„Absage an rot-rote Flirtereien“
Annegret Kramp-Karrenbauer lässt die CDU frohlocken. Sie zeigt ihrer Partei, dass der Schulz-Effekt der SPD nicht alles ist.
SAARBRÜCKEN (RP/dpa) Als Annegret Kramp-Karrenbauer 40 Minuten nach der ersten Prognose die Saarlandhalle erreicht, muss sie sich ihren Weg zu den Wahlstudios der TV-Sender durch das dichte Gedränge bahnen. Immer wieder fallen Parteifreunde ihr und ihrem Ehemann Helmut um den Hals. „Die können sich den ganzen Abend noch küssen“, ruft genervt ein ZDFTechniker, der fürchtet, dass der Zeitplan ins Rutschen gerät.
Die Erleichterung steht der Ministerpräsidentin ins Gesicht geschrieben. Kramp-Karrenbauer ist offensichtlich überrascht vom starken Ergebnis ihrer Partei, das sämtliche Umfragen der vergangenen Tage und Wochen widerlegt. Strahlend tritt sie vor die Kameras: Das Resultat sei ein „klarer Auftrag“und „eine deutliche Absage an rot-rote Flirtereien“. Großer Jubel auf der CDUWahlparty: „Das halte ich nicht aus“, rufen einige vor Freude. Auch Innenminister Klaus Bouillon wundert sich: „Das hätten wir nicht einmal geträumt.“
Der Sieg tut Kramp-Karrenbauer doppelt gut: Zum einen, weil sie weiter die Geschicke des kleinsten deutschen Flächenstaates steuern kann. Zum anderen – und das dürfte etlichen Christdemokraten eine noch größere Genugtuung sein –, weil der „Schulz-Effekt“doch nicht gereicht hat. Zwar hat die Begeisterung um Kanzlerkandidat Martin Schulz den Genossen an der Saar sicher ein paar Prozentpunkte extra verschafft; am Ende reichte es aber nicht für eine rot-rote Mehrheit, die vor der Wahl möglich schien.
Enttäuschte Gesichter deshalb bei der SPD. Als Schulz am Freitag zum dritten Mal im Wahlkampf an die Saar reiste, gab die SPD zwei Wahlziele aus: stärkste Kraft werden und den Einzug der AfD in den Landtag verhindern. Beide Ziele hat sie verfehlt – trotz Schulz. Der war im Wahlkampf von der SPD als „hal- ber Saarländer“verkauft worden, weil dort sein Vater aufgewachsen ist. In Spiesen-Elversberg bei Neunkirchen wohnt noch heute Schulz’ Großcousin.
Führende Sozialdemokraten geben sich am Abend erst gar keine Mühe, das Ergebnis schönzureden. „Wir hatten uns mehr vorgenommen“, sagt Spitzenkandidatin Anke Rehlinger. Für das schwache Abschneiden bietet die SPD-Landesspitze zwei Erklärungen an: KrampKarrenbauers Amtsbonus und die Diskussion um Rot-Rot. Rehlinger spricht von einem persönlichen Erfolg Kramp-Karrenbauers und gratuliert ihr. Auf der Schlussstrecke sei es häufig so, dass der Bonus des Amtsinhabers zu Buche schlage, das hätten Kramp-Karrenbauer und die CDU genutzt.
Nun müssen sich Kramp-Karrenbauer und Rehlinger für ein Regierungsbündnis zusammenraufen. Sie haben zwar in der großen Koalition gut Seite an Seite gearbeitet. Im Wahlkampf aber sind aus Partnerinnen Rivalinnen geworden – da wurde Porzellan zerschlagen. Streitthemen wie die von der SPD geforderte Teil-Rückkehr zur neunjährigen Schulzeit an Gymnasien oder die kostenlose Kita-Betreuung werden in den Koalitionsverhandlungen Zündstoff liefern.
Die SPD räumt auch ein, dass die Diskussion über ein mögliches rotrotes Bündnis Wähler abgeschreckt hat. Rehlinger klagt, es sei zuletzt weniger um Inhalte gegangen, sondern „sehr zugespitzt“um die Koalitionsfrage: „Das hat uns den einen oder anderen Wähler abspenstig gemacht.“Die SPD sei in einer Zwickmühle: 2009 habe sie eine Koalition mit der Linken nicht ausgeschlossen, 2012 aber schon. „Beide Male ging es nicht gut aus.“
„Wir sind auch abgestraft worden, weil die Linke mit Lafontaine nicht gewollt wurde“, sagt der Europaabgeordnete Jo Leinen und findet deutliche Worte: „Der Schulz-Effekt hat uns ein wenig in die Irre geleitet und uns angesichts des eigentlichen Wählerwillens wohl getäuscht.“Bundesjustizminister Heiko Maas, selbst Saarländer, sagt über den Spitzenkandidaten der Linken: „Die Person Oskar Lafontaine polarisiert bis weit in das SPD-Lager hinein.“
Der 73-jährige Lafontaine ist mit der Linken zwar wieder drittstärkste Kraft geworden, gehört aber trotzdem zu den Verlierern: Er hätte seine Partei gerne in die Regierung gehievt. Für ihn persönlich wäre es ein Art Comeback gewesen, war er doch von 1985 bis 1998 SPD-Ministerpräsident an der Saar. Lafontaine wäre der Königsmacher gewesen, auch ohne Regierungsamt. Aber aus der Traum: Aus einer ersten Landesregierung in Westdeutschland mit Linke-Beteiligung wird nichts.
Zu den Gewinnern gehört auch die AfD, obwohl sie deutlich im einstelligen Prozentbereich bleibt. „Wir können nun die Regierenden vor uns her treiben. Es soll ein bisschen unruhiger werden“, kündigt der Landesvorsitzende Josef Dörr an.