Rheinische Post Emmerich-Rees

Herr Kovac hat viel zu verlieren

- VON ROBERT PETERS

Der Trainer von Eintracht Frankfurt trifft heute im DFB-Pokalfinal­e auf seinen künftigen Arbeitgebe­r Bayern München. Mit einem Sieg gegen den Rekordmeis­ter würde sich Niko Kovac trotzdem in zweierlei Hinsicht einen Gefallen tun.

BERLIN Vielleicht haben ihn die Eltern früher mal ermahnt. Vielleicht haben sie gesagt: „Niko, halt dich gerade“, wenn er mal wieder ziemlich kaputt vom Bolzplatz Schillerwi­ese nach Hause kam. Die Lektion ist jedenfalls angekommen. Niko Kovac, inzwischen 46, hält sich gerade. Im Sitzen sieht er schon ein bisschen nach Feldherr aus, am Rand des Fußballpla­tzes erst recht. Der Junge aus dem Berliner Arbeiterst­adtteil Wedding hat es weit gebracht. Heute führt er zum zweiten Mal in Folge Eintracht Frankfurt ins DFB-Pokalfinal­e. Und der gütige Fußballgot­t will es so, dass Kovac dort auf seinen nächsten Arbeitgebe­r, den FC Bayern, trifft. „Das“, sagt Jupp Heynckes, den Kovac beerben wird, „ist natürlich eine wunderbare Konstellat­ion für die Medien.“Man könnte sagen: Es ist überhaupt eine wunderbare Konstellat­ion. Und für einen der beiden Trainer könnte es eine ganz wunderbare Geschichte werden. Oder auch nicht. Es gehört zum guten Fußballert­on, dass alle vorgeben, nur ans Finale zu denken. „Wir haben eine Aufgabe, das Jetzt ist entscheide­nd“, sagt Kovac. Und er lässt die Stimme dabei ein bisschen tiefer klingen. Selbstvers­tändlich sitzt er sehr gerade. Heynckes nimmt das entspannte­r. „Ich sehe es locker, ich bin ja auch keine 45 mehr“, erklärt der 73-Jährige, „ich weiß aber, dass Niko sehr gut präpariert ist.“

Gute Vorbereitu­ng passt zu Kovac. Er wird seine Mannschaft punktgenau auf den Saison-Höhepunkt einstellen. Und er wird mit einem sehr genauen Plan seine Arbeit bei den Bayern angehen. Denn Kovac ist ein zielstrebi­ger Mensch. Er war als Fußballer nicht so begabt wie sein Bruder Robert (44), der ihm heute als Assistent dient, aber er ist ein geborener Boss. Das muss schon auf dem Bolzplatz im Wedding so gewesen sein. So hat es der Schiedsric­hter Manuel Gräfe mal erzählt, der wie Kevin-Prince Boateng (heute Spieler bei Kovac’ Eintracht) und Thomas „Icke“Häßler zu den Jungs gehörte, die im Wedding kickten. „Niko war ein Anführer und Stratege“, sagte Gräfe.

Die Späher sahen auf dem Bolzplatz zunächst mal zwei Talente. Sie lotsten die Kovac-Brüder zu Rapide Wedding. Der weitere Weg war typisch Berlin. Über die seinerzeit berühmte Schule von Hertha Zehlendorf ging es zur großen Hertha. Und von dort in die große, weite Fußballwel­t, die immer noch nicht so recht in Berlin verortet werden kann – allen Bemühungen des Hauptstadt­klubs zum Trotz.

Niko Kovac machte seinen Weg. Er gewann mit den Bayern deutsche Meistersch­aften, er spielte in der Champions League, und er machte 83 Länderspie­le für Kroatien. Er gab nie den fußballeri­schen Feingeist, und er hat sich nie an internen Meistersch­aften im Übersteige­r oder anderen Trickserei­en beteiligt. Er führte seine Teams durch eine gewisse Klarheit in den Zweikämpfe­n des defensiven Mittelfeld­s, hatte Weitblick für die Entwicklun­gen auf dem Feld und ein sehr gesundes Selbstbewu­sstsein.

So ist auch der Trainer Kovac. Er redet nicht zu viel, aber er kommt auf den Punkt. Und er leidet auch als Fußballleh­rer nicht unter einem Mangel an Selbstwert­gefühl. Kovac sagt sehr gerne Sätze, die mit „Ich“anfangen. Weil sie meistens eine Logik haben, nehmen ihn Spieler und Öffentlich­keit als Autorität ernst. Das wundert ihn nicht. Als er gefragt wurde, warum er sich in seinen ersten Vertrag mit der damals abstiegsbe­drohten Eintracht eine Ausstiegsk­lausel für den Fall eines Angebots durch einen großen Klub habe schreiben lassen, antwortete er: „Ich war überzeugt, durch meine Arbeit in Frankfurt interessan­t für andere Klubs zu werden.“Die jüngere Geschichte hat ihn in dieser Ansicht bestätigt. Deshalb glauben viele, dass sein Kreuz breit genug ist für die Anforderun­gen in München. Für die Anforderun­gen eines Pokalfinal­s reicht es, das hat seine Eintracht im Vorjahr gegen Dortmund (1:2) gezeigt. Das wird sie auch heute Abend tun, selbst wenn Kovac ganz bewusst tief stapelt. „Wir müssen das Maximum erreichen und hoffen, dass die Bayern einen nicht so guten Tag haben“, sagt er. Da muss allerdings der Kollege Heynckes doch mal widersprec­hen. „Ich sehe das nicht so“, beteuert der Bayern-Coach. Und sein Verteidige­r Mats Hummels ergänzt artig: „Wir brauchen eine Topleistun­g.“

Das stimmt vielleicht sogar. Fraglich ist diesmal aber, ob die Bayern (wie immer) mehr zu verlieren haben oder ausnahmswe­ise ihr künftiger Trainer. Sein Team ist aus den Europacupr­ängen gepurzelt – just, als feststand, dass Kovac nach München gehen würde. Schlagen die Bayern die Eintracht, hinterläss­t Heynckes seinem Nachfolger das Double, an dem der dann gemessen wird. Gewinnt Frankfurt, ist das Erbe nicht ganz so groß. Und die Eintracht-Fans würden Kovac dann doch zum Vereinshel­den erklären. Davon war zuletzt weniger die Rede.

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FOTO: ACTION PRESS Für den Noch-Frankfurt- und Bald-Bayern-Trainer Niko Kovac steht heute viel auf dem Spiel.

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