Angriff von links aufs Private
Der jüngste Fall der Schikane gegen einen Polizisten in Niedersachsen zeigt wieder: Extreme Linke werden bei ihren Aktionen gern persönlich. Und linke Politiker tun sich auch dieses Mal schwer, sich von dieser Taktik zu distanzieren.
BERLIN Wenn es um politisch motivierte Kriminalität geht, entspricht das Verhältnis von 20.520 „rechten“zu 9752 „linken“Straftaten im vergangenen Jahr einem verbreiteten Gefühl, wonach die Bedrohung von rechts immer größer geworden ist. Doch die Aktion sogenannter Autonomer gegen die Familie eines Polizisten im niedersächsischen Wendland hat deutlich gemacht, wo die größere Aggressivität zu verorten ist. Bei der Gewalt sehen nach der jüngsten Bundesstatistik die Zahlen nämlich anders aus: 1120 Taten von rechts (minus 33,5 Prozent) gegenüber 1967 von links (plus 15,6 Prozent). Die öffentlich in den Hintergrund getretene Gefahr ist also in Wirklichkeit weiter gewachsen.
Vor allem fällt auf, dass Linke bei ihren Protesten und Schikanen gerne persönlich werden. 2016 veröffentlichte das Portal „Linksunten Indymedia“über 2000 Namen, Geburtsdaten, Postund E-Mailadressen von Teilnehmern des Stuttgarter AfD-Parteitages. 2017 errichtete ein linksgestricktes „Künstlerkollektiv“einen Nachbau des Holocaust-Mahnmals neben dem Wohnhaus des AfD-Politikers Björn Höcke in Thüringen. Die Polizei ermittelte wegen versuchter Nötigung.
Und nun Niedersachsen. Nach der Aktion vom Wochenende laufen gegen 55 teils vermummte „Aktivisten“Ermittlungen wegen Beleidigung, Bedrohung, Hausfriedensbruchs und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. Landesinnenminister Boris Pistorius hält es für eine „unfassbare Aktion“. Die „Aktivisten“selbst finden das Ganze, wie so oft, eher witzig und sprechen von einem „spontanen Straßenmusikkonzert“. Mit den persönlichen Daten des privat attackierten Polizisten gehen die autonomen Musikanten jedoch auch im Netz nicht zimperlich um. In einem Video, mit dem sie darüber aufklären wollen, „was wirklich geschah“, ist der Straßenname nahe Hitzacker eingeblendet. Auch die Hausnummer, der Name neben dem Eingang und das Kennzeichen des Familienautos im Carport werden unverpixelt verbreitet.
Ziel der Einschüchterung war die Familie eines Polizisten, der selbst zu dieser Zeit noch in Gorleben im Einsatz war. Von dort kamen die „Aktivisten“, und dort hatte der Beamte mit seinen Kollegen der linken Szene mal wieder das Protest-Leben schwer gemacht. Das klingt also ganz nach einem Racheakt. Vor allem hissten die Vermummten im Baum vor der Haustüre eine Fahne, tackerten weitere Flaggen, etwa die der kurdischen YPG-Miliz oder in den rotschwarzen Antifa-Erkennungsfarben, an die Bretterwand des Carports. Es war also nicht ein spontanes Konzert an x-beliebigem Ort. Die Linksextremisten wollten die niedersächsische Polizei außerhalb ihrer Einsätze in ihrem Privatleben treffen.
Der niedersächsische Verfassungsschutz erklärte die Flaggenwahl auf Anfrage mit aktuellen Erkenntnissen, wonach „die linksextremistische Szene den Konflikt zwischen der Türkei und den Kurden wieder zunehmend für ihre eigenen Zwecke instrumentalisiert“. Zudem hielten die Verfassungsschützer fest, dass die „Hemmschwelle zur Gewaltanwendung“bei Linksextremisten „nach wie vor sehr niedrig“sei. Als Beispiele könnten die Teilnahme von Personen aus Niedersachsen an den Ausschreitungen beim G20-Gipfel in Hamburg sowie die Rechts-links-Konfrontationen vor allem in Göttingen und Umland aufgeführt werden.
Wie so oft taten sich linke Politiker schwer damit, sich von dieser Taktik zu distanzieren. Einer schaffte es problemlos: Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch. „Es ist prinzipiell nicht akzeptabel, wenn Staatsbedienstete und ihre Familien belagert und bedroht werden“, sagte Bartsch unserer Redaktion. Allerdings ist Bartsch ausgewiesener Realopolitiker. Die linken Flügel-Leute der Partei ergehen sich nach schlagzeilenträchtigen Aktionen lieber in Wortgirlanden, als sich davon loszusagen.
So erklärte Linken-Parteichefin Katja Kipping nach den brutalen Ausschreitungen bei der Eröffnung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt im März 2015 ihre Anteilnahme gegenüber allen Verletzten bei Polizisten und Protestierern und wies die Eskalation einer „kleinen Gruppe gewaltbereiter Trittbrettfahrer“zu, sprach zugleich von „guten Gründen“, gegen die EZB-Feier vorzugehen.
Oft gehören Politiker der Linken selbst zu den Organisatoren von „Demonstrationen“, in denen Vermummte den Schulterschluss zu anderen Linken suchen und finden, um dann zu geeigneter Zeit aus diesem zivilen Schutz heraus zuzuschlagen. Die Organisatoren sind dann regelmäßig derart „überrascht“, dass sie sich entweder nur wundern oder selbst der Polizei eine Provokation unterstellen, die zu der Gewalt geführt habe.
Das Schwimmen von gewaltbereiten Autonomen als Fische im Wasser der linken Bewegung führt zu bemerkenswerten Schulterschlüssen bis hinein in die Regierungsparteien des rot-rotgrün regierten Berlin. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte mit einem Tweet den Bogen von Hitzacker zu Hausbesetzungen in Berlin gezogen, woraufhin auch über die Aktionen in der Hauptstadt ein heftiger Streit losbrach. Die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Katrin Schmidberger, erklärte die Hausbesetzungen angesichts der Wohnungsmarktsituation für legitim. Glücklicherweise behielt die Berliner Polizei die Übersicht darüber, welches Verhalten zwar politisch für legitim gehalten wird, tatsächlich aber illegal ist, und beendete die Besetzung wieder.
Dagegen ist vom Ende im Wendland keine Spur. Im Netz ist zu lesen, dass „Autonome“den mit Klarnamen aufgeführten Polizisten („Staatsschutzbulle“) und seine Familie „nicht nur von Sängerinnen“noch „öfter“besuchen lassen wollen.
Die Aktion sogenannter
Autonomer hat gezeigt, wo die größere Aggressivität
zu verorten ist