JONAS BOLDT „Chance auf Titel ist nicht allzu groß“
Der Manager von Bayer Leverkusen über Titelträume mit der Werkself und einen möglichen Wechsel von Bernd Leno.
LEVERKUSEN Trotz Sommerpause in der Bundesliga denkt Jonas Boldt nicht an Freizeit. „Wenn ich unterwegs bin, heißt das nicht, dass ich Urlaub mache“, sagt der 36 Jahre alte Manager von Bayer Leverkusen. Ab Sommer wird er der jüngste Sportdirektor aller Bundesligisten sein. Herr Boldt, heute vor 30 Jahren hat Bayer 04 den Uefa-Pokal gewonnen. Denken Sie, dass sich der Verein mittelfristig eine weitere Trophäe in die Vitrine stellen kann? BOLDT Wenn man es realistisch einschätzt, ist die Chance auf einen Titel nicht allzu groß. Aber wir treten nicht an, um nur ein bisschen Fußball zu spielen – und das machen wir mit allem deutlich, was wir sagen und tun. International vertreten zu sein, muss jede Saison unser Ziel sein. Unsere Ambition ist, Champions League zu spielen – gemessen an unseren Möglichkeiten zu „überperformen“. Im DFB-Pokal haben wir gezeigt, dass wir etwas gewinnen wollen, sind aber an der besten Mannschaft gescheitert. In Fernando Carro gibt es einen neuen Geschäftsführer, Rudi Völler steigt zum Geschäftsführer Sport auf, und Sie werden zum Sportdirektor befördert. Wie ist die Aufgabenteilung? BOLDT Fernando Carro ersetzt den ausscheidenden Michael Schade in der Geschäftsführung. Für mich kommen als Sportdirektor neue Aufgaben hinzu – vor allem in der Öffentlichkeitsarbeit. Für die anderen Aufgaben habe ich ein Team, das mich unterstützt. Claus Costa wird bei der Kaderplanung eine noch wichtigere Rolle spielen, und in Adrian Babic haben wir einen erfahrenen Scout, der ebenfalls mehr Verantwortung übernehmen wird. Aber es wird niemand kommen, der Jonas Boldt als Manager Sport ersetzt. Zumal der Großteil der Aufgaben weiterhin bei mir verbleibt. In Paulinho und Mitchell Weiser stehen zwei Zugänge bereits fest. Wie lange standen beide auf Ihrer Liste? BOLDT Bayer Leverkusen tätigt keine Transfers von heute auf morgen, nur weil jemand mal ein gutes Spiel gemacht hat. Paulinho ist ein brasilianischer Juniorennationalspieler. Jeder hat gesehen, dass er nicht nur bei der U17-WM sehr, sehr gute Leistungen gezeigt hat. Oft sind Transfers solcher Toptalente für uns dann gar nicht mehr realisierbar. Unser Vor- teil: Wir hatten ihn durch unser Netzwerk schon länger beobachtet. Sein Verein hatte Geldprobleme. Das haben wir ausgenutzt, bevor der große Hype um ihn entstehen konnte und die großen Vereine mit konkreten Angeboten um die Ecke gekommen sind. Wir mussten mehr als einen Schritt schneller sein. In Berlin hat Trainer Pal Dardai Weiser zuletzt wegen schlechter Trainingsleistungen auf die Tribüne verbannt. Beunruhigt Sie das? BOLDT Wir können die Aussage nicht final beurteilen, da wir nicht alle Trainingseinheiten gesehen haben. Wir haben aber ein klares Bild von dem Spieler. Mitch ist sicherlich kein stromlinienförmiger Spieler – und das wollen wir auch nicht. Nur mit stromlinienförmigen Spielern erreicht man nichts. Wir fordern immer Charaktere und Typen und beschweren uns dann, wenn ein Spieler als „nicht einfach“bezeichnet wird. Wir wissen, wie er ist und genau deswegen haben wir ihn geholt. Bernd Leno soll den Verein dank einer Ausstiegsklausel verlassen können. Gibt es bei ihm einen neuen Stand? BOLDT Er hat in den vergangenen Jahren immer mal wieder darüber nachgedacht, eine neue Herausforderung anzunehmen. Wir haben ihn vor sieben Jahren mit der Perspektive verpflichtet, bei uns die nächsten Schritte zu machen. Dass er jetzt so lange hier ist, obwohl er Angebote hatte, zeigt, dass wir richtig lagen. Er fühlt sich hier extrem wohl und hat sich immer mit dem Verein identifiziert. Das internationale Torwartkarussell hat sich bisher noch nicht bewegt, aber es gibt für ihn interessante Möglichkeiten – und er macht sich dazu Gedanken. Was legitim ist. Wenn es denn zu einem Wechsel kommt, wird Bayer 04 weiterhin gut aufgestellt sein.
Gefühlt haben wir dieses Jahr nicht von Schiedsrichterentscheidungen profitiert, und da gehört der Videobeweis dazu. Grundsätzlich bin ich ein Befürworter dieser Technik. Der Videobeweis hat zwar für mehr Gerechtigkeit gesorgt, aber ich finde auch, dass er in der aktuell praktizierten Form mitunter wie ein Stimmungskiller wirkt. Wichtig ist, dass es eine klare Linie gibt. Am Ende geht es darum, dass glasklare Fehler verhindert werden sollen und der Schiedsrichter auf dem Platz weiterhin den Hut auf hat. Es wird immer Diskussionsspielräume geben, die auch der Videobeweis nicht verhindert. Aber am Ende lag es nicht am Videobeweis, dass wir Platz vier verpasst haben.