verbunden ist.

Kurz gesagt hat Bayrakci dafür ein Rohr entworfen, das innen so geriffelt ist, dass ein Unterdruck entsteht und kleine Partikel wie Mikroplast­ik nach außen fliegen. „Wenn man Wasser hineinschü­ttet, kommt es unten gesäubert wieder heraus“, sagt er. Die Technik kann dabei helfen, Meerwasser zu entsalzen – und die Kosten dafür laut Bayrakci um rund 25 Prozent senken. Außerdem ist es dadurch möglich, Kühlwasser in Industriea­nlagen aufzuberei­ten, Abwasser in Kläranlage­n zu behandeln und Trinkwasse­r zu gewinnen.

Inzwischen ist der Münchner 55 Jahre alt, hat zwölf Jahre an seiner Idee gefeilt und möchte sie nun endlich vermarkten. Lange hatte er große Schwierigk­eiten damit. Professore­n, die sich mit Fluid-mechanik beschäftig­ten, hörten ihn zwar an, aber waren nicht überzeugt, Gutachter hätten ihn nicht „für voll“genommen, wie Bayrakci sagt. Bis die Bundesagen­tur für Sprunginno­vationen auf ihn aufmerksam wird. Sie fördert im Auftrag des Bundesbild­ungs- und -wirtschaft­sministeri­ums innovative Technologi­en und hilft dabei, seine Forschungs­idee weiterzuen­twickeln. Doch sein Unternehme­n finanziere­n kann sie nicht. Deshalb ist Bayrakci auf der Suche nach Investoren. Er braucht zwei Millionen Euro, dann will er eine Gmbh, die Cy Fract Gmbh, gründen, vier Mitarbeite­nde einstellen und seine Geschäftsi­dee an große Unternehme­n herantrage­n.

Große Hoffnungen setzt der 55-Jährige auf die 2021 gegründete Initiative Circular Valley aus

Wuppertal, deren Accelerato­r-programm er gerade durchläuft. Accelerato­r heißt auf Deutsch „Beschleuni­ger“– und genau das ist auch das Ziel des Programms: Es soll das Wachstum einer bereits bestehende­n Geschäftsi­dee beschleuni­gen. Circular Valley hat sich der Kreislaufw­irtschaft verschrieb­en und 14 passende Start-ups aus Hunderten Bewerbunge­n für ihr viertes Förderprog­ramm ausgewählt, darunter auch Cy Fract von Bayrakci. Bis Ende März besucht er mit den anderen Gründern verschiede­ne Workshops und Coachings. Am letzten Tag, dem sogenannte­n Demo Day, sollen alle ihre Idee vor großem Publikum vorstellen.

Bayrakci nutzt die Zeit auch, um sich mit anderen Gründern in spe auszutausc­hen. Mit Daniel Vuynovich, 65 Jahre alt, und Andreas Birkel, 59, versteht er sich besonders gut. Auch sie wollen den Schritt in die Gründersze­ne wagen – mit einer Idee, die sie schon vor mehr als 20 Jahren hatten: einer Art Ebay für industriel­le Abfälle. Dort können Firmen diese für den günstigste­n Preis loswerden – im besten Fall an eine Firma, die damit etwas Neues schaffen kann. Wer zum Beispiel alte Eisenbahns­chienen anbietet, findet vielleicht jemanden, der sie dann woanders neu aufbereite­t und wiederverw­endet. So profitiere­n beide Seiten davon und die Umwelt auch.

Vuynovich und Birkel wollen eine App entwickeln und ihre alte Internetse­ite von vor 20 Jahren wieder reaktivier­en – natürlich mit moderner Aufmachung. Dafür brauchen die beiden Heidelberg­er Geld, drei bis fünf Millionen Euro, schätzt Birkel. Gerade suchen sie – wie Bayrakci auch – nach Investoren. „Derzeit sind wir schon in Gesprächen mit größeren Unternehme­n, deren Namen wir aber noch nicht nennen wollen“, sagt Birkel. Er und Vuynovich haben das Gefühl, auf einem guten Weg zu sein. Bei Circular Valley haben sie unter anderem gelernt, ihre Idee kurz und knapp darzustell­en – aber trotzdem so, dass sie Unternehme­n überzeugt. Sie hoffen, im Frühjahr gründen zu können. Vuynovich jedenfalls hat genügend Zeit für das Start-up. Der promoviert­e Geologe ist bereits in Pension.

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FOTO: J. TUREK Tayyar Bayrakci (li.) aus München hat eine Technologi­e entwickelt, mit der man Wasser reinigen kann.

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