Wo sich die Wahl entscheidet
Pennsylvania galt lange als blauer Wall – nach der Parteifarbe der Demokraten. Trotzdem triumphierte hier 2016 Donald Trump. Die „Midterms“bieten nun die Chance für eine Revanche.
Trumps rigorose Härte gegenüber Migranten. „Mein Vater kam aus Griechenland, mit gültigen Papieren, und natürlich hat er gleich angefangen, Englisch zu lernen. Heute erwarten all diese Mexikaner, dass jeder hier Spanisch spricht.“Vor der Wahl 2016 galt Pennsylvania als blauer Wall, blau nach der Parteifarbe der Demokraten, der dem Kandidaten der Republikaner den Weg nach Washington versperren würde wie eine unüberwindbare Mauer. Bekanntlich kam es anders. Weil Pennsylvania zu den Rust-Belt-Staaten gehörte, die Trump den Vorzug vor Hillary Clinton gaben, sitzt der Unternehmer heute im Oval Office. Umso mehr hoffen die Demokraten, dass bei den „Midterms“am Dienstag eine blaue Welle durch Pennsylvania rollt. Dann werden in den USA alle Abgeordneten des Repräsentantenhauses und etwa ein Drittel der Senatoren neu gewählt.
Somerset, eine Kleinstadt im Allegheny-Gebirge. In der Nähe hat ein Kohlebergwerk seinen Betrieb aufgenommen, eine Premiere, wie es sie in Pennsylvania lange nicht gab. Im Keller einer Versicherungsagentur trifft sich die Ortsgruppe der Republikaner. Aufkleber für Autostoßstangen liegen bereit, auf denen steht: „Donald Trump 2020“. Bruce Hottle hat nichts auszusetzen an der Arbeit des Präsidenten: „Er macht exakt das, was er versprach.“Hottle ist Besitzer einer kleinen Fabrik, die Betonfertigteile für Autobahnen und Abwassersysteme herstellt. Alles, schwärmt er, sei unter Trump besser geworden, die Auftragslage, die Stimmung, die Bürokratie. Indem Trump Vorschriften lockere undVerordnungen streiche, bleibe ihm, Bruce Hottle, jede Menge Papierkram erspart.
Soll am Dienstag eine blaue Welle über Pennsylvania hinwegrollen, dann müsste sie auch Media erfassen. Eine Siedlung im Speckgürtel um Philadelphia, Einfamilienhäuser, sehr große Garagen, idyllisch gelegen zwischen Pferdekoppeln und Apfelgärten. In Media lebt die obere Mittelschicht, normalerweise stehen Demokraten hier auf verlorenem Posten. Diesmal, hofft Mary Gay Scanlon, könnte sich das ändern. Weshalb sie, das blonde Haar unkompliziert zum Pferdeschwanz zusammengebunden, zwischen bunt gefärbten Laubbäumen von Tür zu Tür zieht. Immer wieder treffe sie Republikaner, die ihr anvertrauten, dass sie ihre Partei nicht mehr wiedererkennen, nicht in der Sprache Donald Trumps, erzählt Scanlon. „Ja, in dem Sinne wird es wohl eine Abstimmung über Trump.“
Mit seinen frauenfeindlichen Sprüchen, der Hetze gegen Migranten und der Verharmlosung sexueller Übergriffe hat der Präsident eine Rekordzahl von Frauen dazu gebracht, sich für ein Mandat im Repräsentantenhaus zu bewerben. 197 sind es bei den Demokraten, fast die Hälfte aller Kandidaten der Partei. Viele sind neu auf der politischen Bühne, so wie Mary Gay Scanlon, 60 Jahre alt, Rechtsanwältin, dreifache Mutter. Sie sei angetreten, weil sie das Gefühl hatte, alles, wofür sie gearbeitet habe, werde auf einmal infrage gestellt. „Wir haben eine Regierung, deren Führung nicht an den Rechtsstaat zu glauben scheint, nicht an Fair Play, nicht an Chancengleichheit. Das ist nicht Amerika.“Außerdem wolle man doch, dass Heranwachsende aufschauen könnten zu den Leuten an der Spitze des Staates. „Stattdessen haben wir eine Regierung, die sich bei jedem Streit in die Gosse begibt“, schimpft die Juristin.
Allein im Speckgürtel um Philadelphia sind es vier Kandidatinnen, die für die Demokraten ins Abgeordnetenhaus aufrücken wollen. Vier Praktikerinnen, wie Scanlon betont.„Wenn wir vier nachWashington schauen, fragen wir uns, warum immer so viel Ego im Spiel sein muss. So viel männliches Ego“, sagt sie noch, bevor sie weiterzieht. In ihrem Wahlkampfbüro hängt an einer gelben Wandzeitung ein alarmierender Spruch. „Geht wählen, als hinge das Leben eurer Kinder davon ab!“
Pennsylvania