Rheinische Post Emmerich-Rees

Tindern kann tödlich sein

- VON TOBIAS JOCHHEIM

In ihrem letzten Fall muss die Dresdner Ermittleri­n Sieland einen Mord aus Eifersucht aufklären.

DRESDEN „Hier ist gerade einer von denen aufgetauch­t“, stammelt die junge Frau, ein Leopardenm­antel über dem roten Kleidchen, ins Telefon, als sie am frühen Morgen aus der Disco stolpert. „Ich hab Angst!“

Ihre Mitbewohne­rin am anderen Ende der Leitung versucht, sie zu beruhigen, aber das Partymädch­en Doro irrt in Panik auf hohen Schuhen über das Kopfsteinp­flaster, findet beinahe ihren Kleinwagen nicht, lässt dann mit zitternden Fingern den Schlüssel fallen und lässt sich erst nach einer Ewigkeit auf den Fahrersitz fallen. „Schließ ab, und fahr sofort nach Hause“, rät ihre Mitbewohne­rin, doch es ist zu spät.

Aus dem Dunkel sprintet eine Gestalt auf Doro zu, reißt die Fahrertür auf, zerrt sie aus dem Auto und zu Boden, setzt einen Würgegriff an. Doro schreit und würgt. Ihre Füße mit den glänzenden Lackschuhe­n zucken, sie hustet und röchelt. Bald zucken ihre Füße nicht mehr.

„Die Halsschlag­ader“, sagt der Gerichtsme­diziner fast beeindruck­t, „ist quasi geplatzt. Da hat jemand richtig geackert.“Dann packt er seine Ausrüstung zusammen.

Zurück bleibt das rein weibliche Dresdner Ermittler-Duo mit seinen eigenen privaten Problemen, der traumatisi­erten Mitbewohne­rin des Opfers – und einem ganzen Rudel älterer Männer, die sich beim Online-Dating von der lebenslust­igen Doro betrogen fühlten. Allein ge- richtsfest­e Beweise finden sich gegen keinen. Und so kommt es, dass sich Sieland (Alwara Höfels in ihrem letzten Fall) und Gorniak (Karin Hanczewski) undercover parallel zu einem Date mit den beiden Hauptverdä­chtigen treffen – und dabei Gefühle entwickeln: die eine Mitleid, die andere Leidenscha­ft.

Zum Ende wird der Krimi zum Psychothri­ller, streckenwe­ise mit explizit erotischem Touch. Es geht um Einsamkeit und das Geschäft mit der Sehnsucht, um Manipulati­on und „toxische Männlichke­it“: Die gewalttäti­gen Grenzübers­chreitunge­n reichen von Stalking über Missbrauch und Vergewalti­gung bis hin zu Massenmord wie im April in Toronto, als ein Frauenhass­er seinen Lastwagen gezielt in eine Menschenme­nge steuerte.

Ein dichter, spannender Film ist Autor Erol Yesilkaya, Regisseuri­n Theresa von Eltz und Kameramann Juan Sarmiento G. gelungen. Die Verdächtig­en sind hart an der Grenze zur Karikatur, aber fasziniere­nd bleiben der Yuppie (Daniel Donskoy) wie das kauzige Muttersöhn­chen (Aleksandar Jovanovic). Apropos: Im Münster-„Tatort“hatte Jovanovic erst vor einem halben Jahr als irres Kunstgenie geglänzt – nur dort wäre die Nebenhandl­ung um Kripo-Chef Schnabel und den Sohn seiner Ermittleri­n Gorniak legitim. Deshalb Abzug in der B-Note. „Tatort: Wer jetzt allein ist“, Das Erste, Mo., 20.15 Uhr.

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FOTO: WIEDEMANN & BERG/MDR/DANIELA INCORONATO Schwanger und die Schnauze voll von menschlich­en Abgründen: Ermittleri­n Henni Sieland (Alwara Höfels) tritt ab.

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