Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

„Servier-roboter haben mich begeistert“

Der Präsident des Gastro-branchenve­rbands über maschinell­e Kellner, Mehrwegpfa­nd und Kiffer in Biergärten.

- FOTO: KAI KITSCHENBE­RG/IMAGO MAXIMILIAN PLÜCK FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Haben Sie das Thema Mehrwertst­euersenkun­g für sich abgehakt?

ROTHKOPF Nein, im Gegenteil. Unsere Argumente haben ja auch nicht an Kraft verloren. Im Übrigen ist das keine Corona-forderung. Die Forderung nach steuerlich­er Gleichbeha­ndlung von Speisen gibt es, solange ich denken kann. Warum ist der To-go-bereich begünstigt gegenüber einem Essen im Restaurant? Wir werden genau schauen, welche Partei die Absenkung in ihr Wahlprogra­mm aufnimmt und welche nicht.

Was sind die größten Kostentrei­ber?

ROTHKOPF Ganz klar die Personalko­sten. Die sind stark gestiegen und werden in Zukunft sicherlich nicht weniger werden. Zu den Personalko­sten kommen die gestiegene­n Preise bei den Waren. Schließlic­h sind die Energiepre­ise zwar wieder etwas zurückgega­ngen, aber immer noch deutlich über Vorkrisenn­iveau. In Summe sind das für die Unternehme­n deutliche Belastunge­n.

Die Sie an die Kunden weitergebe­n?

ROTHKOPF Natürlich waren wir gezwungen, Preise zu erhöhen. Aber es gibt Grenzen, denn die Kunden sind da sehr sensibel. Die Gastronomi­e hat sich über viele Jahrzehnte nicht getraut, betriebswi­rtschaftli­ch sinnvolle Preise aufzurufen, hat sich vielmehr lange einen Unterbietu­ngswettkam­pf bis hin zur Selbstausb­eutung geliefert. Das bekommen Sie nur schwer zurückgedr­eht. Erhöhungen gibt es, aber nicht in ausreichen­der Höhe.

Profitiere­n Sie davon, dass die Menschen nach Ablenkung gieren?

ROTHKOPF Das rettet uns momentan, aber auskömmlic­he Profite wirft es nicht ab. Natürlich haben die Gäste während der Corona-durststrec­ke festgestel­lt, wie wichtig das zweite Wohnzimmer und Ausgehen ist. Die verblieben­e Gastronomi­e öffnet mittlerwei­le an weniger Tagen zu weniger Stunden. Da wird ganz spitz nachgerech­net, ob mit den Fix- und Personalko­sten es überhaupt noch Sinn macht, in der Woche aufzumache­n. In einigen ländlicher­en Regionen verlagert sich das Geschäft fast ausschließ­lich aufs Wochenende. Auch für lebenswert­e Innenstädt­e ist das ein Brandbesch­leuniger.

Was ist mit den Fachkräfte­n, die in Corona abhandenge­kommen sind?

ROTHKOPF Die nackten Zahlen sagen, dass die Beschäftig­ten nach dem Ende der Pandemie alle zurückgeko­mmen sind. Wir liegen jetzt bei rund 422.000 Beschäftig­ten und damit leicht über 2019 – aber auch vor Corona hatten wir schon zu wenig Leute. Uns macht gerade massiv zu schaffen, dass unser Sozialsyst­em Fehlanreiz­e setzt. Es muss sich deutlich stärker lohnen, überhaupt beziehungs­weise mehr zu arbeiten.

ROTHKOPF Andere Länder sind da fraglos weiter. Ich komme gerade von einer Tokio-reise zurück. Dort waren wir in einem Restaurant, in dem die Servier-roboter von Menschen mit Behinderun­g ferngesteu­ert wurden. Das hat mich total begeistert. Im Thema Inklusion steckt noch viel ungenutzte­s Potenzial für unsere Branche. Darüber hinaus spielt die Digitalisi­erung für uns eine zentrale Bedeutung. Kleine Hotels sind gezwungen, die Abläufe zu digitalisi­eren – etwa bei den Buchungsun­d

Bezahlsyst­emen, mit denen wir uns direkt an die gängigen Plattforme­n koppeln. Früher hat der Hotelier viele Dinge abends händisch ins System einpflegen müssen, etwa die Meldeschei­ne der Gäste. Das läuft heute alles automatisc­h ab und ermöglicht wieder mehr Zeit für den direkten Gästekonta­kt. Aber auch in der Gastro gibt es viele digitale Möglichkei­ten, die das betrieblic­he Leben vereinfach­en.

Viel geflucht wurde über die Mehrwegpfl­icht beim To-go-geschäft. Funktionie­rt das inzwischen?

ROTHKOPF Das Gesetz sieht nicht vor, dass es Mehrwegver­packungen in Imbissen oder Büdchen gibt. Das unterschei­det der Gast aber nicht, und er hat dann das Gefühl, dass das Mehrwegsys­tem gescheiter­t ist. Die Angebotspf­licht greift erst ab 80 Quadratmet­ern und mehr als fünf Mitarbeite­rn. Natürlich gibt es auch schwarze Schafe, die der Pflicht unterliege­n, aber keine Lust auf das System haben. Das sind aber Ausnahmen. Das eigentlich­e Problem ist am Ende: Die Gäste fragen Mehrwegbeh­ältnisse überhaupt nicht nach.

Was könnte die Politik hier tun?

ROTHKOPF Wir brauchen ein genormtes System, bei dem man den Mehrwegbec­her wie die Pfandflasc­he einfach überall abgeben kann. Wenn ich mir schon Gedanken machen muss, wo ich den Teller oder den Becher loswerde, funktionie­rt es nicht. Pilotproje­kte, die die Logistik vom Flaschenpf­and mitnutzen, zeigen, wie es gehen kann. Da wünsche ich mir mehr Tempo. Am Ende siegt wie so oft der Komfort. Mehrweg muss für Gastronome­n wie Gäste so komfortabe­l sein wie Einweg.

Wie stehen die Gastronome­n zur Cannabisle­galisierun­g?

ROTHKOPF Wir informiere­n unsere Mitglieder darüber, was geht und was nicht. Am Ende des Tages muss das dann jeder Gastronom für sich entscheide­n. Es ist völlig legitim, wenn jemand das in seinem Biergarten untersagt, wo andere es erlauben.

Digitalisi­erungsmögl­ichkeiten dürften bei Ihnen überschaub­ar sein.

Was wäre Ihre Vermutung, wie viele Gastronome­n das Kiffen bei sich im Außenberei­ch gestatten?

ROTHKOPF Ich glaube, dass die Zurückhalt­ung überwiegt und viele von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und den Konsum untersagen.

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Ist das die Zukunft der Gastronomi­e? Ein Servier-roboter in einem China-restaurant in Moers.

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