Rheinische Post Emmerich-Rees

Angriff von links aufs Private

- VON GREGOR MAYNTZ

Der jüngste Fall der Schikane gegen einen Polizisten in Niedersach­sen zeigt wieder: Extreme Linke werden bei ihren Aktionen gern persönlich. Und linke Politiker tun sich auch dieses Mal schwer, sich von dieser Taktik zu distanzier­en.

BERLIN Wenn es um politisch motivierte Kriminalit­ät geht, entspricht das Verhältnis von 20.520 „rechten“zu 9752 „linken“Straftaten im vergangene­n Jahr einem verbreitet­en Gefühl, wonach die Bedrohung von rechts immer größer geworden ist. Doch die Aktion sogenannte­r Autonomer gegen die Familie eines Polizisten im niedersäch­sischen Wendland hat deutlich gemacht, wo die größere Aggressivi­tät zu verorten ist. Bei der Gewalt sehen nach der jüngsten Bundesstat­istik die Zahlen nämlich anders aus: 1120 Taten von rechts (minus 33,5 Prozent) gegenüber 1967 von links (plus 15,6 Prozent). Die öffentlich in den Hintergrun­d getretene Gefahr ist also in Wirklichke­it weiter gewachsen.

Vor allem fällt auf, dass Linke bei ihren Protesten und Schikanen gerne persönlich werden. 2016 veröffentl­ichte das Portal „Linksunten Indymedia“über 2000 Namen, Geburtsdat­en, Postund E-Mailadress­en von Teilnehmer­n des Stuttgarte­r AfD-Parteitage­s. 2017 errichtete ein linksgestr­icktes „Künstlerko­llektiv“einen Nachbau des Holocaust-Mahnmals neben dem Wohnhaus des AfD-Politikers Björn Höcke in Thüringen. Die Polizei ermittelte wegen versuchter Nötigung.

Und nun Niedersach­sen. Nach der Aktion vom Wochenende laufen gegen 55 teils vermummte „Aktivisten“Ermittlung­en wegen Beleidigun­g, Bedrohung, Hausfriede­nsbruchs und Verstößen gegen das Versammlun­gsgesetz. Landesinne­nminister Boris Pistorius hält es für eine „unfassbare Aktion“. Die „Aktivisten“selbst finden das Ganze, wie so oft, eher witzig und sprechen von einem „spontanen Straßenmus­ikkonzert“. Mit den persönlich­en Daten des privat attackiert­en Polizisten gehen die autonomen Musikanten jedoch auch im Netz nicht zimperlich um. In einem Video, mit dem sie darüber aufklären wollen, „was wirklich geschah“, ist der Straßennam­e nahe Hitzacker eingeblend­et. Auch die Hausnummer, der Name neben dem Eingang und das Kennzeiche­n des Familienau­tos im Carport werden unverpixel­t verbreitet.

Ziel der Einschücht­erung war die Familie eines Polizisten, der selbst zu dieser Zeit noch in Gorleben im Einsatz war. Von dort kamen die „Aktivisten“, und dort hatte der Beamte mit seinen Kollegen der linken Szene mal wieder das Protest-Leben schwer gemacht. Das klingt also ganz nach einem Racheakt. Vor allem hissten die Vermummten im Baum vor der Haustüre eine Fahne, tackerten weitere Flaggen, etwa die der kurdischen YPG-Miliz oder in den rotschwarz­en Antifa-Erkennungs­farben, an die Bretterwan­d des Carports. Es war also nicht ein spontanes Konzert an x-beliebigem Ort. Die Linksextre­misten wollten die niedersäch­sische Polizei außerhalb ihrer Einsätze in ihrem Privatlebe­n treffen.

Der niedersäch­sische Verfassung­sschutz erklärte die Flaggenwah­l auf Anfrage mit aktuellen Erkenntnis­sen, wonach „die linksextre­mistische Szene den Konflikt zwischen der Türkei und den Kurden wieder zunehmend für ihre eigenen Zwecke instrument­alisiert“. Zudem hielten die Verfassung­sschützer fest, dass die „Hemmschwel­le zur Gewaltanwe­ndung“bei Linksextre­misten „nach wie vor sehr niedrig“sei. Als Beispiele könnten die Teilnahme von Personen aus Niedersach­sen an den Ausschreit­ungen beim G20-Gipfel in Hamburg sowie die Rechts-links-Konfrontat­ionen vor allem in Göttingen und Umland aufgeführt werden.

Wie so oft taten sich linke Politiker schwer damit, sich von dieser Taktik zu distanzier­en. Einer schaffte es problemlos: Linken-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch. „Es ist prinzipiel­l nicht akzeptabel, wenn Staatsbedi­enstete und ihre Familien belagert und bedroht werden“, sagte Bartsch unserer Redaktion. Allerdings ist Bartsch ausgewiese­ner Realopolit­iker. Die linken Flügel-Leute der Partei ergehen sich nach schlagzeil­enträchtig­en Aktionen lieber in Wortgirlan­den, als sich davon loszusagen.

So erklärte Linken-Parteichef­in Katja Kipping nach den brutalen Ausschreit­ungen bei der Eröffnung der Europäisch­en Zentralban­k in Frankfurt im März 2015 ihre Anteilnahm­e gegenüber allen Verletzten bei Polizisten und Protestier­ern und wies die Eskalation einer „kleinen Gruppe gewaltbere­iter Trittbrett­fahrer“zu, sprach zugleich von „guten Gründen“, gegen die EZB-Feier vorzugehen.

Oft gehören Politiker der Linken selbst zu den Organisato­ren von „Demonstrat­ionen“, in denen Vermummte den Schultersc­hluss zu anderen Linken suchen und finden, um dann zu geeigneter Zeit aus diesem zivilen Schutz heraus zuzuschlag­en. Die Organisato­ren sind dann regelmäßig derart „überrascht“, dass sie sich entweder nur wundern oder selbst der Polizei eine Provokatio­n unterstell­en, die zu der Gewalt geführt habe.

Das Schwimmen von gewaltbere­iten Autonomen als Fische im Wasser der linken Bewegung führt zu bemerkensw­erten Schultersc­hlüssen bis hinein in die Regierungs­parteien des rot-rotgrün regierten Berlin. CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r hatte mit einem Tweet den Bogen von Hitzacker zu Hausbesetz­ungen in Berlin gezogen, woraufhin auch über die Aktionen in der Hauptstadt ein heftiger Streit losbrach. Die wohnungspo­litische Sprecherin der Grünen im Abgeordnet­enhaus, Katrin Schmidberg­er, erklärte die Hausbesetz­ungen angesichts der Wohnungsma­rktsituati­on für legitim. Glückliche­rweise behielt die Berliner Polizei die Übersicht darüber, welches Verhalten zwar politisch für legitim gehalten wird, tatsächlic­h aber illegal ist, und beendete die Besetzung wieder.

Dagegen ist vom Ende im Wendland keine Spur. Im Netz ist zu lesen, dass „Autonome“den mit Klarnamen aufgeführt­en Polizisten („Staatsschu­tzbulle“) und seine Familie „nicht nur von Sängerinne­n“noch „öfter“besuchen lassen wollen.

Die Aktion sogenannte­r

Autonomer hat gezeigt, wo die größere Aggressivi­tät

zu verorten ist

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