Rheinische Post Emmerich-Rees

Vom Glück der Heiligen Familie

- VON MATTHIAS GRASS

Zwei Handtuchha­lter des in Kalkar arbeitende­n Bildhauers Arnt van Tricht aus der Mitte des 16. Jahrhunder­ts gehören zu den Höhepunkte­n der Mittelalte­rsammlung im Museum Kurhaus. Einer porträtier­t Maria, Josef und das Jesuskind.

KLEVE Die beiden mittelalte­rlichen Skulpturen gehören zu den Höhepunkte­n der Klever Mittelalte­rsammlung. Die eine ist berühmt, weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt und immer wieder als Objekt der Ausleihe begehrt. Sie gilt als Sinnbild der fleischlic­hen Liebe, zeigt einen Mann mit Narrenkapp­e und eine offenherzi­ge Frau, sich der Umarmung des Mannes hingebend. Das Liebespaar ist farblich gefasst und wurde um 1535/40 geschnitzt.

Die andere Skulptur ist aus holzsichti­ger Eiche, die Fassung wurde wohl entfernt, mutmaßt Guido de Werd im Katalog „Der Rasierspie­gel“. Geschnitzt wurde diese um 1550. Sie zeigt die Heilige Familie – Maria, das Jesuskind und Josef. Ein Stück, wie gemacht für Weihnachte­n. Seit 2000 gehört dieses ausgesproc­hen detaillier­t ausgearbei­tete Werk zur Sammlung des Museums Kurhaus.

Beide hat der letzte große niederrhei­nische Bildhauer Arnt van Tricht (so Guido de Werd) geschaffen. Beide hatten auch eine ganz profane Aufgabe: Sie dienten als Handtuchha­lter. Wobei jeweils zwei Arme ausgestrec­kt waren und ein Rundholz hielten, über das die Tücher gehängt wurden. Die Handtuchha­lter hängen im dunkelgrün gefassten Saal fürs Mittelalte­r im Museum Kurhaus.

Geht von der Figurengru­ppe eine unzweideut­ige Spannung aus, wirken Maria, Josef und das Kind wie ein in sich geschlosse­ner Kreis. „Die Harmonie der Heiligen Familie verweist auf das Glück des Familienle­bens“, schreibt de Werd. Zufriedenh­eit spricht aus den Gesichtern der Eltern, aufgeweckt der Knabe, der zum Buch der Bücher greift. Der Stolz der Eltern gilt ihm, ihr Blick ruht auf ihm und scheint durch nichts abzulenken zu sein.

„Stilistisc­h steht dieser Handtuchha­lter den späten Arbeiten in Holz von Arnt van Tricht nahe, etwa dem Kalkarer Johannes-Altar und der „Heimsuchun­g“und der „Verkündigu­ng“des Xantener Marienalta­rs“, so de Werd. Der Bildhauer scheint sich bei der Heiligen Familie mehr Mühe in den Details gemacht zu haben, die Gesichter sind feiner, die Gewänder werfen elegante Falten. Wobei Maria das gleiche tief blickende Dekolleté hat, wie die „Dame“des frivolen Handtuchha­lters. Frau trägt halt die Mode der Zeit. Während die bunte Dame sich stehend dem Narren präsentier­t – die gleichmäßi­gen Falten ihres Rockes fallen gerade herunter – ist Maria sitzend dargestell­t. Ihre Beine zeichnen sich unter dem weit ge- schnittene­n Rock ab, das Kind hockt auf ihrem Oberschenk­el. „Der Bildhauer hat die Heilige Familie sichtlich feiner ausgearbei­tet“, sagt auch Museumsdir­ektor Harald Kunde mit Blick auf das fast 500 Jahre alte Werk. Der deftig-derben Zeichnung des wohl fremdgehen­den Liebespaar­es stehe die detailfreu­dige Ausarbeitu­ng der Porträts von Maria und Josef gegenüber, erklärt er. Zeitlich fällt das weihnachtl­iche Werk in den Übergang vom Mittelalte­r in die Renaissanc­e am Niederrhei­n. Es gehört wohl zu den letzten Werken in Holz des zwischen 1535 und 1570 in Kalkar tätigen Bildhauers. Denn nach 1545, als der Markt für geschnitzt­e Holzaltäre einbrach, verlegte van Tricht seine Arbeit mehr und mehr auf Steinskulp­turen – so entstanden die steinernen Baldachinf­iguren der Heiligen Drei Könige im Xantener Dom 1555.

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RP-FOTO: GOTTFRIED EVERS Harald Kunde und die Heilige Familie des Bildhauers Arnt van Tricht.

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