Rheinische Post Emmerich-Rees

JONAS BOLDT „Chance auf Titel ist nicht allzu groß“

- DAS GESPRÄCH FÜHRTEN DORIAN AUDERSCH UND SEBASTIAN BERGMANN

Der Manager von Bayer Leverkusen über Titelträum­e mit der Werkself und einen möglichen Wechsel von Bernd Leno.

LEVERKUSEN Trotz Sommerpaus­e in der Bundesliga denkt Jonas Boldt nicht an Freizeit. „Wenn ich unterwegs bin, heißt das nicht, dass ich Urlaub mache“, sagt der 36 Jahre alte Manager von Bayer Leverkusen. Ab Sommer wird er der jüngste Sportdirek­tor aller Bundesligi­sten sein. Herr Boldt, heute vor 30 Jahren hat Bayer 04 den Uefa-Pokal gewonnen. Denken Sie, dass sich der Verein mittelfris­tig eine weitere Trophäe in die Vitrine stellen kann? BOLDT Wenn man es realistisc­h einschätzt, ist die Chance auf einen Titel nicht allzu groß. Aber wir treten nicht an, um nur ein bisschen Fußball zu spielen – und das machen wir mit allem deutlich, was wir sagen und tun. Internatio­nal vertreten zu sein, muss jede Saison unser Ziel sein. Unsere Ambition ist, Champions League zu spielen – gemessen an unseren Möglichkei­ten zu „überperfor­men“. Im DFB-Pokal haben wir gezeigt, dass wir etwas gewinnen wollen, sind aber an der besten Mannschaft gescheiter­t. In Fernando Carro gibt es einen neuen Geschäftsf­ührer, Rudi Völler steigt zum Geschäftsf­ührer Sport auf, und Sie werden zum Sportdirek­tor befördert. Wie ist die Aufgabente­ilung? BOLDT Fernando Carro ersetzt den ausscheide­nden Michael Schade in der Geschäftsf­ührung. Für mich kommen als Sportdirek­tor neue Aufgaben hinzu – vor allem in der Öffentlich­keitsarbei­t. Für die anderen Aufgaben habe ich ein Team, das mich unterstütz­t. Claus Costa wird bei der Kaderplanu­ng eine noch wichtigere Rolle spielen, und in Adrian Babic haben wir einen erfahrenen Scout, der ebenfalls mehr Verantwort­ung übernehmen wird. Aber es wird niemand kommen, der Jonas Boldt als Manager Sport ersetzt. Zumal der Großteil der Aufgaben weiterhin bei mir verbleibt. In Paulinho und Mitchell Weiser stehen zwei Zugänge bereits fest. Wie lange standen beide auf Ihrer Liste? BOLDT Bayer Leverkusen tätigt keine Transfers von heute auf morgen, nur weil jemand mal ein gutes Spiel gemacht hat. Paulinho ist ein brasiliani­scher Juniorenna­tionalspie­ler. Jeder hat gesehen, dass er nicht nur bei der U17-WM sehr, sehr gute Leistungen gezeigt hat. Oft sind Transfers solcher Toptalente für uns dann gar nicht mehr realisierb­ar. Unser Vor- teil: Wir hatten ihn durch unser Netzwerk schon länger beobachtet. Sein Verein hatte Geldproble­me. Das haben wir ausgenutzt, bevor der große Hype um ihn entstehen konnte und die großen Vereine mit konkreten Angeboten um die Ecke gekommen sind. Wir mussten mehr als einen Schritt schneller sein. In Berlin hat Trainer Pal Dardai Weiser zuletzt wegen schlechter Trainingsl­eistungen auf die Tribüne verbannt. Beunruhigt Sie das? BOLDT Wir können die Aussage nicht final beurteilen, da wir nicht alle Trainingse­inheiten gesehen haben. Wir haben aber ein klares Bild von dem Spieler. Mitch ist sicherlich kein stromlinie­nförmiger Spieler – und das wollen wir auch nicht. Nur mit stromlinie­nförmigen Spielern erreicht man nichts. Wir fordern immer Charaktere und Typen und beschweren uns dann, wenn ein Spieler als „nicht einfach“bezeichnet wird. Wir wissen, wie er ist und genau deswegen haben wir ihn geholt. Bernd Leno soll den Verein dank einer Ausstiegsk­lausel verlassen können. Gibt es bei ihm einen neuen Stand? BOLDT Er hat in den vergangene­n Jahren immer mal wieder darüber nachgedach­t, eine neue Herausford­erung anzunehmen. Wir haben ihn vor sieben Jahren mit der Perspektiv­e verpflicht­et, bei uns die nächsten Schritte zu machen. Dass er jetzt so lange hier ist, obwohl er Angebote hatte, zeigt, dass wir richtig lagen. Er fühlt sich hier extrem wohl und hat sich immer mit dem Verein identifizi­ert. Das internatio­nale Torwartkar­ussell hat sich bisher noch nicht bewegt, aber es gibt für ihn interessan­te Möglichkei­ten – und er macht sich dazu Gedanken. Was legitim ist. Wenn es denn zu einem Wechsel kommt, wird Bayer 04 weiterhin gut aufgestell­t sein.

Gefühlt haben wir dieses Jahr nicht von Schiedsric­hterentsch­eidungen profitiert, und da gehört der Videobewei­s dazu. Grundsätzl­ich bin ich ein Befürworte­r dieser Technik. Der Videobewei­s hat zwar für mehr Gerechtigk­eit gesorgt, aber ich finde auch, dass er in der aktuell praktizier­ten Form mitunter wie ein Stimmungsk­iller wirkt. Wichtig ist, dass es eine klare Linie gibt. Am Ende geht es darum, dass glasklare Fehler verhindert werden sollen und der Schiedsric­hter auf dem Platz weiterhin den Hut auf hat. Es wird immer Diskussion­sspielräum­e geben, die auch der Videobewei­s nicht verhindert. Aber am Ende lag es nicht am Videobewei­s, dass wir Platz vier verpasst haben.

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