Deutschland gehen ab 2020 die Arbeitskräfte aus
Der Internationale Währungsfonds rät der Koalition zu einer Rentenreform, um die Lebensarbeitszeit zu verlängern.
BERLIN Die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte in Deutschland wird nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) schon von 2020 an auch unter Berücksichtigung der zuletzt hohen Zuwanderung zurückgehen. Der demografische Ausblick für Deutschland sei „ungünstig“, heißt es im neuen Länderbericht des Fonds für Deutschland, der gestern vorgelegt wurde. Um den näher rückenden Arbeitskräfteschwund zu lindern, rät der IWF der Bundesregierung, durch eine Rentenreform mehr Anreize für ein längeres Arbeiten zu setzen. Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit würde auch das Risiko der Altersarmut reduzieren, so der IWF. Zudem sollte Berlin deutlich mehr in den Ausbau der Ganztagsbetreuung von Kindern investieren, damit Mütter nicht mehr nur Teilzeit arbeiteten.
Stärkere Anreize zur Arbeitsaufnahme oder Mehrarbeit würden auch erreicht, wenn die Regierung die zu hohe Steuerbelastung der unteren und mittleren Einkommen reduzieren würde, so der IWF. Den finanziellen Spielraum dafür hätte sie nach den Berechnungen des Fonds allemal: Selbst wenn sie alle im Ko- alitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen umsetze, werde die deutsche Schuldenstandsquote bis 2023 unter 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinken. Nach dem EU-Stabilitäts- und Wachstumspakt würde eine Quote von 60 Prozent schon ausreichen. Derzeit liegt die Quote noch bei knapp 65 Prozent.
Die Konjunktur in Deutschland bleibe weiterhin robust. Deshalb verfüge der Staat über eine so gute Einnahmensituation, dass er weit mehr als bislang geplant in die öffentliche Infrastruktur und den Ausbau der Ganztagsbetreuung in Kitas und Schulen investieren könnte. Auch für Bildung insgesamt und für lebenslanges Lernen müsse der Staat mehr Geld ausgeben. Denn die Digitalisierung stelle die deutsche Arbeitswelt vor eine große Herausforderung: Ein großer Teil der Jobs werde durch die technologische Erneuerung anfällig oder auch gefährdet, schreibt der IWF.
In den größeren Städten sieht der Fonds bei Immobilien Anzeichen einer Überhitzung. Die Regierung müsse über die bereits geplanten Maßnahmen hinaus noch mehr tun, um das Wohnungsangebot zu steigern. Hier rät der IWF, die Steuerbelastung im Wohnungsneubau zu senken. Um die Gefahren von Immobilienpreisblasen besser vorab zu erkennen, bräuchte Deutschland anderes Datenmaterial. Zudem müsse die Regierung über weitere Regeln zur Kreditbegrenzung für Hauskäufer nachdenken.
Mehr öffentliche Investitionen und weniger Spar-Anreize würden auch dazu beitragen, den aus IWFSicht weiterhin viel zu hohen deutschen Außenhandelsüberschuss zu reduzieren. Der Überschuss habe 2017 bei acht Prozent des Bruttoinlandprodukts gelegen und werde bis 2023 nur geringfügig um einen halben bis einen Prozentpunkt sinken.