Der deutsche EM-Traum ist zu Ende
Die Handball-Nationalmannschaft verliert das entscheidende Hauptrundenspiel mit 27:31 gegen Spanien.
VARAZDIN Sie schauten traurig, enttäuscht und wohl auch fassunglos über das, was sie abgeliefert hatten, auf die feiernden Spanier. Es war eines der schwächsten Spiele, das eine deutsche Handballmannschaft in jüngster Vergangenheit geliefert hatte. Am Ende hieß es 31:27, aber auch nur, weil der Gegner in der Schlussphase nach dem 30:23 etwas locker angehen ließ. Spanien trifft im Halbfinale morgen auf Weltmeister Frankreich. Dänemark und Schweden ermitteln den zweiten Finalisten. Für Titelverteidiger Deutschland ist das Turnier beendet.
Im Kreis, den die Spieler nach dem Abpfiff bildeten, fehlte Christian Prokop. Als sie vom Feld kamen, gab es den Handschlag mit den Bundestrainer, der sich in der zweiten Halbzeit von seinen Spielern verraten fühlen musste. Es waren die vielleicht schlimmsten zwölf Minuten in der Trainerkarriere Prokops, die alle Hoffnungen zerstörten. Nach dem 15:15 blieb die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) über zehn Minuten ohne Torerfolg. Mehr noch. Die Spieler überboten sich an teilweise haarsträubenden Fehlern. Philipp Weber kam mit seinen Schritten nicht hin, bei einem späteren Angriff verlor er den Ball. Auch Maximilian Janke hatte einen Blackout.
Beim 15:19 ging Prokop volles Risiko und wechselte den siebten Feldspieler für den Torhüter ein. Die Folge: Steffen Fäth spielte zweimal dem Gegner den Ball in die Arme, Weber tat es ihm gleich. Die Spanier sagten artig danke und versenkten den Ball im Tor. Beim 15:23 war die Entscheidung längst gefallen. Bitter, dass die deutschen Profis nicht an starken Spaniern scheiterten, sondern sich selbst besiegten.
Schon vor dem Anpfiff waren alle Rechenspiele beendet. Nur bei ei- nem Sieg gegen Spanien würde die Mannschaft von Bundestrainer Christian Prokop das Halbfinale erreichen. Doch in der Neuauflage des EM-Finales von 2016 blieb die mit zehn Europameistern angetretene DHB-Auswahl vor allem in der zweiten Halbzeit alles schuldig.
Während die deutschen Profis erst gut 72 Stunden nach ihrem Spiel gegen Dänemark (25:26) wieder gefordert waren, hatten die Spanier knapp 26 Stunden, den Kopf nach dem 26:31 gegen Slowenien frei zu bekommen. Doch von einem Vorteil war nichts zu spüren. Vor der Pause hatte die Defensive um Abwehrchef Finn Lemke große Probleme mit Julen Aguinagalde. Viel zu oft erwischte der 35 Jahre alte Kreisläufer den Ball und ließ Andreas Wolff, seinem künftigen Teamkollegen beim polnischen Meister Kielce, keine Chance oder holte einen Strafwurf heraus (drei Treffer).
Gegen die offensive Abwehr fanden die deutschen Spieler kein Mittel. Waren es am Anfang die Gewalt- würfe von Julis Kühn. der nach zehn Minuten (5:3) schon drei Tore erzielt hatte, hielt Philipp Weber in der Schlussphase der ersten Halbzeit sein Team im Spiel. Der Spielgestalter zeigte Torjägerqualitäten, setzte sich auch im Kampf Mann gegen Mann durch und netzte bei vier Versuchen viermal ein. Doch den guten Eindruck zerstörte der Leipziger in der zweiten Halbzeit. Dabei hatten die Spanier lange Zeit Probleme, Tore aus dem Rückraum zu erzielen. Doch als ihnen der Gegner immer mehr Möglichkeiten gab, zu glänzen, packten sie zu, trafen aus dem Rückraum, von außen – und jedes Tor ließ den Widerstand der deutschen Profis erlahmen.
Trainer Prokop versuchte viel, seine Spieler halfen ihm wenig. Die Diskussionen um den 39-Jährigen, der sein erstes großes Turnier bestreitet, dürften wieder losgehen. Der Mannschaft bleibt nach einem enttäuschenden Turnier der Ärger über einige verpasste Gelegenheiten.