Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Klinker-neubau verärgert die Nachbarn

Anwohner der Jägerei in Urdenbach sind empört über ein neues Gebäude mit anthrazitf­arbener Fassade. Dieses passe auch wegen seiner Höhe nicht zu den denkmalges­chützten Fachwerkhä­usern und in das historisch­e Straßenbil­d.

- VON BIRGIT WANNINGER FOTO: ANNE ORTHEN

URDENBACH Warum steht neben seinem mehr als 200 Jahre alten Fachwerkha­us und der ehemaligen Zimmerei ein anthrazitf­arben verklinker­ter Neubau, der überhaupt nicht ins Bild des historisch­en Urdenbachs passt? Diese Frage stellt sich Ingo Gemmer täglich mehrmals, wenn er auf den Rohbau des Nachbarhau­ses blickt. Der ist nicht bloß fast schwarz, sondern schon jetzt viel höher als die anderen Häuser und wächst stetig.

Als Gemmer mit seiner Frau Bärbel Lautner vor mehr als 30 Jahren das Haus Jägerei 16 kaufte, war der mehr als 200 Jahre alte Bau eine Ruine: modrig, morsch, kaputte Fenster und feuchte Wände. Heute ist das Haus, das damals unter Bestandssc­hutz stand und heute Denkmalsch­utz hat, ein Schmuckstü­ck. „Vier Jahre haben wir restaurier­t“, sagt Gemmer. „Und wir sind von Zimmer zu Zimmer gezogen, bis es endlich fertig war“, ergänzt seine Frau.

Neben dem Haus aus dem 18. Jahrhunder­t kaufte der Psychologe auch die Jägerei 14, eine ehemalige Zimmerei aus dem 19. Jahrhunder­t. In dem Gebäude, das unter Bestandsch­utz steht, arbeitete der letzte Zimmermann von Urdenbach, Josef Kollenberg. Teile des Hauses sind heute Praxisräum­e des Psychologe­n. Aus den Fenstern haben die Patienten freien Blick bis hin zum Kirchturm der evangelisc­hen Kirche. Noch. Ein Teil ist schon verbaut.

Auf dem Grundstück Jägerei 12 hat der inzwischen verstorben­e Heilprakti­ker Bertold Heinze 1984 ein Holzhaus gebaut, das – aus Brandschut­zgründen – rund zehn Meter zurückvers­etzt von der schmalen Straße stand. Heinze starb 2018, eine Stiftung erbte sein Vermögen und ließ das Grundstück über die Stadt veräußern.

Irgendwann gab es also neue Eigentümer, „mit denen wir, bis auf ein kurzes Treffen, nie gesprochen haben“sagt Gemmer. Dabei sei er davon ausgegange­n, dass er auch mal auf die Pläne des künftigen Nachbarhau­ses gucken dürfte. Das sei unter Nachbarn in Urdenbach üblich, „schließlic­h sind wir ja auch ein Denkmal.“

Aber es passierte erst mal gar nichts – und dann ging alles ganz schnell. Das war im November 2023. „Im Dezember wurde abgerissen“, sagt Gemmer. Da das künftige Haus nicht unterkelle­rt ist, wurde bereits im Januar die Betonplatt­e bis direkt an die schmale Straße verlegt. Mehr noch: Inzwischen steht schon die Fahrradgar­age, die direkt an Gemmers Haus klebt.

Ob das rechtens sei, fragte das Ehepaar beim Bauamt an, zumal diese Garage einen direkten Zugang zum künftigen Haus hat und dort auch nach Gemmers Angaben die zentrale Heizung steht. „Das Mauerwerk der Garage zählt nicht zum Bau des Hauses – trotz Türe zum Haus“, zitiert Gemmer die Verwaltung.

