Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Abschied vom Idyll
Kleingärtnern an der Quadenhofstraße wurde der Pachtvertrag gekündigt. Der neue Eigentümer des Grundstücks sieht sich im Recht.
GERRESHEIM Er liegt ein wenig versteckt an der Quadenhofstraße, beginnt dort, wo der Friedhof endet, der Weg nach oben führt zum alten Jüdischen Friedhof. Dazwischen befinden sich Kleingärten, vielleicht 30 oder ein paar mehr, die keinem Verein angeschlossen sind. Es handelt sich um Grabeland, es sind also eigentlich Grundstücke, die nur leihweise zur Verfügung gestellt wurden, auf denen man zudem nicht bauen, nichts verändern darf. Aber diese Duldung gibt es halt nun schon seit vielen Jahrzehnten, die Gerresheimer Glashütte hat die Parzellen nach dem Zweiten Weltkrieg wohl ihren Mitarbeitern zur Verfügung gestellt, so erzählt man es sich zumindest unter den Pächtern. Wie das alles exakt war, das weiß heute keiner mehr so genau.
Und es gab natürlich immer wieder Pächterwechsel, Neulinge, die das Grundstück so übernommen haben, wie es ihnen übergeben wurde – also teilweise auch mit Festbauten, die ja so nie hätten gebaut werden dürfen, aber es hat ja eine Ewigkeit keinen interessiert. Nicht alle Gärten hier sind piekfein, man erkennt das ein oder andere dreckige Wellblechdach über Hecken hinweg. Aber das ist auch immer einem selbst überlassen, und es gibt ja keine Kleingartenordnung, die hier greift.
Wie dem auch sei: Der Garten von Wilfried Wiesener ist ganz anders – ein grünes Idyll, das sich terrassenartig nach oben schlängelt, alles ist sehr japanisch angehaucht, wie ein kleiner Themenpark. Unten gibt es eine Mulde für Kröten, auch eine Ringelnatter hat sich schon mal hierhin verirrt. Im Teich leistet dem mächtigen Koi eine Schleie Gesellschaft. Schirmtanne und Fächerahorn wachsen, und in der Mitte steht ein Gebäude aus Stein mit mehreren Zimmern, in denen Fremde sich schon mal verirren können. Das ist für Wiesener, seine Frau und den Hund zu einem zweiten Zuhause geworden. Nur der Gemüsegarten, der liegt brach. Hier wollten die Wieseners eigentlich Gurken, Salat, Tomaten und Zucchini anpflanzen, „aber das macht nun wohl keinen Sinn mehr“, sagt Wiesener.
Denn es hat einen Besitzerwechsel gegeben, die Gerresheimer Glas AG hat das Areal an eine ARE Gerresheim GBR verkauft, und die hat den Kleingartenpächtern die Kündigung zum 31. Dezember ausgesprochen. Damit nicht genug: Die neuen Eigentümer weisen darauf hin, dass die Grünfläche laut Pachtvertrag „ausschließlich zur vorübergehenden Nutzung als Grabeland überlassen wurde“. Dementsprechend sei die Errichtung jeglicher Bauten verboten gewesen, „und diese vertragliche Unterlassungspflicht haben sie verletzt“. Gleichzeitig werden die Kleingärtner aufgefordert, „erwähnte Aufbauten unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 15. Juni zu entfernen“. Wer dem nicht nachkomme, dem droht ARE an, das Pachtverhältnis „außerordentlich und aus wichtigem Grund“zu kündigen – also quasi sofort.
Die betroffenen Pächter wie Wilfried Wiesener sind geschockt, frustriert und fragen sich natürlich, was genau der neue Eigentümer des Grundstückes überhaupt damit vorhat, denn Baurecht gibt es für das als Grabeland ausgewiesene Grundstück nicht. Dass sich über die ARE Gerresheim GBR (Firmensitz Berliner Allee 10) im Netz zudem nichts finden lässt, wirkt zunächst einmal nicht sehr vertrauenserweckend. Allerdings sind in dem Kündigungsschreiben an die Gerresheimer
Pächter die Namen der Gesellschafter aufgeführt, und die sind ebenfalls als Geschäftsführende Gesellschafter bei Anteon Immobilien aufgeführt, einem ebenso namhaften wie deutschlandweit tätigen Beratungsunternehmen für Gewerbeimmobilien in Düsseldorf; auf der Referenzliste tauchen viele bekannte Objekte auf. Was will so ein Unternehmen also mit einem unscheinbaren Grundstück in Friedhofsnähe? Und warum gründet sie dafür extra eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts? Und überhaupt: Können die Pächter nach so langer Zeit nicht vielleicht sogar auf Bestandsschutz pochen?
