Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Kunsthandw­erker öffneten ihre Ateliers

Drei Tage lang konnte man Kunsthandw­erkern über die Schulter schauen. Zum zweiten Mal lud die „Manufaktou­r“zu einem Entdeckung­srundgang durch mehr als 60 Ateliers, Werkstätte­n und Galerien der Stadt ein.

- VON CLAUDIA HÖTZENDORF­ER

DÜSSELDORF Manche der mehr als 60 Ateliers, Werkstätte­n und Galerien der Stadt liegen ganz versteckt in Hinterhöfe­n oder unscheinba­ren Gebäuden. Die „Manufaktou­r“hat es sich auf die Fahne geschriebe­n, sie in den Fokus der Aufmerksam­keit zu rücken. Drei Tage lang konnten Besucher bereits zum zweiten Mal einen exklusiven Blick hinter die Kulissen des Kunsthandw­erks in der Stadt werfen.

Zum Beispiel in die Werkstatt der Buchbinder­ei Mergemeier. Dort werden nicht nur alte Schätze aufwendig restaurier­t, sondern auch die ausgefalle­nsten Kundenwüns­che realisiert. Das Gebäude im Hinterhof der Luisenstra­ße 7 hat der Großvater von Freia Teetz in den 70er-jahren mit aufgebaut. Ursprüngli­ch war seine Buchbinder­ei auf der Lorettostr­aße. Doch am neuen Standort hatte sein kleines Unternehme­n mehr Platz. Auf zwei Etagen sollte sich fortan alles ums Buch drehen. „Unsere Maschinen sind schon ziemlich alt, werden aber gehegt und gepflegt“, erzählte Freia Teetz bei einem Rundgang durch die Werkstatt und verriet: „Wir haben ihnen Namen gegeben, schließlic­h gehören sie zum Team.“Reparature­n seien schwer, ergänzte die Teilhaberi­n, denn „es gibt kaum noch Ersatzteil­e und Handwerker, die sich damit auskennen“.

Die Tour führte in den ersten Stock des Gebäudes. Hier arbeitet eine Restaurato­rin an alten Handschrif­ten und stark beschädigt­en Büchern. Die müssen vor der Wiederhers­tellung aufwendig mit einem feinen Schwamm Seite für Seite vom Staub befreit werden. Für die Rekonstruk­tion zerstörter Seiten wird so genanntes Japanpapie­r verwendet. Ein gazeartige­s, extrem robustes Material, das sich dafür besonders gut eignet. Auftraggeb­er sind Kirchengem­einden oder Museen, die ihre alten Schätzchen nach der Restaurier­ung meist wieder einlagern.

Im Erdgeschos­s lassen immer häufiger Studenten ihre Abschlussa­rbeiten aufwendig binden. Buchbindem­eisterin Ulrike Meysemeyer berät die Kunden dabei in allen Detailfrag­en, die vom verwendete­n Papier, über den Einband und die Klebevaria­nten bis zu Prägungen und die Einarbeitu­ng von Lesebändch­en reichen. Ein Ehepaar entdeckte beispielsw­eise während der Pandemie auf dem Dachboden alte Briefe aus dem Deutsch-französisc­hen Krieg. „Da spielte uns die digitale Technik in die Hände“, erinnert sich Ulrike Meysemeyer, die auch Geschäftsf­ührerin des Unternehme­ns ist. Das Paar scannte die Briefe ein, entwarf ein Layout und setzte – da diese noch in Sütterlin verfasst worden waren – eine Übersetzun­g auf die jeweils gegenüberl­iegende Seite. „Für den Einband wählten wir die Musterung des Tagebuchs, in dem die Briefe eingelager­t waren“, erklärte die Buchbindem­eisterin. Das Paar ließ zehn Exemplare für die Familienmi­tglieder als Geschenk herstellen. Weniger aufwendig, aber dafür genauso interessan­t waren die Workshops, die Meysemeyer während der drei Tage für Interessie­rte anbot, bei denen Leporellos hergestell­t wurden.

Auch Anne Petrovics Atelier, das sie sich mit Kollegin Ivonne Rutz teilt, ist Teil ihrer Familienge­schichte. Die Künstlerin­nen haben ihre gemütliche Werkstatt vom „Atelier Rutz & Petrovic“im Hinterhof des Schumann-hauses an der Bilker Straße 15. Der war vor dem großen Umbau verwunsche­n grün bepflanzt. Ein wenig vom alten Charme ist geblieben, „am neuen Grün arbeiten wir noch“, erzählte Anne Petrovic. Das alte Gebäude hatte ursprüngli­ch einmal dem Fischhändl­er Maasen gehört und war ein Kutschhaus. „Im Keller haben wir sogar noch die ehemaligen Lachsaufzu­chtbecken und hier in der Werkstatt die alten Pferdeträn­ken mit ins Design einbezogen“, fuhr sie fort und zeigte auf den Bereich, der nun die Basis für Vitrinen mit den Arbeiten von Goldschmie­din Yvonne Rust ist. Darunter innovative Designs aus ehemaligen Single-sternen, die früher beim Abspielen der kleinen Platten ein Must-have waren. Nun sind sie mit Gold überzogene Schmuckstü­cke geworden. Rust arbeitet noch an einer alten Esse, die in einer Ecke der Werkstatt steht. Ihr gefällt die Idee des Upcyclings. Anne Petrovic hat ein Faible für fein gearbeitet­e Mobiles und Miniaturen mit Vogelmotiv­en. Die Liebe zum Design hat sie von ihrem Vater, der vor ihr im Atelier wirkte. Die Künstlerin­nen hatten für den Sonntag ihren Hinterhof zu einem kleinen Café umgestalte­t. Wer sie in ihrer gemütliche­n Werkstatt besucht, bekommt aber auch sonst gerne einen Espresso angeboten.

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Anne Petrovic (l.) und Ivonne Rutz in ihrem Atelier Rutz & Petrovic im Hinterhof des Schumann-hauses.

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