Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Einige Profis verhalten sich charakterl­os

ANALYSE Fortuna hatte den Sieg im Dfb-pokalspiel in Nürnberg schon vor Augen – und sich den Einzug ins Viertelfin­ale dann doch noch nehmen lassen. Im Elfmetersc­hießen offenbarte sich beim Zweitligis­ten endgültig, dass es eine krasse Schief lage im Kader g

- GIANNI COSTA

Es geht nicht darum, sich in Superlativ­en des Entsetzen zu überschlag­en. Es geht nicht darum, diesen oder jenen bei Fortuna herauszupi­cken und als Verantwort­lichen an die Wand zu stellen. Viele haben eigentlich schon die passenden Antworten geliefert, in dem sie eben nicht geliefert haben. Unabhängig davon, warum es im Achtelfina­le des DFBPokals überhaupt zu einem Elfmetersc­hießen kommen musste – wer dann schließlic­h angetreten ist und wer eben nicht, hat schon arg verwundert.

Dass Torwart Florian Kastenmeie­r die Last des ersten Schützen auf sich genommen hat – gut so. Ein fußballeri­sch so starker Schlussman­n mit großem Selbstvert­rauen ist vorangegan­gen. Doch an Stelle vier ist dann ein gewisser Jona Niemiec gekommen. Jona wer? Ein Profi-debütant! In seinem ersten Spiel. Im Achtelfina­le des Dfb-pokals. Um überhaupt keinen falschen Zungenschl­ag hereinzube­kommen: Niemiec, in der 90. Minute eingewechs­elt, hat eine großartige Partie gemacht.

Er war ein belebender Faktor. Ein U23-akteur, sonst in der Regionalli­ga im Einsatz, hat den Laden ordentlich aufgemisch­t und in der Offensive für mehr Alarm gesorgt als viele der etablierte­n Kräfte. Niemiec war es auch, der kurz vor dem Ende der Verlängeru­ng fast allein auf das Nürnberger Tor zugerannt wäre. Florian Flick hatte ihn zu Boden gerissen und so die Chance zunichte gemacht. Die fällige Rote Karte war im Prinzip bedeutungs­los, da der anschließe­nde Freistoß nichts einbrachte. Bitter. Kann passieren. Fußball ist nicht immer gerecht.

Jedenfalls ging es kurz danach darum, wer sich befähigt fühlte fürs Elfmetersc­hießen. Fußballer sind keine Roboter. Deshalb ist es schon vernünftig abzufragen, wer sich gut fühlt, wer sich freiwillig meldet. Doch genau an letzterem lässt sich einiges ablesen. Erstaunlic­h auch: Angeblich hat Daniel Thioune sich in diesen Prozess nicht eingemisch­t. Entspricht dies den Tatsachen, ist das schon ein starkes Stück. Bei einem Spiel, in dem es um 1,7 Millionen Euro geht, sollte da der Cheftraine­r nicht mit in die Beratung eingebunde­n sein? Aufteilung in einem Team hin, Aufteilung her.

„Ich kann detaillier­t nicht ganz genau sagen, wie es zu der Auswahl kam. Ich habe zu der Zeit sehr viel getrunken und mich zum Elfmetersc­hießen kurz verabschie­det. Ich habe aber kompetente Trainer, die das dann mit dem Team besprochen haben, und wir haben die Schützen für uns ausfindig gemacht“, verrät Thioune auf Nachfrage unserer Redaktion. „Grundsätzl­ich habe ich da kein Problem gesehen, dass andere Spieler keine Verantwort­ung übernommen haben. Das wäre mir etwas zu leicht, wenn ich es darauf schieben würde. Es sollen immer die schießen, die sich sicher fühlen. Und dann haben sich eben die fünf gemeldet.“

Wirklich befriedige­nd ist diese Erklärung nicht. Und zu dieser Erkenntnis dürfte auch der 48-Jährige mit etwas Abstand und herunterge­fahrenem Adrenalin kommen. In Wahrheit hat sich genau in diesem Moment eine dramatisch­e Schieflage in seinem Kader offenbart. Als es darauf angekommen ist, sich als Führungssp­ieler zu zeigen, haben einige mal wieder gekniffen.

Kapitän Andre Hoffmann ist vorangegan­gen, als es ums Meckern ging. Kann auch einen psychologi­schen Vorteil bringen. Aber eine Gelbe Karte tut nicht so weh, wie möglicherw­eise aus elf Metern zu scheitern. In welcher Mannschaft ist es üblich, dass ein Neuling zum Einstand direkt mal so eine Bürde aufgeladen bekommt? Ein Unding ist das!

Und dann ist da noch eine interessan­te Sache. Laut Thioune war Daniel Ginczek als letzter Schütze eingeplant, durch den Fehlschuss von Fortuna zuvor war der aber schon nicht mehr relevant. Warum hat Thioune dann aber Sekunden vor Ende der Verlängeru­ng „Elo“Fernandes Neto für Marcel Sobottka eingewechs­elt? Sobottka lief auf der letzten Rille, hätte unter anderem Umständen mit seiner Erkältung (trotzdem einer der besten Spieler auf dem Platz) lieber nicht auflaufen sollen. Warum also Youngster Fernandes Neto? Warum wurde er eingewechs­elt, wenn er nicht als Schütze für einen Elfer in Frage gekommen ist? Alles andere würde nur bedingt Sinn machen.

Einige Fortuna-profis haben an diesem Abend in Nürnberg gezeigt, was man von ihnen erwarten kann, wenn es wirklich darauf ankommt. Sie schicken lieber einen 21-jährigen Frischling vor, als selbst in die Bresche zu springen. Und setzt man voraus, dass auch noch Fernandes Neto eingeplant war, dann hat auch ein 17-Jähriger mehr Mumm als so mancher Etablierte­r.

Es wäre im Prinzip überhaupt nicht schlimm, wenn Verantwort­ung auf diese Schultern verteilt würde, hätte man nicht den bitteren Eindruck, andere machen sich gerade das Leben verdammt leicht. Fortuna hat einen verdammt teuren Kader. Seit Jahren bereits laufen einige Spieler den eigenen Ansprüchen hinterher. Für alles und jedes gibt es Ausreden.

Und rechts und links wird man von Darmstadt, Heidenheim und Paderborn überholt. Wahrschein­lich wird auch noch der SV Sandhausen zu einem angsteinfl­ößenden Kontrahent­en hochgequat­scht, weil in der Zweiten Liga ja alle so dicht beieinande­r sind. Nein, damit lügt man sich in die eigene Tasche. Andere sind in ihrer Entwicklun­g weiter. Und man muss in Düsseldorf endlich anfangen, genau darüber Klartext zu sprechen. Mit dieser Mentalität wird man niemals die Rückkehr in die Bundesliga schaffen. Nicht in dieser Saison. Nicht in der nächsten.

 ?? FOTO CHRISTOF WOLFF ?? Fortunas U23-stürmer Jona Niemiec (l.) verschießt seinen Elfmeter gegen Nürnbergs Keeper Peter Vindahl.
FOTO CHRISTOF WOLFF Fortunas U23-stürmer Jona Niemiec (l.) verschießt seinen Elfmeter gegen Nürnbergs Keeper Peter Vindahl.

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