Katzen in der Höhle der Löwen
Lutz Spendig entwickelt Kratzbäume für Katzen in Buchstabenform. Er ist von der Idee überzeugt. Einziges Problem: Sie sind so teuer, dass sie kaum jemand kauft. Bis jetzt.
DÜSSELDORF Als Lutz Spendig 2014 sein Unternehmen Kletterletter gründete, war er voller Optimismus: „Am Anfang dachte ich: Wir verkaufen im ersten Jahr 100 Buchstaben, im zweiten dann schon 500“, sagt Spendig. Kratzbäume für Katzen in Buchstabenform als Wohnaccessoire – wenn das kein Geschäftsmodell ist. Er las Bücher über Suchmaschinenoptimierung, tüftelte an Werbevideos und entwarf weitere Varianten seiner Kratzbäume: Mit A,B und C fing es an, es folgten das restliche Alphabet, Ziffern und Sonderzeichen. „Ich war überzeugt: Die Idee ist so gut, das muss ein Erfolg werden“, sagt Spendig.
Es kam anders. Knapp drei Jahre später hat der Düsseldorfer erst 33 seiner Kratzbäume verkauft. Denn das Problem ist: Kaum jemand kann sich die mehrere Tausend Euro teuren Möbelstücke leisten. 2000 Euro kostet allein das &Zeichen, das @-Zeichen in Eiche sogar 18.000 Euro. Wer die Kratzbäume sieht, ist begeistert von der Idee und der handwerklichen Umsetzung. Aber Spendig konnte sie Interessierten bislang fast nur in seinem Wohnzimmer live präsentieren, denn mit knapp 180 Kilogramm Gewicht lässt sich das C, das in seinem Wohnzimmer in Düsseldorf steht, kaum bewegen.
Dann kam ihm die Idee mit Vox. Spendig bewarb sich bei der Gründershow „Die Höhle der Löwen“, bei der Start-ups ihre Produkte vor einem Millionen-Publikum und fünf Investoren vorstellen können. Spendig überzeugte – der Hamburger Unternehmer Ralf Dümmel beteiligte sich für 50.000 Euro an dem Düsseldorfer Start-up und sicherte sich im Gegenzug 33,3 Prozent der Firmenanteile. Ein Volltreffer. Denn der Vertriebsexperte Dümmel war im Vorfeld Spendigs Favorit. „Man sollte mit dem Investor auch auf einer Wellenlänge sein“, sagt der 39Jährige: „Es soll ja schließlich auch Spaß machen.“
Und Dümmel weiß, wie man ein Produkt zur Massentauglichkeit bringt. Das merkte auch Spendig sehr schnell nach der Aufzeichnung im Frühjahr. „Dümmel sagte: Wir müssen die Kosten senken“, erinnert er sich. Noch heute staunt er, wie schnell eine Lösung gefunden wurde: Statt wie bisher 2000 Euro sollte das &-Zeichen nur noch 199 Euro kosten, Massenproduktion und simplerer Ausführung sei Dank.
Jahrelang hatte der Düsseldorfer nach einem Weg gesucht, die Kosten zu reduzieren – doch kein Schreiner schaffte es, die hochwertigen und aufwendigen Möbel unter einer dreistelligen Zahl von Arbeitsstunden zu produzieren. Manche hatten sogar direkt abgewunken, als er ihnen von seiner Idee erzählte: zu kompliziert, zu aufwendig.
Spendig und seine Partnerin hatten sich von 3D-Buchstaben inspirieren lassen, die sie in einem Möbelgeschäft gesehen hatten. So müssten eigentlich auch Kratzbäume aussehen, dachten sich die beiden, die bis dahin genau wie viele andere Katzenbesitzer einen Klassiker aus viel Plüsch und Fell in der Wohnung stehen hatten. „Als bei uns zwei Katzen eingezogen sind, habe ich gesagt: Wir müssen etwas Cooles, Eigenes entwickeln.“
Entstanden sind vertikale KatzenLabyrinthe. Während Spendig Modell- und Farbvarianten zeigt, sieht man seine beiden Ragdoll-Katzen Finnley und Timber durch die Buchstaben schleichen. „Das ist ein Design-Highlight im Wohnzimmer“, sagt Spendig: „Da fand ich 199 Euro anfangs zu wenig. Wir haben deswegen intensiv darüber nachgedacht, ob unsere Marke dadurch verwässert würde.“
Am Ende half ein Kniff: Unter der Marke „Kletterletter“vertreibt Spendig weiterhin die teuren Einzelanfertigungen. „Designed by Kletterletter“steht hingegen auf den etwas einfacheren Produkten, die ab heute von Dümmels Vertriebsprofis massenhaft unter das Volk gebracht werden. Karstadt, Netto, Otto und Fressnapf: Es dürfte kaum eine Stadt in Deutschland geben, in denen man Spendigs KratzbaumBuchstaben nicht bekommt. „Es wäre fahrlässig gewesen, auf diese Chance zu verzichten“, sagt Spendig: „Mercedes profitiert ja auch davon, dass es den Smart gibt.“