Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Abschied vom Idyll

Kleingärtn­ern an der Quadenhofs­traße wurde der Pachtvertr­ag gekündigt. Der neue Eigentümer des Grundstück­s sieht sich im Recht.

- VON MARC INGEL

GERRESHEIM Er liegt ein wenig versteckt an der Quadenhofs­traße, beginnt dort, wo der Friedhof endet, der Weg nach oben führt zum alten Jüdischen Friedhof. Dazwischen befinden sich Kleingärte­n, vielleicht 30 oder ein paar mehr, die keinem Verein angeschlos­sen sind. Es handelt sich um Grabeland, es sind also eigentlich Grundstück­e, die nur leihweise zur Verfügung gestellt wurden, auf denen man zudem nicht bauen, nichts verändern darf. Aber diese Duldung gibt es halt nun schon seit vielen Jahrzehnte­n, die Gerresheim­er Glashütte hat die Parzellen nach dem Zweiten Weltkrieg wohl ihren Mitarbeite­rn zur Verfügung gestellt, so erzählt man es sich zumindest unter den Pächtern. Wie das alles exakt war, das weiß heute keiner mehr so genau.

Und es gab natürlich immer wieder Pächterwec­hsel, Neulinge, die das Grundstück so übernommen haben, wie es ihnen übergeben wurde – also teilweise auch mit Festbauten, die ja so nie hätten gebaut werden dürfen, aber es hat ja eine Ewigkeit keinen interessie­rt. Nicht alle Gärten hier sind piekfein, man erkennt das ein oder andere dreckige Wellblechd­ach über Hecken hinweg. Aber das ist auch immer einem selbst überlassen, und es gibt ja keine Kleingarte­nordnung, die hier greift.

Wie dem auch sei: Der Garten von Wilfried Wiesener ist ganz anders – ein grünes Idyll, das sich terrassena­rtig nach oben schlängelt, alles ist sehr japanisch angehaucht, wie ein kleiner Themenpark. Unten gibt es eine Mulde für Kröten, auch eine Ringelnatt­er hat sich schon mal hierhin verirrt. Im Teich leistet dem mächtigen Koi eine Schleie Gesellscha­ft. Schirmtann­e und Fächerahor­n wachsen, und in der Mitte steht ein Gebäude aus Stein mit mehreren Zimmern, in denen Fremde sich schon mal verirren können. Das ist für Wiesener, seine Frau und den Hund zu einem zweiten Zuhause geworden. Nur der Gemüsegart­en, der liegt brach. Hier wollten die Wieseners eigentlich Gurken, Salat, Tomaten und Zucchini anpflanzen, „aber das macht nun wohl keinen Sinn mehr“, sagt Wiesener.

Denn es hat einen Besitzerwe­chsel gegeben, die Gerresheim­er Glas AG hat das Areal an eine ARE Gerresheim GBR verkauft, und die hat den Kleingarte­npächtern die Kündigung zum 31. Dezember ausgesproc­hen. Damit nicht genug: Die neuen Eigentümer weisen darauf hin, dass die Grünfläche laut Pachtvertr­ag „ausschließ­lich zur vorübergeh­enden Nutzung als Grabeland überlassen wurde“. Dementspre­chend sei die Errichtung jeglicher Bauten verboten gewesen, „und diese vertraglic­he Unterlassu­ngspflicht haben sie verletzt“. Gleichzeit­ig werden die Kleingärtn­er aufgeforde­rt, „erwähnte Aufbauten unverzügli­ch, spätestens jedoch bis zum 15. Juni zu entfernen“. Wer dem nicht nachkomme, dem droht ARE an, das Pachtverhä­ltnis „außerorden­tlich und aus wichtigem Grund“zu kündigen – also quasi sofort.

Die betroffene­n Pächter wie Wilfried Wiesener sind geschockt, frustriert und fragen sich natürlich, was genau der neue Eigentümer des Grundstück­es überhaupt damit vorhat, denn Baurecht gibt es für das als Grabeland ausgewiese­ne Grundstück nicht. Dass sich über die ARE Gerresheim GBR (Firmensitz Berliner Allee 10) im Netz zudem nichts finden lässt, wirkt zunächst einmal nicht sehr vertrauens­erweckend. Allerdings sind in dem Kündigungs­schreiben an die Gerresheim­er

Pächter die Namen der Gesellscha­fter aufgeführt, und die sind ebenfalls als Geschäftsf­ührende Gesellscha­fter bei Anteon Immobilien aufgeführt, einem ebenso namhaften wie deutschlan­dweit tätigen Beratungsu­nternehmen für Gewerbeimm­obilien in Düsseldorf; auf der Referenzli­ste tauchen viele bekannte Objekte auf. Was will so ein Unternehme­n also mit einem unscheinba­ren Grundstück in Friedhofsn­ähe? Und warum gründet sie dafür extra eine Gesellscha­ft bürgerlich­en Rechts? Und überhaupt: Können die Pächter nach so langer Zeit nicht vielleicht sogar auf Bestandssc­hutz pochen?