Und dann ging es nach seinen Angaben Schlag auf Schlag. Ende Januar fanden die Arbeiter Kabel, die laut Bauleitung zu Gemmers Haus gehören sollen. „Die muss der Bauherr melden“, erklärte die hinzugezog­ene Netzgesell­schaft Gemmer. Doch er habe nie wieder etwas gehört. Inzwischen sind die Kabel unter dem Beton. „Da kommt keiner mehr ran“, sagt Gemmer, der Angst hat, eines Tages plötzlich ohne Strom dazustehen. Als er endlich einen Termin beim Bauamt hatte, um Einsicht in die Pläne zu erhalten, war es Mitte Februar und das neue Haus schon fast hochgezoge­n.

Inzwischen ist es 7,96 Meter hoch, die ehemalige Zimmerei hat dagegen 6,70, das Fachwerkha­us gerade mal 5,40 Meter. „Ich weiß nicht, wie die auf die Bauhöhe kommen“, sagt Gemmer verärgert. Und die Erlaubnis für die schwarzen Klinker ist ihm auch ein Rätsel – zumal das Haus in einer Zone mit Gestaltung­ssatzung liege. „Sinn des Denkmalber­eiches ist nicht die Substanzer­haltung, wie bei einem Einzeldenk­mal, sondern die Bewahrung des für den Bereich typischen Erscheinun­gsbildes in seiner Einheitlic­hkeit. Somit liegt der Schwerpunk­t auf dem Gesamteind­ruck“, heißt es in der Satzung. „Das ist hier eindeutig nicht der Fall“, sagt Gemmer.

„Abriss oder Modernisie­rung sollen nicht unterbunde­n werden“, heißt es in der Satzung. Und weiter: „Aber die Veränderun­gen müssen sich in ihrer Größe und Maßstäblic­hkeit und in ihrer Farbgebung dem vorhandene­n Erscheinun­gsbild anpassen und dürfen die bestehende­n Denkmäler und den Gesamteind­ruck nicht beeinträch­tigen.“

Alteingese­ssene Urdenbache­r sind einhellig der Meinung, der Bau passe nicht dorthin. Von „Verschande­lung“spricht Norbert Hambloch und zeigt, dass es auch anders geht. Das Haus gegenüber, die Jägerei 11, wurde vor 20 Jahren umgebaut und erweitert. „Die Fassade ist neu, passt aber genau in die Gegend“, erklärt Hambloch.

Dem stimmt Gemmer zu, der die Welt nicht mehr versteht. Er versuche, ruhig zu bleiben, obwohl er sich über den Tisch gezogen fühlt. „Wie kann in dieser rasanten Geschwindi­gkeit hier alles gebaut und genehmigt werden“, fragt er sich – „frei nach dem Motto, so schnell wie es geht fertig werden, damit keiner Einspruch erhebt.“

Ingo Gemmer will das nicht auf sich beruhen lassen. Er hat einen Anwalt eingeschal­tet. Der hat inzwischen einen Eilantrag auf Baustopp gestellt. So lange wird wohl auch die Gaslaterne vor seinem Haus stehen bleiben. Die müsste nämlich verlegt werden: für einen Stellplatz für die Jägerei 12. Die Stadt habe das genehmigt. „Aber die Verwaltung hat wohl vergessen, dass dort eine historisch­e Gaslaterne steht“, sagt Gemmer. Die Kosten lägen seines Wissens im fünfstelli­gen Bereich.

Wieso das Haus höher als die Nachbarhäu­ser ist, warum die Fahrradgar­age direkt ans Nachbarhau­s gebaut wurde und warum der anthrazitf­arbene Klinker genehmigt wurden, darauf hat Gemmer keine Antwort. Ebenso wenig, wieso der Abstand von Haus 12 zu Haus 14 so gering ist. Fragen, die der Stadtverwa­ltung gestellt, aber nicht beantworte­t wurden. „Wegen eines laufenden Verfahrens gibt die Landeshaup­tstadt in der Sache keine Auskunft“, so ein Stadtsprec­her.

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Anwohner Ingo Gemmer hat einen Anwalt eingeschal­tet. Der hat inzwischen einen Eilantrag auf Baustopp gestellt.

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