Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
„Servier-roboter haben mich begeistert“
Der Präsident des Gastro-branchenverbands über maschinelle Kellner, Mehrwegpfand und Kiffer in Biergärten.
Haben Sie das Thema Mehrwertsteuersenkung für sich abgehakt?
ROTHKOPF Nein, im Gegenteil. Unsere Argumente haben ja auch nicht an Kraft verloren. Im Übrigen ist das keine Corona-forderung. Die Forderung nach steuerlicher Gleichbehandlung von Speisen gibt es, solange ich denken kann. Warum ist der To-go-bereich begünstigt gegenüber einem Essen im Restaurant? Wir werden genau schauen, welche Partei die Absenkung in ihr Wahlprogramm aufnimmt und welche nicht.
Was sind die größten Kostentreiber?
ROTHKOPF Ganz klar die Personalkosten. Die sind stark gestiegen und werden in Zukunft sicherlich nicht weniger werden. Zu den Personalkosten kommen die gestiegenen Preise bei den Waren. Schließlich sind die Energiepreise zwar wieder etwas zurückgegangen, aber immer noch deutlich über Vorkrisenniveau. In Summe sind das für die Unternehmen deutliche Belastungen.
Die Sie an die Kunden weitergeben?
ROTHKOPF Natürlich waren wir gezwungen, Preise zu erhöhen. Aber es gibt Grenzen, denn die Kunden sind da sehr sensibel. Die Gastronomie hat sich über viele Jahrzehnte nicht getraut, betriebswirtschaftlich sinnvolle Preise aufzurufen, hat sich vielmehr lange einen Unterbietungswettkampf bis hin zur Selbstausbeutung geliefert. Das bekommen Sie nur schwer zurückgedreht. Erhöhungen gibt es, aber nicht in ausreichender Höhe.
Profitieren Sie davon, dass die Menschen nach Ablenkung gieren?
ROTHKOPF Das rettet uns momentan, aber auskömmliche Profite wirft es nicht ab. Natürlich haben die Gäste während der Corona-durststrecke festgestellt, wie wichtig das zweite Wohnzimmer und Ausgehen ist. Die verbliebene Gastronomie öffnet mittlerweile an weniger Tagen zu weniger Stunden. Da wird ganz spitz nachgerechnet, ob mit den Fix- und Personalkosten es überhaupt noch Sinn macht, in der Woche aufzumachen. In einigen ländlicheren Regionen verlagert sich das Geschäft fast ausschließlich aufs Wochenende. Auch für lebenswerte Innenstädte ist das ein Brandbeschleuniger.
Was ist mit den Fachkräften, die in Corona abhandengekommen sind?
ROTHKOPF Die nackten Zahlen sagen, dass die Beschäftigten nach dem Ende der Pandemie alle zurückgekommen sind. Wir liegen jetzt bei rund 422.000 Beschäftigten und damit leicht über 2019 – aber auch vor Corona hatten wir schon zu wenig Leute. Uns macht gerade massiv zu schaffen, dass unser Sozialsystem Fehlanreize setzt. Es muss sich deutlich stärker lohnen, überhaupt beziehungsweise mehr zu arbeiten.
ROTHKOPF Andere Länder sind da fraglos weiter. Ich komme gerade von einer Tokio-reise zurück. Dort waren wir in einem Restaurant, in dem die Servier-roboter von Menschen mit Behinderung ferngesteuert wurden. Das hat mich total begeistert. Im Thema Inklusion steckt noch viel ungenutztes Potenzial für unsere Branche. Darüber hinaus spielt die Digitalisierung für uns eine zentrale Bedeutung. Kleine Hotels sind gezwungen, die Abläufe zu digitalisieren – etwa bei den Buchungsund
Bezahlsystemen, mit denen wir uns direkt an die gängigen Plattformen koppeln. Früher hat der Hotelier viele Dinge abends händisch ins System einpflegen müssen, etwa die Meldescheine der Gäste. Das läuft heute alles automatisch ab und ermöglicht wieder mehr Zeit für den direkten Gästekontakt. Aber auch in der Gastro gibt es viele digitale Möglichkeiten, die das betriebliche Leben vereinfachen.
Viel geflucht wurde über die Mehrwegpflicht beim To-go-geschäft. Funktioniert das inzwischen?
ROTHKOPF Das Gesetz sieht nicht vor, dass es Mehrwegverpackungen in Imbissen oder Büdchen gibt. Das unterscheidet der Gast aber nicht, und er hat dann das Gefühl, dass das Mehrwegsystem gescheitert ist. Die Angebotspflicht greift erst ab 80 Quadratmetern und mehr als fünf Mitarbeitern. Natürlich gibt es auch schwarze Schafe, die der Pflicht unterliegen, aber keine Lust auf das System haben. Das sind aber Ausnahmen. Das eigentliche Problem ist am Ende: Die Gäste fragen Mehrwegbehältnisse überhaupt nicht nach.
Was könnte die Politik hier tun?
ROTHKOPF Wir brauchen ein genormtes System, bei dem man den Mehrwegbecher wie die Pfandflasche einfach überall abgeben kann. Wenn ich mir schon Gedanken machen muss, wo ich den Teller oder den Becher loswerde, funktioniert es nicht. Pilotprojekte, die die Logistik vom Flaschenpfand mitnutzen, zeigen, wie es gehen kann. Da wünsche ich mir mehr Tempo. Am Ende siegt wie so oft der Komfort. Mehrweg muss für Gastronomen wie Gäste so komfortabel sein wie Einweg.
Wie stehen die Gastronomen zur Cannabislegalisierung?
ROTHKOPF Wir informieren unsere Mitglieder darüber, was geht und was nicht. Am Ende des Tages muss das dann jeder Gastronom für sich entscheiden. Es ist völlig legitim, wenn jemand das in seinem Biergarten untersagt, wo andere es erlauben.
Digitalisierungsmöglichkeiten dürften bei Ihnen überschaubar sein.
Was wäre Ihre Vermutung, wie viele Gastronomen das Kiffen bei sich im Außenbereich gestatten?
ROTHKOPF Ich glaube, dass die Zurückhaltung überwiegt und viele von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und den Konsum untersagen.