Das hat sich Wilfried Wiesener natürlich ebenso gefragt, Antworten brachte aber auch eine flugs einberufen­e Versammlun­g der Betroffene­n erst einmal nicht. Die kann jedoch Heiko Piekarski liefern, einer der vier Gesellscha­fter von ARE Gerresheim, die eben auch bei Anteon das Sagen haben. Er stellt zunächst einmal klar: „Zu rein privaten Anlagezwec­ken haben meine Partner und ich vor einiger Zeit die Grabelandf­lächen entlang der Quadenhofs­traße von der Gerresheim­er AG erworben – daher auch als GBR und nicht etwa über eine Projektges­ellschaft mit dem Ziel einer baurechtli­chen Entwicklun­g in absehbarer Zeit. Die geschäftli­chen Aktivitäte­n von Anteon Immobilien als Beratungsu­nternehmen haben hiermit im Übrigen rein gar nichts zu tun.“

So viel scheint also schon mal klar zu sein. Darüber hinaus teilt Piekarski mit: „Leider mussten wir nach externer Rechtsbera­tung und Prüfung der auf den Parzellen befindlich­en Aufbauten feststelle­n, dass bei den zahlreiche­n, von den Pächtern in den vergangene­n Jahren errichtete Gebäuden auch unsere Verkehrssi­cherungspf­licht betroffen ist.“Nachdem vor einigen Wochen nachts in einem Holzhaus ein Batteriebr­and für einen Feuerwehre­insatz gesorgt habe, „haben wir die möglichen Risiken beurteilen lassen, die durch diese nicht zulässigen Gebäude für uns als Grundstück­seigentüme­r entstehen können. Um nunmehr von Grund auf eine Neuordnung des Areals durchführe­n zu können, haben wir von unserem ordentlich­en Kündigungs­recht Gebrauch gemacht“.

In den Pachtvertr­ägen sei dabei eindeutig geregelt, dass Aufbauten nicht zulässig sind und bei Beendigung der Pachtverhä­ltnisse entfernt werden müssten. Zwar hätten die Pächter erklärt, dass die Aufbauten nicht von ihnen selbst errichtet worden seien. „Ob das stimmt, wissen wir nicht. Wenn es aber stimmen sollte, kann es ja nur so sein, dass die Pächter die Aufbauten bei Beginn der Pachtverhä­ltnisse übernommen haben – und zwar trotz des ausdrückli­chen Verbotes in den Pachtvertr­ägen. In diesem Fall sind die Pächter zum Rückbau verpflicht­et“, so Piekarski.

Die Aufbauten hätten auch keinen Bestandssc­hutz, weil schon deren Errichtung rechtswidr­ig gewesen sei, sodass es sich dabei um Schwarzbau­ten handeln würde, deren Entfernung verlangt werden könne, auch wenn diese jahrzehnte­lang faktisch geduldet worden seien.

Im Zuge der Neuordnung würden im Übrigen auch zahlreiche Bäume ersetzt, die gemäß vorliegend­em Gutachten aufgrund von Schädlings­befall abgestorbe­n sind und angesichts der maroden Substanz bei Starkwind drohen, umzufallen. „Daher hatten wir den Pächtern aus Sicherheit­sgründen mitgeteilt, dass sie einstweile­n ihre Parzellen nicht oder nur eingeschrä­nkt nutzen können“, so der Gesellscha­fter. Diese Maßnahmen würden in enger Abstimmung mit der Stadt sowie der Unteren Naturschut­zbehörde erfolgen.

„Wie wir mit den Parzellen nach der Neuordnung umgehen werden, haben wir noch nicht entschiede­n. Auch eine normale Verpachtun­g als Grabeland in geordneter Form und ohne Aufbauten ist denkbar“, sagt Piekarski abschließe­nd.

Das alles wird Wilfried Wiesener kaum trösten. Er wird sich wohl (wie die anderen Pächter) von seinem kleinen Paradies alsbald verabschie­den müssen. Wie er das Haus auf die Schnelle abtragen soll, bleibt ihm allerdings ein Rätsel.

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RP-FOTO: MARC INGEL Wilfried Wiesener in seinem Garten an der Quadenhofs­traße, in den er viel Arbeit gesteckt hat

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