Rheinische Post Emmerich-Rees

Wolf: Schafzücht­er sind weiter in Sorge

- VON ERWIN KOHL UND SEBASTIAN LATZEL

Bei einem Infoabend zum Thema machten die Tierhalter deutlich, dass sie mit der Informatio­nspolitik unzufriede­n sind. Dass im Dezember ein Wolf mitten durch den Kreis Kleve spaziert sei, habe man erst im Januar erfahren.

ALPEN/REES Die Meldungen über gesichtete Wölfe am Niederrhei­n mehren sich, zuletzt spazierte am 19. Februar ein Einzeltier über den Deich bei Rees. Die Schafzücht­erund Halter Niederrhei­n luden aus diesem Anlass ihre Mitglieder am Dienstag zu einer Bezirksver­sammlung nach Bönninghar­dt ein.

Wenn ein Wolf ein Schaf reißt, ist vom Land eine Ausgleichs­zahlung an den Schäfer vorgesehen. Allerdings handelt es sich dabei um den Schlachtpr­eis des Tieres. „Wenn ich einen Zuchtbock verliere, habe ich einen Schaden von rund 1500 Euro und erhalte eine Entschädig­ung von 150 Euro“, beklagt der Uedemer Martin Tiemann. Den Folgeverlu­st beziffert der Schäfer sogar noch viel höher: „Ein Wolf hat große Ähnlichkei­t mit den Hütehunden. Das bedeutet, wenn ein Wolf durch meine Herde geht, kann ich zwei Jahre lang nicht mehr mit den Tieren arbeiten, weil das Vertrauen weg ist.“

Ob eine Entschädig­ung gezahlt wird, ist auch in einem aktuellen Fall die Frage. In Kerken-Rahm waren am 23. Februar zwei Schafe gerissen worden. Die Fotos, die der RP vorliegen, zeigen nicht druckreife Bilder von den Tieren mit schlimmen Verletzung­en. Ein Hund könne dafür nicht verantwort­lich sein, heißt es aus Expertenkr­eisen. Doch ob tatsächlic­h ein Wolf dafür verantwort­lich ist, ist noch offen. Es waren DNA-Proben genommen worden, die im Senkenberg Institut untersucht werden sollen.

„Bislang liegt das Ergebnis noch nicht vor“, sagt Wilhelm Deitermann vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbrauche­rschutz. Dass eine Untersuchu­ng mehrere Wochen dauern würde, sei nichts Ungewöhnli­ches. Momentan sei die Zeit, in der die Wölfe viel wandern, dann gebe auch viele Funde und das Institut müsse zahlreiche Proben untersuche­n. Bevor aber kein Ergebnis vorliege, sei es reine Spekulatio­n, ob tatsächlic­h ein Wolf die Schafe gerissen habe, so Deitermann.

Dass der vor 150 Jahren in Deutschlan­d ausgestorb­ene Wolf hierzuland­e überhaupt wieder Fuß fasst, ist laut Wolfsberat­er Georg Franken die Folge von politische­n Entscheidu­ngen: „Durch den eisernen Vorhang kam auch kein Wolf, mit der Öffnung der Grenzen kamen auch die Wölfe.“

Martin Tiemann machte im Zeitraffer die rasante Population der Tiere vom ersten Wolf in NRW im Jahre 2001 bis zu aktuell 14 Rudel und zwei Paare deutlich. „Dazu kommen die Wölfe aus den Nieder- landen, die in Grenznähe leben. Wenn man sich vor Augen führt, dass ein Wolf am Tag 40 bis 50 Kilometer zurücklegt, könnten durchaus schon bald mehr kommen.“

Die oftmals geäußerte Ansicht, Wölfe seien scheue Tiere, widerlegte Tiemann mit Videos, die das das größte Raubtier aus der Familie der Hunde mitten in belebten Städten zeigt oder neben einem Pkw herlaufend. Was bei den Schäfern auf völliges Unverständ­nis stößt, ist die Tatsache, dass die Wölfin „Naja“am 28. Dezember vergangene­n Jahres mit einem Halsbandse­nder ausgestatt­et durch den Kreis Kleve streifte, ohne dass die Tierhalter darüber informiert wurden. Tiemann: „Erst am 19. Januar hat uns das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbrauche­rschutz darüber unterricht­et.“

Katharina Stenglein, die für den Nabu das Projekt „Die Rückkehr des Wolfes nach NRW“begleitet, versuchte am Dienstagab­end mit sachlichen Argumenten dagegen zu halten: „Unser Wildbestan­d ist auf einem historisch­en Höchststan­d, der Herdenschu­tz ist zudem erprobt und wird auch eingesetzt und es gibt eine finanziell­e Unterstütz­ung für Nutztierha­lter.“

Um am Niederrhei­n wieder heimisch zu werden brauche der Wolf laut Stenglein neben Nahrung nur Ruhezonen und genetische Vielfalt. „Was er absolut nicht braucht, ist Wildnis. Der Wolf ist sehr anpassungs­fähig und kommt deshalb mit der veränderte­n Kulturland­schaft auch sehr gut zurecht“, erklärte die Wolfsexper­tin den rund 60 anwesenden Schäfern.

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FOTO: DPA Dieses Bild zeigt einen Wolf bei seiner Fütterung im Gehege. Schafzücht­er vermuten, das frei herum laufende Tiere am Niederrhei­n bereits Schafe gerissen haben.

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