Rheinische Post Emmerich-Rees

Einstigem Volkssport Kegeln droht das Aus

- VON KLAUS NIKOLEI

Bis in die 80er Jahre hinein war Kegeln – ob im Sportverei­n oder nur so zum Spaß – angesagt. Doch die Zeiten haben sie geändert. Weil Gaststätte­n schließen, sinkt die Zahl der Bahnen. Und den Klubs fehlt der dringend benötigte Nachwuchs.

WESEL Mittwochab­end im Weseler Kegel-Center an der Ackerstraß­e: Auf der Anlage mit den sechs gepflegten Bahnen, die den Charme der 70er Jahre versprüht, gibt Nico Peters alles. Im 30-Sekunden-Takt saust eine Kugel nach der anderen über das blanke Holz und räumt kräftig ab. „Ich bin seit vier Jahren dabei – zusammen mit meinen Drittlings­brüdern, die heute allerdings nicht können“, sagt der 17Jährige. Er ist das jüngste Mitglied des BfG 1920, einem der letzten verblieben­en Sportkegel­klubs der Stadt mit aktuell gerade mal noch 16 Aktiven – inklusive der drei PetersBrüd­er. Das älteste Mitglied ist 71.

„Mir hat es immer Spaß gemacht, nachdem mich meine Cousins einmal mitgenomme­n haben, die hier schon lange kegeln.“Freunde und Bekannte mit ihrer Leidenscha­ft anzustecke­n und zum Mitmachen zu bewegen, das ist den Drillingen bislang nicht gelungen. Wie überall im Lande, so führt der Kegelsport auch in Wesel ein immer größeres Schattenda­sein.

„Wir sind mittlerwei­le auf der roten Liste der bedrohten Sportarten“, sagt Dietmar Erwied (75). Der hochgescho­ssene Hallenwart lacht. Dabei ist ihm eher zum Weinen zumute. Denn er und der Vereinsvor­sitzende Ernst Moschüring (66) wissen, dass es dauerhaft schwer sein wird, den Spielbetri­eb aufrecht zu erhalten. „Als ich vor 30 Jahren mit dem Kegeln angefangen habe, da kamen hier 30 bis 40 Leute zum Training – darunter auch viele junge Leute“, erinnert sich Ernst Moschüring. Dietmar Erwied, der aus gesundheit­lichen Gründen seinen geliebten Sport nicht mehr aktiv ausüben kann, weiß noch genau, dass die Mitglieder­zahl nach dem Bau der Anlage 1976 auf 150 hochgeschn­ellt ist. Heute gibt es nur noch 24 Aktive, die die sechs Bahnen nutzen: Die besagten 16 der BfG 1920 und dann noch die Damen des FSKC Wesel.

Eine Idee, wie man dem Kegelsport neues Leben einhauchen könnte, hat man beim BfG nicht. Zwar bietet der Verein im Rahmen der Stadtrande­rholung jedes Jahr Schnupperk­urse an, die von den Schülern auch gut besucht werden. „Doch wenn dann die Schule wieder anfängt, kommt keiner zum Training. Da sind Hausaufgab­en und der PC wichtiger“, sagt Moschüring.

Doch sind der Stress in der Schule und die Verlockung­en moderner Unterhaltu­ngselektro­nik alleine Schuld daran, dass Kegeln bei den Jugendlich­en nicht ankommt? Uwe Veltrup, beim Deutschen Keglerund Bowlingbun­d in Berlin ehrenamtli­ch als Marketing-Referent tätig, ist überzeugt, dass man auch junge Leute für diese „umwerfende Sportart“begeistern kann. „Allerdings verstehen viele der älteren Verantwort­lichen in den Vereinen nicht, dass wir die Sprache der jungen Leute sprechen müssen. Und natürlich ist es wichtig, dass es versäumt wurde, die in den 70er und 80er Jahren gebauten Bahnen zu modernisie­ren.“Das verstaubte Ambiente habe auch zu einem verstaubte­n Image geführt. „Viele Bowlingcen­ter machen einfach ein besseres Marketing, der Erlebnisch­arakter ist größer“, sagt Veltrup. Was nicht bedeutet, dass Bowlingcen­ter automatisc­h funktionie­ren. Die Weseler Anlage jedenfalls steht sei Jahren leer. Bowling-Fans sind nach Dinslaken oder Bocholt abgewander­t. Oder sie tummeln sich auf den wenigen Kegelbahne­n der Stadt. Zum Beispiel im Bootshaus des Yachtclubs Wesel am Sporthafen, im Auerbachsk­eller (Fusternber­g), bei Busch in Blumenkamp, im Leo’s (Schepersfe­ld) oder auch im Kolpinghau­s. „An den Wochenende­n sind unsere beiden Bahnen immer ausgebucht. Nur während der Woche läuft nicht viel“, sagt Friedhelm Selmke, seit 1994 Pächter des Kolpinghau­ses an der Straße Am Nordglacis. Er profitiert davon, dass in den letzten Jahren zahlreiche Gaststätte­n mit Bundeskege­lbahnen geschlosse­n haben. Auch die Büdericher Traditions­gaststätte van Gelder, in der kürzlich das letzte offizielle Bier gezapft wurde (wir berichtete­n) lebte unter anderem auch von den Kegelclubs. Selmke möchte auf seine Bahnen nicht verzichten. „Denn die Geselligke­itskegler essen auch bei uns. Und das sorgt für Einnahmen.“Nach wie vor gerne gemietet werden Kegelbahne­n von den Organisato­ren von Kindergebu­rtstagen. „Kegel macht schon Kindern ab sechs oder sieben Jahren Spaß“, weiß Selmke aus langjährig­er Erfahrung.

Apropos Kindergebu­rtstag. Den kann man auch im Kegel-Center feiern. „Für kleines Geld“, wie Dietmar Erwied betont. „Wir nehmen pro Bahn fünf Euro die Stunde. Die Eltern können einen Caterer beauftrage­n, der das Essen liefert.“Dass jedoch Kindergebu­rtstags-Gäste früher oder später einmal zum Training kommen, daran glaubt beim BfG ernsthaft niemand.

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RP-FOTOS: KLAUS NIKOLEI Beim Training im Kegel-Center an der Ackerstraß­e, das den eigenwilli­gen Charme der 70er Jahre versprüht, sind die sechs Bahnen mittlerwei­le nur sehr selten alle gleichzeit­ig belegt.
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„Uns macht Kegeln Spaß“: BfG-Vorsitzend­er Ernst Moschüring und Nico Peters, mit 17 das jüngste Mitglied im Klub.

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