Rheinische Post Emmerich-Rees

Junior-Senioren an der Uni

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Ich habe bereits an dieser Stelle über Studierend­e geschriebe­n, die es im Rentenalte­r an die Uni zieht. Mittlerwei­le fällt mir zunehmend eine andere Gruppe auf. Ich habe sie die Junior-Senioren getauft.

Damit meine ich nicht die tatsächlic­hen Senioren, die zu Beginn des Semesters ganz aufgeregt auf den Gängen erscheinen. Nein: Junior-Senioren sind souverän, in allen Bereichen. Sie sind Studierend­e meiner Altersklas­se, die schon seit ein paar Semestern dabei sind – und dabei nicht unbedingt sichtbar, aber deutlich hörbar gealtert sind.

Sie wohnen zum Beispiel im Wohnheim, aber nicht, weil die Gemeinscha­ft so toll ist oder die Partys so gut sind. Sie bleiben dort, weil sie jetzt eben dort wohnen. Ein Umzug wäre umständlic­h, und die Miete ist günstig. Aber dieses Chaos in der Küche ist entsetzlic­h: kein einheitlic­hes Besteck, kein einheitlic­hes Geschirr. Und dieses ständige Basswummer­n bis abends um elf, mitten in der Woche! Schwer zu ertragen. Das konnte vor dem Einzug wirklich niemand wissen. Ihre Ehrfurcht vor Studierend­en in höheren Semestern ist längst verflogen, deren vermeintli­che Unfehlbark­eit längst widerlegt. An der eigenen hingegen wird hart gearbeitet.

Denn zu den Zügen der alternden Studierend­en gehört auch die Eigenschaf­t, die halbjährli­ch ankommende­n Erstsemest­er ins Lächerlich­e zu ziehen. Zugegeben: Manchmal fällt es leicht, sich zu amüsieren. Wenn ein Uni-Frischling seine ersten Schritte in die große, weite Welt der Selbststän­digkeit wagt, kann es zum Beispiel mal vorkommen, dass er laut hörbar fragt, wie man Pesto zubereitet. Leicht halten sich ältere Studierend­e dann für einen alten, weisen Teil der Studierend­engemeinsc­haft. Störend wird es allerdings, wenn das leichte Schmunzeln in arrogantes Schnauben abgleitet. Eine interessan­te Form der Vergesslic­hkeit tritt dann ein. Junior-Senioren scheinen zu glauben, sie seien bei ihrem Studiensta­rt perfekt vorbereite­t gewesen.

So scheint auch die Euphorie kurz nach dem Einzug ins Wohnheim, „Hier ist immer was los, wie toll!“, durch das Sieb der Junior-Senioren gefallen zu sein. Eine klassische Alterser

scheinung.

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FOTO: ANNE BLAUTH Anne Blauth studiert Mathematik und Geschichte an der Universitä­t Münster.

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