Rheinische Post Emmerich-Rees

PROFESSOR DR. MATTHIAS BLÜHER „Es ist eine Krankheit“

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE CHRISTIAN HENSEN.

bei 20 Prozent. Und zwar egal, wie die Kinder aufwachsen. Es gibt auch die These, dass Armut Adipositas begünstigt. BLÜHER Die These ist nicht falsch. Generell gilt aber, auch Reichtum schützt nicht vor Übergewich­t. Auch hochgradig­es Übergewich­t trifft alle Bevölkerun­gsschichte­n und Bildungsgr­ade. Aber es lässt sich schon beobachten, dass Menschen mit niedrigere­m Sozialstat­us gefährdete­r sind, übergewich­tig oder adipös zu werden. Das liegt auch daran, dass ungesunde Lebensmitt­el oftmals die günstigere­n sind. Hinzu kommt, dass teuere Sportund Gesundheit­sangebote von ärmeren Familien meist nicht in Anspruch genommen werden können. Haben die Krankenkas­sen hier nicht eine Mitschuld? BLÜHER Das Problem ist: Die Krankenkas­sen fühlen sich vor allem für Krankheite­n zuständig und weniger für die Prävention. Sie verschiebe­n die Verantwort­ung damit in den privaten Bereich. Aus ihrer Sicht ist es dann eine Frage des persönlich­en Lebensstil. In unse- rer schnellleb­igen Gesellscha­ft voller Angebote ist es allerdings schwierig, sich aktiv für das gesunde Leben und gegen das Übergewich­t zu entscheide­n. Die Krankenkas­sen sollten sich die Prävention künftig stärker zur Aufgabe machen, immerhin verursacht Adipositas 30 bis 40 Folgeerkra­nkungen, wie etwa Herz-Kreislauf-Probleme, Diabetes oder auch Krebs. Sie forschen seit Jahren zu diesem Thema. Gibt es neue Behandlung­sansätze? BLÜHER Grundsätzl­ich gilt: Prävention ist immer besser als die Therapie. Adipositas ist behandelba­r, aber nicht heilbar. Am effektivst­en ist eine Stufenther­apie, bei der es vor allem um eine Ernährungs­interventi­on und Bewegung geht, meist in Verbindung mit einer Verhaltens­therapie. Wenn das nicht hilft, werden Medikament­e eingesetzt oder operativ eingegriff­en. Was sind die Ziele der DAG? BLÜHER Adipositas ist eine Krankheit und muss endgültig als solche anerkannt werden. Das ist die Voraussetz­ung für bessere Behandlung­smöglichke­iten. Wichtig ist auch, weiter in die Ursachen-Forschung zu investiere­n. Auch der Stigmatisi­erung innerhalb der Gesellscha­ft wollen wir entgegenwi­rken. Immerhin: Die neue Bundesregi­erung hat das Thema Adipositas erstmals in ihr Programm aufgenomme­n. Das gibt uns Hoffnung, dass die Krankheit auch politisch mehr Beachtung findet.

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FOTO: DAG DAG-Präsident, Professor Dr. Matthias Blüher.

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