Das hat sich Wilfried Wiesener natürlich ebenso gefragt, Antworten brachte aber auch eine flugs einberufene Versammlung der Betroffenen erst einmal nicht. Die kann jedoch Heiko Piekarski liefern, einer der vier Gesellschafter von ARE Gerresheim, die eben auch bei Anteon das Sagen haben. Er stellt zunächst einmal klar: „Zu rein privaten Anlagezwecken haben meine Partner und ich vor einiger Zeit die Grabelandflächen entlang der Quadenhofstraße von der Gerresheimer AG erworben – daher auch als GBR und nicht etwa über eine Projektgesellschaft mit dem Ziel einer baurechtlichen Entwicklung in absehbarer Zeit. Die geschäftlichen Aktivitäten von Anteon Immobilien als Beratungsunternehmen haben hiermit im Übrigen rein gar nichts zu tun.“
So viel scheint also schon mal klar zu sein. Darüber hinaus teilt Piekarski mit: „Leider mussten wir nach externer Rechtsberatung und Prüfung der auf den Parzellen befindlichen Aufbauten feststellen, dass bei den zahlreichen, von den Pächtern in den vergangenen Jahren errichtete Gebäuden auch unsere Verkehrssicherungspflicht betroffen ist.“Nachdem vor einigen Wochen nachts in einem Holzhaus ein Batteriebrand für einen Feuerwehreinsatz gesorgt habe, „haben wir die möglichen Risiken beurteilen lassen, die durch diese nicht zulässigen Gebäude für uns als Grundstückseigentümer entstehen können. Um nunmehr von Grund auf eine Neuordnung des Areals durchführen zu können, haben wir von unserem ordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch gemacht“.
In den Pachtverträgen sei dabei eindeutig geregelt, dass Aufbauten nicht zulässig sind und bei Beendigung der Pachtverhältnisse entfernt werden müssten. Zwar hätten die Pächter erklärt, dass die Aufbauten nicht von ihnen selbst errichtet worden seien. „Ob das stimmt, wissen wir nicht. Wenn es aber stimmen sollte, kann es ja nur so sein, dass die Pächter die Aufbauten bei Beginn der Pachtverhältnisse übernommen haben – und zwar trotz des ausdrücklichen Verbotes in den Pachtverträgen. In diesem Fall sind die Pächter zum Rückbau verpflichtet“, so Piekarski.
Die Aufbauten hätten auch keinen Bestandsschutz, weil schon deren Errichtung rechtswidrig gewesen sei, sodass es sich dabei um Schwarzbauten handeln würde, deren Entfernung verlangt werden könne, auch wenn diese jahrzehntelang faktisch geduldet worden seien.
Im Zuge der Neuordnung würden im Übrigen auch zahlreiche Bäume ersetzt, die gemäß vorliegendem Gutachten aufgrund von Schädlingsbefall abgestorben sind und angesichts der maroden Substanz bei Starkwind drohen, umzufallen. „Daher hatten wir den Pächtern aus Sicherheitsgründen mitgeteilt, dass sie einstweilen ihre Parzellen nicht oder nur eingeschränkt nutzen können“, so der Gesellschafter. Diese Maßnahmen würden in enger Abstimmung mit der Stadt sowie der Unteren Naturschutzbehörde erfolgen.
„Wie wir mit den Parzellen nach der Neuordnung umgehen werden, haben wir noch nicht entschieden. Auch eine normale Verpachtung als Grabeland in geordneter Form und ohne Aufbauten ist denkbar“, sagt Piekarski abschließend.
Das alles wird Wilfried Wiesener kaum trösten. Er wird sich wohl (wie die anderen Pächter) von seinem kleinen Paradies alsbald verabschieden müssen. Wie er das Haus auf die Schnelle abtragen soll, bleibt ihm allerdings ein Rätsel.