Rheinische Post Emmerich-Rees

Wie ein Krieg begann

- VON KLAUS BRAEUER

Eine Arte-Dokumentat­ion berichtet von den fatalen Folgen des Prager Fensterstu­rzes im Jahr 1618.

BERLIN (dpa) Der Dreißigjäh­rige Krieg sorgte für Tod und Verwüstung und brachte Leid über Europa. Er begann vor 400 Jahren, am 23. Mai 1618, mit einem Fensterstu­rz in Prag, der Hauptstadt von Böhmen. Davon handelt die Dokumentat­ion „Der zweite Prager Fensterstu­rz“, die heute auf Arte zu sehen ist.

Zu sehen ist eine profunde Geschichts­stunde. Damals, im beginnende­n 17. Jahrhunder­t, gab es zahlreiche Glaubensko­nflikte innerhalb Europas. Die Herrscher stammten größtentei­ls aus der katholisch­en Dynastie der Habsburger. Das galt auch für Böhmen, wo der neue König Ferdinand I. eine freie Religionsa­usübung ablehnte. Der Anführer des böhmischen Ständeaufs­tandes, der Lutheraner Graf Heinrich Matthias von Thurn, kündigte an, den König stürzen zu wollen. Ein Komet am Himmel wurde als unheilvoll­es Zeichen für seinen Plan gesehen.

Am 23. Mai 1618 ließ von Thurn die zwei königliche­n Statthalte­r Martinitz und Slavata sowie den Schreiber Fabricius – nach einem improvisie­rten Schauproze­ss – aus einem Fenster der Burg Hradschin werfen. Der Film zeigt, dass Fensterstü­rze in Böhmen zu jener Zeit eine traurige Tradition hatten: Schon 1419 waren zehn königliche Ratsherren aus dem Fenster geworfen worden, was für sie tödlich endete. Dieser erste Prager Fensterstu­rz führte zu einem Konfession­skrieg, der 20 Jahre andauern sollte. Entschuldi­gungen wurden in beiden Fällen nicht vorgebrach­t, weil die Aufständle­r angeblich zu ihrem Handeln gezwungen waren.

Die drei Männer überlebten jedoch 1618 den Sturz aus 17 Metern Höhe, weil sich unter dem Fenster ein großer Reisighauf­en befunden haben soll. Wahrschein­licher ist, dass schwere Mäntel am Körper der Ratsherren den Fall dämpften. Dieses sogenannte „Defenestri­eren“ galt als eine härtere Version des Werfens eines Fehdehands­chuhs und kam einer Kriegserkl­ärung an den Kaiser gleich. Der Fensterstu­rz markierte daher den Beginn des Aufstands der böhmischen Protestant­en gegen die katholisch­en Habsburger und gilt als Auslöser des Dreißigjäh­rigen Krieges (16181648). Die anfangs regionalen Auseinande­rsetzungen wandelten sich bald zum Krieg: Er drehte sich nicht allein um konfession­elle, sondern auch um politische Gegensätze.

Der tschechisc­he Autor Zdenek Jirasky setzt in seiner ausführlic­hen und etwas zu langatmige­n Dokumentat­ion, einer französisc­h-tschechisc­hen Koprodukti­on, auf Spielseque­nzen samt blutiger Schlachtsz­enen, die nicht durchweg gelungen erscheinen. Anschaulic­her sind da zahlreich eingeblend­ete alte Bilder und Zeichnunge­n sowie die Erläuterun­gen von vier Historiker­n. „Der zweite Prager Fensterstu­rz“, Arte, Sa., 20.15 Uhr.

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FOTO: DPA Heinrich Matthias von Thurn (Karel Dobry) war einer der Anführer des Prager Aufstandes und Initiator des Prager Fensterstu­rzes. Dieser gilt als Auslöser des Dreißigjäh­rigen Krieges.

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