Anwohner wehren sich gegen Kosten
Schön und glatt ist die Sahlerstraße zwischen Fuhlensteg und Galenusgasse geworden. Die frühere „Huckelpiste“ist seit der Sanierung Geschichte. Doch einige Anwohner finden es ungerecht, dass sie mit 75 Prozent die Hauptlast der Baumaßnahme finanzieren sol
Am Montag las Wilma Sent die Seite 3 im überregionalen Teil der Rheinischen Post besonders aufmerksam. Dort stand unter der Überschrift „Bürger wollen nicht für Straßen zahlen“, dass mehrere politische Institutionen und auch NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach das Kommunalabgabegesetz des Landes in Frage stellen und bis 2022 zugunsten der Bürger ändern möchten.
Für Wilma Sent, die in der unlängst sanierten Sahlerstraße wohnt, kam der Bericht zur rechten Zeit. Denn einen Tag später lief die Frist ab, die ihr die Stadt Rees in einem Schreiben vom 14. September gesetzt hatte, um zur vorkalkulierten „Erhebung eines Straßenausbaubeitrages für die Erneuerung der Anlage Sahlerstraße“Stellung zu beziehen.
Wie alle anderen Hauseigentümer zwischen Galenusgasse und Fuhlensteg, soll auch Wilma Sent einen„Anliegeranteil am beitragsfähigen Aufwand von 75 Prozent“für die erfolgte Sanierung zahlen.
Angesichts ihres 686 Quadratmeter großen Grundstücks und der zweigeschossigen Bauweise sind das 8.841 Euro. „Ich war sowieso grummelig wegen der hohen Kosten für die Sanierung, aber wenn ich jetzt lese, wie ungerecht die Straßenausbaubeiträge in Deutschland erhoben werden, ärgere ich mich umso mehr“, sagt Wilma Sent.
Deshalb brachte sie am Dienstag fristgerecht einen Brief ins Rathaus. Das taten auch die Nachbarn Rüdiger Otermann und HeidiWawer, die ebenfalls je ein Haus an der Sahlerstraße besitzen.
In ihren Schreiben bitten die Anwohner die Stadt darum, ihre Geldforderungen „auf Eis zu legen und keine Beiträge abzurechnen, da die ungerechten Beiträge zur Diskussion stehen und deren Abschaffung erfolgen soll.“Wilma Sent verweist darauf, dass das dritte Teilstück der Sahlerstraße, anders als angekündigt, noch nicht saniert wurde. „Sollte das letzte Teilstück, vom Amtsgericht bis Galenusgasse, ab 2022 doch noch ausgebaut werden, wäre ich als Beitragszahlerin sehr ungerecht behandelt worden, da voraussichtlich die Anwohner des letzten Teilstückes keine Straßenausbaugebühren mehr zahlen müssten, weil nach längerer Zeit und nach vielen Beschwerden die Gebühren dann wohl endgültig nicht mehr erhoben werden.“
Diese Prognose der Reeserin basiert auf der im RP-Bericht zitierten Forderung der Mittelstandsvereinigung der CDU in NRW, das Kommunalabgabegesetz abzuschaffen.
Bayern hat das bereits getan, Baden-Württemberg hat noch nie Straßenbaubeiträge von Anrainern erhoben, und Hessen stellt es den Kommunen frei, ob diese eine Beteiligung der Hauseigentümer einfordern. Sechs weitere Bundesländer nutzen die Möglichkeit, den Straßenbau auf alle Bürger der Stadt umzulegen.
Das wünscht sich auch Wilma Sent. Denn anders als die Stadt Rees, stuft sie die Sahlerstraße nicht als Anliegerstraße ein, sondern als „eine Durchgangsverkehrsstraße, die auch anders berechnet gehört“, also nicht mit einer Anwohnerbeteiligung von 75 Prozent, sondern maximal 50 bis 60 Prozent. „Hier fahren die Schulbusse, Eltern fahren ihre Kinder zur Grundschule, aus ganz NRW fahren aktive Tischtennissportler am Wochenende zur Turnhalle“, schreibt die Reeserin in ihrem Brief an die Stadt.
Als Beispiel für eine „echte“Anliegerstraße nennt sie die Kopernikusstraße.Wilma Sent schließt ihren Brief mit der Bitte „um eine gerechte Behandlung“und einen Verzicht auf die angekündigten Beiträge, „da die aktuelle Tendenz ist, dass ab 2022 die Straßenausbaugebühren wegfallen.“Nach dieser Idee handelt derzeit auch der Herforder Bürgermeister Tim Kähler (SPD). Er will die mögliche Entscheidung der NRW-Regierung abwarten und etwaige Forderungen an die Bürger bis 2021 auf Eis legen.
„Ich sträube mich nicht dagegen, einen Anteil an der Sanierung der Sahlerstraße zu zahlen, aber ich sträube mich gegen die Höhe des Beitrags, zumal das Kommunalabgabegesetz in NRW gerade im Umschwung ist“, sagt Rüdiger Otermann, der 9538 Euro an die Stadt zahlen soll. Er meint, dass vor allem die Grundschule und die Sporthalle, beide auf städtischen Grundstücken, von der sanierten Straße profitieren, während die Hauptlast der Baukosten, nämlich 75 Prozent, von den privaten Hauseigentümern getragen werden müsse. Eine Familie werde sogar mit 14.000 Euro belastet.
60 Hausbesitzer gibt es entlang der Sahlerstraße. Zu einer Interessensgemeinschaft haben sie sich nicht zusammengefunden. Rüdiger Otermann bedauert das: „In Mettmann hat eine solche Gemeinschaft gerade den Erfolg erzielt, dass sie die Anwohner deutlich geringere Beiträge zahlen müssen als sie von der Stadt gefordert wurde.“Entlang der Sahlerstraße macht Otermann andere Beobachtungen: „Einige ältere Leute, über 80 Jahre, waren schon im Rathaus und haben sich erkundigt, wann denn die offizielle Rechnung kommt, weil sie ihre Schulden möglichst schnell begleichen wollen.“Dagegen ziehen Rüdiger Otermann und Heidi Wawers ein Beratungsgespräch bei einem Anwalt in Betracht, der auf kommunalen Straßenbau spezialisiert ist. „Es deuten viele Zeichen darauf hin, dass sich das Kommunalabgabegesetz ändern wird“, sagt Heidi Wawers und sorgt sich: „Wenn wir jetzt sofort zahlen, sind wir die Dummen, während die Anwohner des dritten Teilstücks der Sahlerstraße in einigen Jahren von den geänderten Gesetzen profitieren werden.“