Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Auf der Suche nach Oberbilks gutem Ruf
Mit historischen Fakten will ein junger Verein die Bedeutung des Stadtteils aufzeigen, der oft als Hinterhof der Stadt geschmäht wird.
OBERBILK Als ein Geschichtsverein, der das Wissen um die Vergangenheit als Voraussetzung für die Gestaltung der Zukunft sieht, präsentiert sich die Aktion Oberbilker Geschichte(n). Mit seinem gerade veröffentlichten Buch „Düsseldorfoberbilk hat es in sich“, legt der erst 2019 gegründete Verein eine Stadtteilgeschichte vor, die anhand ausgewählter Themen und Standorte entwickelt wurde. Die Autoren, Dirk Sauerborn, Dieter Sawalies, Helmut Schneider und Horst A. Wessel bearbeiten Themenschwerpunkte wie den Bertha von Suttner-platz als einstigen Stahlstandort, den Oberbilker Markt als soziales, kulturelles und politisches Zentrum, die Untere Ellerstraße als „Marokkanisches Viertel“sowie Oberbilk als „Hinterhof der Stadt?“.
Aufgrund der finanziellen Unterstützung durch das Nrw-ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, die Landeszentrale für politische Bildung, die Stiftung van Meeteren sowie die BV 3 konnte das Buch in 500 Exemplaren gedruckt werden und wurde jetzt präsentiert.
„Wir haben uns auch gefragt, woher der schlechte Ruf Oberbilks herrührt und wieso er bis heute gehalten hat“, sagte Helmut Schneider, Vorsitzender des Vereins Aktion Oberbilker Geschichte(n) und Autor. Er sieht das Engagement des Vereins nicht in einer kontemplativen Darstellung von Geschichte, die irgendwann stattgefunden hat und anschließend verstaubt, sondern in einer aktiven Haltung, die heute das Gespräch mit Menschen im Stadtteil sucht, um die Entwicklung von morgen mitzugestalten.
„Dabei haben wir in dem Buch nichts beschönigt, sondern nach bestem Wissen und Gewissen den
Stadtteil dargestellt“, ergänzte Autor Dirk Sauerborn. „Uns geht es darum den Stadtteil historisch zu erklären, und dass Düsseldorf heute nicht da wäre, wo es jetzt ist, ohne Oberbilk“, erklärte Helmut Schneider, als promovierter Geograph lange Zeit an der Heinrich Heine-universität und an der Universität Duisburg-essen tätig.
Das Negativ-image Oberbilks basiert darauf, dass Mitte des 19. Jahrhunderts eine Eisenbahnlinie durch den Stadtteil verlief, an der sich Schwerindustrie ansiedelte und die dazugehörigen Arbeiterviertel entstanden. Zuwanderung ist für Oberbilk seit mehr als 150 Jahren ein Thema und hat einen multikulturellen Stadtteil, mit Problemen, aber auch vielen Chancen, entstehen lassen.
Die Industrie ist längst verschwunden. „Die abwertende Außenwahrnehmung als „Hinterhof der Stadt“hat sich trotz vieler Entwicklungen zum Positiven hartnäckig gehalten“, konstatierte Helmut Schneider.
Ganz so viele historische Aspekte wie das St. Josef-monument vor der St. Josef-kirche, das von Bert Gerresheim geschaffen und 1990 errichtet wurde, weist „Düsseldorf-oberbilk hat es in sich!“nicht auf. Weniger Detailverliebtheit, dafür fundierte Recherche und Expertise, die sich in den vier Themenfeldern äußern, erzeugen ein rundes Bild des Stadtteils,
das sich aufgrund zahlreicher vom Verein initiierter Stadtteilführungen herauskristallisiert hat.
So sind das ehemalige Stahlwerk auf dem Areal des heutigen Bertha von Suttner-platzes hinter dem Hauptbahnhof, der Oberbilker Markt als historisches und soziales Zentrum sowie das „marokkanische Viertel“an der unteren Ellerstraße in den Fokus gerückt. „Die abwertende Bezeichnung „Maghreb-viertel“wird allerdings durch das „Maghrebmai-fest“von den Bewohnerinnen und Bewohnern mittlerweile selbst positiv besetzt“, erklärt Dirk Sauerborn, bis 2022 im Polizeidienst und zuletzt als Kontaktbeamter Interkulturelle Ansprechpartner im Polizeipräsidium
Düsseldorf und ausgewiesener Kenner von Oberbilk.
Insbesondere reißerische Boulevard-medien seien an dem Negativimage des Stadtteils nicht ganz unbeteiligt, sagte Dirk Sauerborn und führte das Beispiel einer sogenannten „Razzia“an der Ellerstraße vor Jahren an. „Dabei wurden keinesfalls mehr als 40 Personen irgendwelcher Delikte beschuldigt. Sie wurden lediglich in Gewahrsam genommen, um ihre Identität zu überprüfen, denn viele lassen ihre Papiere lieber sicher zuhause und führen nur Kopien bei sich; lediglich bei zwei Personen wurde Hehlerware gefunden, und auch die konnten wieder nach Hause“, so Dirk Sauerborn zum tatsächlichen Sachverhalt.
Die fassungslose Reaktion eines Schülers am St. Josef-monument angesichts der Ermordung des Juden Moritz Sommer in den letzten Kriegstagen durch die Nazis animierte den Verein auch, intensiv auf Schulen zuzugehen um in Verbindung mit der Stadtteilgeschichte auch das Wissen um den Holocaust zu intensivieren. „Wir haben bereits Kontakt mit dem Wim Wenders-gymnasium aufgenommen und werden noch weitere Schulen ansprechen“, so Helmut Schneider. Letztlich diene das Buch aber allen Düsseldorfern, einen hochinteressanten Stadtteil besser kennenzulernen.